Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 19. April 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5287 6. Wahlperiode 20.04.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jeannine Rösler, Fraktion DIE LINKE Zinssätze für Dispositions- und Überschreitungskredite und ANTWORT der Landesregierung 1. Inwiefern hält die Landesregierung an ihrer Auffassung fest, wonach die Kreditinstitute entsprechende geeignete Maßnahmen ergreifen sollen, die Zinssätze für Dispositions- und Überschreitungskredite im Rahmen einer Selbstverpflichtung angemessen zu halten, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Diskrepanz zwischen Hauptrefinanzierungssatz der EZB und den Zinssätzen der Kreditinstitute für Dispositions- und Überschreitungskredite? Die Landesregierung hält eine gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Zinssätze für Dispositionskredite nicht für geboten. Grundsätzlich wird ein Eingriff in Marktpreise, der allein wegen einer vermeintlich günstigen Refinanzierung beziehungsweise Kostensituation begründet wird und damit nur einen von mehreren Kostenfaktoren betrachtet, abgelehnt. Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die sich gegebenenfalls an einem Referenzwert orientieren, stehen dem nicht entgegen. Dispositionskredite dienen grundsätzlich dazu, ein Konto für einen kürzeren Zeitraum überziehen zu können. Wer eine längerfristige Finanzierung benötigt, sollte dafür andere Konsumenten-/Ratenkredite nutzen. Diese gibt es zu teilweise deutlich günstigeren Konditionen, dafür jedoch mit einer meist geringeren Flexibilität, was die Rückführung oder eine erneute Inanspruchnahme des vereinbarten Kreditbetrages betrifft. Drucksache 6/5287 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Der Kreditvertrag unterliegt den Bestimmungen des Schuldrechts der §§ 488 ff. BGB. Da das Schuldrecht allgemein den Vertragsparteien Vertragsfreiheit zubilligt, sind im BGB die gesetzlichen Mindestanforderungen verankert. Weitreichende Informationspflichten (zum Beispiel nach der Preisangabenverordnung) dienen den Verbraucherinnen und Verbrauchern, eine sachgerechte Entscheidung zu fällen. Insbesondere seit Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie sieht das Gesetz sowohl bei Dispositionskrediten als auch bei so genannten geduldeten Überziehungen umfassende Informationspflichten des Kreditgebers vor. 1 Diese sind - vorvertragliche Informationen; - fortlaufende Informationen über eingeräumte und geduldete Überziehungen gemäß §§ 504 und 505 Absatz 1 BGB; - Informationen bei erheblicher geduldeter Überziehung von mehr als einem Monat gemäß § 505 Absatz 2 BGB; - anlassbezogene, individuelle Informationen bei Konditionsänderungen; - Ausweis der Konditionen im Preisaushang und im Preis- und Leistungsverzeichnis sowie - Unterrichtung über entstandene Kosten in den quartalsweise erstellten Rechnungsabschlüssen . Darüber hinaus bieten die Kreditinstitute ergänzende Informationen an, wie beispielsweise die Kontostandsauskunft am Geldautomaten des eigenen Kreditinstituts oder - abhängig von der bankindividuellen Ausgestaltung - die Information über den aktuellen Zinssatz auf dem Kontoauszug. Diese Transparenzmaßnahmen stellen sicher, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über die Höhe der aktuellen Zinssätze informiert sind. Auf dieser Grundlage werden sie in die Lage versetzt, auf informierter Basis eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, ob sie - sich einen Dispositionskredit einräumen lassen oder nicht, - den Dispositionskredit in Anspruch nehmen oder nicht, - zu einem Kreditinstitut mit insgesamt günstigeren Kosten der Kontonutzung wechseln oder nicht. Wie bereits als Antwort zur Frage 5 der Landtags-Drucksache 6/2124 dargelegt, ist zudem die alleinige Betrachtung der Zinssätze für Dispositionskredite nicht sachgerecht. Vielmehr müssten alle Unterschiede beim Leistungsumfang und der Qualität der angebotenen Girokonten berücksichtigt werden, was beispielsweise die Infrastruktur, persönliche Beratung, Kundenselbstbedienungsterminals, Öffnungszeiten, Beschwerdemöglichkeiten und mobile Services einschließen sollte. Nur über die Preissituation des Gesamtpaktes Girokonto kann eine echte Vergleichbarkeit hergestellt werden. Grundsätzlich geht es hier auch um die Frage, ob der Staat (gesetzlich) in die Preisbildung von frei handelbaren Gütern, für den es einen Markt mit Anbietern und Nachfragern gibt, eingreifen soll - allein mit der Begründung, dass der Preis für die Verbraucherinnen und Verbraucher „zu hoch“ sei und/oder die Kosten für die Anbieter viel geringer seien. 1 vgl. Position der Deutschen Kreditwirtschaft zur Anhörung des Rechts- und Verbraucherausschusses des Deutschen Bundestags zu Dispositionskrediten am 24. September 2014, S. 2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5287 3 Ein solcher Eingriff könnte dazu führen, dass die Vergabe von Dispositionskrediten eingeschränkt werden würde oder die Kosten beispielsweise auf die Kontoführungsgebühren insgesamt umgelegt werden müssten, was alle Kundinnen und Kunden benachteiligen würde, das heißt auch diejenigen, die keinen Dispositionskredit nutzen. Beide Entwicklungen würden dem allgemeinen Verbraucherinteresse zuwider laufen. Die Landesregierung geht weiterhin davon aus, dass vor allem die Kreditinstitute selbst geeignete Maßnahmen ergreifen sollten, ihre Zinssätze für Dispositions- und Überschreitungskredite angemessen zu halten. Hinsichtlich der Frage nach einem etwaigen Marktversagen wird auf die Antwort zur Frage 2b verwiesen. 2. Welche Maßnahmen im Sinne einer Selbstverpflichtung hat der Bankensektor nach Kenntnis der Landesregierung bislang ergriffen und wie bewertet sie diese? a) Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung entsprechende Selbstverpflichtungen bei den Sparkassen des Landes Mecklenburg- Vorpommern und wenn ja, wie sind diese ausgestaltet? b) Liegt nach Einschätzung der Landesregierung vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Diskrepanz zwischen Hauptrefinanzierungssatz der EZB und den Zinssätzen der Kreditinstitute für Dispositions- und Überschreitungskredite in diesem Bereich ein Marktversagen vor (Antwort bitte begründen)? Selbstverpflichtende Maßnahmen des Bankensektors, die über die nachfolgend in der Antwort zu Frage a) genannten Maßnahmen der Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern hinaus reichen, sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu a) Die Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern setzen die neuen Regelungen der §§ 504a bzw. 505 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Beratung ihrer Kundinnen und Kunden bei längerer und hoher Inanspruchnahme von Dispositionskrediten und Überziehungen um. Der Kundschaft werden entweder günstigere Kreditprodukte angeboten oder es werden gemeinsam Möglichkeiten zur ratenweisen Rückführung des Dispositionskredites besprochen. Daneben wird die Höhe der Zinsen unter anderem im Internet transparent gemacht. Ferner ist als selbstverpflichtende Maßnahme ein „Warnhinweis“ an die Kundinnen und Kunden vorgesehen, um diese bereits im Vorfeld und ergänzend zu den gesetzlichen Beratungspflichten für die Kosten der Inanspruchnahme des Dispositionskredites zu sensibilisieren, wenn der Dispositionskredit über drei Monate zu mehr als 50 Prozent in Anspruch genommen wurde. In dem Hinweis wird der aktuelle Sollzinssatz, den das Institut gegenüber den Kundinnen und Kunden für die Inanspruchnahme des Dispositionskredites berechnet, aufgeführt. Drucksache 6/5287 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Weitergehende Maßnahmen im Sinne einer Selbstverpflichtung der Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu b) Die Landesregierung teilt die Aussage der Deutschen Kreditwirtschaft 2 , wonach die Verbraucherinnen und Verbraucher im wettbewerbsintensiven deutschen Markt die Möglichkeit haben, unter einer Vielzahl von Girokontoangeboten mit unterschiedlichen Preismodellen zu wählen. Dispositionskredite werden üblicherweise durch alle Kreditinstitute angeboten, Möglichkeiten zur Überziehung ebenfalls fast überall. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben daher die Wahl zwischen einer Vielzahl von Anbietern. Zudem besteht enorme Konkurrenz im Bereich der Verbraucherdarlehen. Bereits die Studie zu Dispozinsen/Ratenkrediten von ZEW und iff im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV, 19.07.2012) sowie die Forsa-Umfrage „Meinungen und Einstellungen zum DispoZins“ (Juli 2012) zeigten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Möglichkeiten am Markt nicht ausnutzen. Somit ist nicht von einem Marktversagen auszugehen, welches einen Eingriff in den Grundsatz der freien Preisgestaltung am Markt rechtfertigen könnte. Die an die Kreditinstitute gerichteten Appelle haben laut Stiftung Warentest im Schnitt zumindest zu einer weiteren Senkung der Dispositionskreditzinsen gegenüber 2014 um 0,4 Prozentpunkte geführt. Laut der Septemberausgabe 2015 der Zeitschrift Finanztest schwanken die Konditionen der im Wettbewerb stehenden Unternehmen zwischen fünf und 14 Prozent. Einen weiteren Fortschritt sieht die Stiftung Warentest darin, „dass die Hälfte aller Kreditinstitute ihre unanständig hohen Zinsen für Kunden, die auch noch den Rahmen für den Dispokredit überziehen, abgeschafft haben.“ Nach den Feststellungen der Deutschen Bundesbank lag der Zinssatz für Überziehungskredite im Mai 2015 bei durchschnittlich 9,03 Prozent. 2 Vgl. Position der Deutschen Kreditwirtschaft zur Anhörung des Rechts- und Verbraucherausschusses des Deutschen Bundestags zu Dispositionskrediten am 24. September 2014, S.4. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5287 5 3. Wie bewertet die Landesregierung die Regelungen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Überziehung von Konten im „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“, welche zum 21. März 2016 in Kraft getreten sind? Die Landesregierung begrüßt die Regelungen, die der Deutsche Bundestag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes beschlossen hat. Im Hinblick auf die Überziehung von Konten sind dies: - Beratungsangebot bei Inanspruchnahme der Überziehungsmöglichkeit (§ 504a BGB): Banken müssen eine Beratung anbieten, wenn eine Kundin oder ein Kunde den Dispositionskredit ein halbes Jahr lang zu durchschnittlich mehr als 75 Prozent ausschöpft. Nimmt die Darlehensnehmerin oder der Darlehensnehmer das Angebot an, ist eine Beratung zu möglichen kostengünstigen Alternativen zur Inanspruchnahme der Überziehungsmöglichkeit und zu möglichen Konsequenzen einer weiteren Überziehung des laufenden Kontos durchzuführen sowie gegebenenfalls auf geeignete Beratungseinrichtungen hinzuweisen. - Beratungsangebot bei Inanspruchnahme der geduldeten Überziehung (§ 505 BGB): Wenn es zu einer ununterbrochenen Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durchschnittliche Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504a BGB entsprechend. - Verbraucherfreundliche Übergangsvorschrift: Die §§ 504a und 505 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind auf Verbraucher- Darlehensverträge gemäß den §§ 504 und 505 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch dann anzuwenden, wenn diese Verträge vor dem 21. März 2016, das heißt vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, abgeschlossen wurden. - Allgemeine Informationspflichten bei Überziehungsmöglichkeiten und Entgeltvereinbarungen (Artikel 274a § 2 Absatz 2 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche): Der Sollzinssatz, der für die Überziehungsmöglichkeit berechnet wird, ist in den nach Absatz 1 zur Verfügung zu stellenden Informationen klar, eindeutig und in auffallender Weise anzugeben. Verfügt derjenige, der gemäß Absatz 1 Informationen bereitzustellen hat, über einen Internetauftritt, so ist der Sollzinssatz in entsprechender Weise auch dort anzugeben. Drucksache 6/5287 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 4. Sieht die Landesregierung weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf Bundesebene zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Dispositions- und Überschreitungszinsen (Antwort bitte begründen)? Die Landesregierung sieht derzeit keinen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Ist nach Auffassung der Landesregierung beispielsweise eine gesetzliche Regelung zur Festlegung einer klaren Obergrenze für Dispositions - und Überschreitungskredite geboten (Antwort bitte begründen )? Die Landesregierung hält eine gesetzliche Regelung zur Festlegung einer Obergrenze für Dispositionszinsen für nicht geboten. Zur Begründung wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. 6. Welche Bundesländer haben sich nach Kenntnis der Landesregierung während des Gesetzgebungsverfahrens für eine gesetzliche Begrenzung der Zinsen für Dispo- und Überschreitungskredite eingesetzt? Wie dem Plenarprotokoll der 936. Sitzung des Bundesrates vom 25. September 2015, Seite 330 in Verbindung mit Ziffer 9 der Drucksache 359/16 (Beschluss) entnommen werden kann, brachte das Land Nordrhein-Westfalen einen Antrag ein, der eine Obergrenze des Dispo- und des Überziehungszinses von acht Prozent über dem Basiszinssatz nach dem BGB vorsah. Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Stimmen angenommen. Mecklenburg- Vorpommern hatte sich im Plenum zu der einschlägig relevanten Empfehlung aus den Ausschüssen enthalten. 7. Hat sich die Landesregierung während des Gesetzgebungsverfahrens für weitergehende Regelungen, wie beispielsweise eine gesetzliche Begrenzung der Zinsen für Dispositions- und Überschreitungskredite, eingesetzt (Antwort bitte begründen)? Die Landesregierung hat entsprechend ihrer in der Antwort zur Frage 1 begründeten Grundauffassung keine Initiativen ergriffen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5287 7 8. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten und weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor überhöhten Dispositions- und Überschreitungszinsen bei den Sparkassen Mecklenburg-Vorpommerns (Antwort bitte begründen)? Aus Sicht der Landesregierung ergibt sich derzeit kein konkreter Handlungsbedarf des Landes zur Begrenzung der Dispositions- und Überschreitungszinsen bei den Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern. Auf Landesebene fehlt es bereits an rechtlichen oder gesetzgeberischen Möglichkeiten, auf die Geschäftspolitik der Sparkassen zur Zinsfestlegung einzuwirken. Die Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern sind selbständige Wirtschaftsunternehmen. Sie führen ihre Geschäfte nach kaufmännischen Gesichtspunkten unter Wahrung des öffentlichen Auftrags. Dies gilt auch für die Festlegung der Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite. Die aktuellen Konditionen für Dispositionskredite bei den Sparkassen in Mecklenburg- Vorpommern sind mit 8,39 bis 12,35 Prozent marktüblich. Das Finanzministerium ist lediglich Rechtsaufsichtsbehörde der Sparkassen. Eine Einflussnahme auf die Ausgestaltung der - gesetzlich nicht begrenzten - Zinssätze ist von den Befugnissen der Sparkassenaufsichtsbehörde nicht gedeckt. Für entsprechende landesgesetzgeberische Aktivitäten in Bezug auf die Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern fehlt dem Land die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Der im Bereich des Verbraucherdarlehensrechts zuständige Bundesgesetzgeber hat die Forderung des Bundesrates zur gesetzlichen Begrenzung der Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite nicht aufgegriffen. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 4 verwiesen.