Der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. Mai 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5369 6. Wahlperiode 10.05.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Simone Oldenburg, Fraktion DIE LINKE Unterricht in der niederdeutschen Sprache an den allgemein bildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Beantwortung der Fragen bezieht sich auf das Landesprogramm „Meine Heimat - Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“, welches die Projektgruppe des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Zusammenwirken mit dem Niederdeutschbeirat, dem Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. und dem Landesjugendring erarbeitet beziehungsweise abgestimmt hat. 1. Welche Argumente führt die Landesregierung für ihre Position an, dass die niederdeutsche Sprache eine Fremdsprache ist? Die Sprachwissenschaft unterscheidet zwischen der Muttersprache, der Zweitsprache und der Fremdsprache. Es ist unstrittig, dass es in Mecklenburg-Vorpommern heute kaum noch Kinder gibt, die Niederdeutsch von den Eltern oder anderen Bezugspersonen ohne spezielle Unterweisung als Erstsprache oder Muttersprache erwerben und diese Sprache für den primären Sprachgebrauch verwenden. Auch als Zweitsprache wird Niederdeutsch in Mecklenburg-Vorpommern kaum noch erworben, nämlich als zweites Mittel der Kommunikation , welches ohne spezielle Unterweisung in der sozialen Umgebung erworben wird, in der man diese Sprache tatsächlich täglich spricht. Darum ist Niederdeutsch in Mecklenburg- Vorpommern für die meisten Schülerinnen und Schüler heute eine Fremdsprache, die definiert ist als eine Sprache, die sich außerhalb des gewöhnlichen Verwendungsbereiches befindet, da sie nicht der alltäglichen Kommunikation dient. Drucksache 6/5369 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Bei einer Fremdsprache handelt es sich um eine „fremde“, hier in Mecklenburg-Vorpommern für die Schülerinnen und Schüler „fremd gewordene“ Sprache, die hauptsächlich im Schulunterricht erlernt wird. Somit fällt Niederdeutsch heute für die Schülerinnen und Schüler unter die wissenschaftliche Definition einer Fremdsprache. Der Spracherwerb als Zweite Fremdsprache gemäß Kultusministerkonferenz mittels Schulunterricht ist die einzige Möglichkeit, die Sprache Niederdeutsch so zu erhalten, wie es die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, welche Mecklenburg-Vorpommern unterzeichnet und ratifiziert hat, fordert. 2. Welche Angebote plant die Landesregierung zur Einführung bzw. Weiterentwicklung der niederdeutschen Sprache an den öffentlichen Schulen für die kommenden Schuljahre? Die Landesregierung plant, wie im Landesprogramm „Meine Heimat - Mein modernes Mecklenburg-Vorpommern“ dargelegt, für die kommenden Jahre durch gezielte Programme für Lehrerinnen und Lehrer sowie Fachkräfte für die Kindertageseinrichtungen die Pädagoginnen und Pädagogen zu qualifizieren, um den Spracherwerb des Niederdeutschen zu fördern. An der Universität Greifswald wird ein Kompetenzzentrum der Didaktik des Niederdeutschen eingerichtet, das vor allem für die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern zuständig sein wird. Aktuell ist für die Gymnasien und Kooperativen Gesamtschulen eine Ausschreibung zur Begabtenförderung herausgegeben. Die Schulen können den Profilpunkt Niederdeutsch wählen und erhalten dafür eine ganze Lehrerstelle zusätzlich, über welche die Schule planerisch verfügt. Außerdem wird die Landesregierung einen modernen Rahmenplan sowie Unterrichtsmaterialien entwickeln. Diese Arbeit beginnt mit dem Schuljahr 2016/2017. Weitergeführt wird die erfolgreiche Niederdeutschförderung mittels des alle zwei Jahre stattfindenden Plattdeutschwettbewerbs für die Kindertageseinrichtungen und die Schulen in Mecklenburg- Vorpommern. Flankiert werden soll diese Arbeit durch gezielte Fortbildungen zur inhaltlichen Vorbereitung der Fachkräfte auf die Teilnahme am Wettbewerb. Der Wettbewerb findet im Schuljahr 2017/2018 wieder statt und seit dem vergangenen Jahr wird im Jahr zwischen den Wettbewerben ein Nachwuchsfördercamp für die Wettbewerbsbesten der Schulen ausgerichtet. Es werden Kriterien entwickelt, um für Kindertageseinrichtungen und Schulen, die schon seit vielen Jahren erfolgreich im Unterrichten der Niederdeutschen Sprache tätig sind, als Wertschätzung und Anerkennung ein qualifiziertes Siegel zu verleihen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5369 3 3. Welche Erkenntnisse hat die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen und der Vereinbarkeit mit den Maßgaben der Kultusministerkonferenz , Niederdeutsch als reguläres Schulfach einzuführen, ergeben (Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 6/4732)? Die Gegenstandsbereiche des Unterrichts werden auf der Grundlage von § 5 Schulgesetz als Unterrichtsfächer, Lernbereiche sowie Aufgabenfelder ausgestaltet. Die Kultusministerkonferenz kann länderspezifische Unterrichtsfächer auf Antrag als Prüfungsfächer anerkennen. Dazu ist in erster Linie der Rahmenplan für dieses Fach vorzulegen. Dies ist für Niederdeutsch für das Frühjahr 2017 geplant. Mecklenburg- Vorpommern wird einen entsprechenden Antrag auf der Grundlage von Ziffer 8.4 der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II stellen. Entsprechende Erfahrungen wurden bereits bei der Einführung des Faches Schwedisch gewonnen. Nach einer Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz kann Niederdeutsch dann regulär als Zweite Fremdsprache ab Klassenstufe 7 beziehungsweise als spätbeginnende Dritte Fremdsprache ab Klasse 9/10 unterrichtet werden. Dies ist ab dem Schuljahr 2017/2018 geplant. 4. An wie vielen allgemein bildenden Schulen wird im Schuljahr 2015/2016 gemäß SIP die niederdeutsche Sprache in welcher Unterrichtsart sowie mit jeweils welchem Wochenstundenumfang unterrichtet (bitte getrennt nach Schularten, Jahrgangsstufen sowie Art des Unterrichts angeben)? Die Angaben gemäß Schulinformations- und Planungssystem Mecklenburg-Vorpommern zum Stichtag der amtlichen Schulstatistik (30.09.2015) sind der folgenden Übersicht zu entnehmen. Es handelt sich dabei um noch nicht plausibilisierte Zahlen, sodass die Daten unter Vorbehalt zu betrachten sind: Drucksache 6/5369 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Anzahl Schulen Schulart Jahrgangsstufe Anzahl der Unterrichtseinheiten nach Unterrichtsart Pf lic ht un te rr ic ht W ah lp fli ch tu nt er ri ch t N ei gu ng su nt er ri ch t R el ig io ns - u nd E rs at zun te rr ic ht G an zt ag ss ch ul e H al bt ag ss ch ul e Fö rd er un te rr ic ht W ah lp fli ch tu nt er ri ch t/ G an zt ag ss ch ul e Pr oj ek tf ac hu nt er ri ch t 39 Grundschule 1 - - - 5 - - 2 - - 2 1 - - 5 1 2 1 - - 3 4 - 1 7 - 4 2 - - 4 5 - 5 7 - 1 - - - jahrgangsstufenübergreifend : Jahrgangsstufe 1 und 2 - - - 3 - 1 - - - jahrgangsstufenübergreifend : Jahrgangsstufe 2 und 3 - - - 1 - 1 - - - jahrgangsstufenübergreifend : Jahrgangsstufe 3 und 4 - - 3 2 - 2 1 - - jahrgangsstufenübergreifend : Primarbereich - - 3 - 1 3 - - - 24 Regionale Schule 5 - - - 2 3 - - - - 6 - - - 2 1 - - - - 7 1 2 - 3 - - - - - 8 - 1 - 5 - - - - - 9 - 1 - 2 - - - - - jahrgangsstufenübergreifend : Sekundarbereich - 3 - 1 9 - - 1 - 4 Gymnasium 9 1 2 - - 4 - - - - 10 - - - - 1 - - - - jahrgangsstufenübergreifend : Sekundarbereich I und II - - - - - - - - 1 2 Förder-schule 5 - - 1 - - - - - - 7 - - - 1 - - - - - Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5369 5 5. Welche Gründe führt die Landesregierung dafür an, dass ihr Vorhaben , die niederdeutsche Sprache als Fremdsprache und als Abiturfach in Mecklenburg-Vorpommern einzuführen, vom Kommentar zur Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Nomos Kommentar 1. Auflage 2007, Seite 129, abweicht, der ausführt, dass Niederdeutsch eine Regionalsprache, aber keine Minderheitensprache ist? Beim Niederdeutschen handelt es sich um eine Regionalsprache, das heißt eine Sprache, die in einem Raum beziehungsweise Territorium verwendet wird, welcher keine staatliche Einheit bildet. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5. November 1992 definiert den Begriff Minderheitensprache als von einer Minderheit in einem Staatsgebiet gebrauchte Sprache, die sich von der Amtssprache unterscheidet und weder ein Dialekt noch die Sprache von Zuwanderern ist. Die Charta unterscheidet vom Status her nicht zwischen Minderheiten- und Regionalsprachen. Sie genießen den gleichen Schutz. Wissenschaftlich werden die ersteren jedoch oft ethnisch bestimmt, letztere über die regionale Verbreitung. Niederdeutsch ist also in der Tat keine Minderheitensprache. Die Bezeichnung des Niederdeutschen als Zweite/Dritte Fremdsprache im Sinne der Kultusministerkonferenz weicht demzufolge nicht vom Kommentar zur Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ab, denn Niederdeutsch ist eine Regionalsprache und für den Schulunterricht in der Regel eine Fremdsprache aus den in der Antwort zu Frage 1 genannten Gründen.