Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 6. Juni 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5411 6. Wahlperiode 07.06.2016 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE NPD-Kundgebung und -Umzug am 1. Mai 2016 in Schwerin und ANTWORT der Landesregierung Die Tageszeitung taz schreibt in einer Nachbetrachtung zu den Demonstrationen am 1. Mai 2016 in Schwerin von einem „Polizeikessel“, in dem Gegendemonstranten zu einer von der NPD angemeldeten Kundgebung „ohne Rechtsgrundlage festgesetzt worden seien“. Quelle: http://m.taz.de/Polizei-Kessel-in-Schwerin/!5298886;m/ 1. Wie stellt sich das polizeiliche Vorgehen im Rahmen der NPD-Kundgebung und des sich anschließenden Umzugs am 1. Mai 2016 in Schwerin aus Sicht der Landesregierung dar? Für den 01.05.2016 wurden in der Landeshauptstadt Schwerin mehrere Versammlungen angemeldet. Neben einer angemeldeten Versammlung der NPD fanden unter anderem Versammlungen des DGB, der Jusos und weitere statt. Insgesamt wurden durch die Anmelder 1.200 Versammlungsteilnehmer erwartet. Der Polizei lagen Erkenntnisse vor, dass Störungen gegen die Versammlung der NPD beabsichtigt sind. Zum Schutz aller Versammlungen und ihrer Teilnehmer führte die Polizeiinspektion einen Einsatz mit insgesamt 859 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten durch. Das taktische Konzept sah folgende Maßnahmen vor: Aufklärung, Verkehrsmaßnahmen, Versammlungsschutz für die einzelnen Versammlungen, Raumschutz, (kriminalpolizeiliche) Folgemaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit . Drucksache 6/5411 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Was war ursächlich für die Festsetzung von (laut taz-Bericht) 120 Personen, die gegen die Kundgebung der NPD und den sich anschließenden NPD-Umzug demonstrieren wollten? a) Inwieweit ist der taz-Bericht hinsichtlich der Feststellung zutreffend, dass die Polizei in Aussicht gestellt hatte, dass Personen, die sich ausweisen können, gehen können? b) Wenn die in Frage 2a) geschilderten Aussagen zutreffen, warum wurden dann Personen, die der Aufforderung, sich auszuweisen, folgten, dennoch weiter festgehalten? Zu 2 Am 01.05.2016 um 8:18 Uhr fuhr ein Zug aus Hamburg in Richtung Schwerin, in dem sich ca. 150 Personen befanden, welche durch die begleitenden Beamten der Bundespolizei dem linksextremen Spektrum zugerechnet wurden. Dieser Zug sollte den Hauptbahnhof Schwerin um 9:46 Uhr erreichen. Um 9:49 Uhr wurden die Erkenntnisse über den Verlauf der Zuganreise aus Hamburg durch einen Verbindungsbeamten der Bundespolizei dahingehend ergänzt, dass die ca. 150 Personen im Zug bereits teilweise vermummt sind und Feuerlöscher aus dem Zug abgebaut haben. Einige Personen aus dieser Gruppe sollen sogenannte „Schutzbewaffnung“, wie Helme, Mundschutz, Beinschützer, präparierte Handschuhe und Gegenstände, die als Schlagwerkzeuge zweckentfremdet werden können, mit sich führen. Hieraus ergab sich, neben einer polizeirechtlich feststellbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, gleichzeitig ein Verdacht von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz und dem Strafgesetzbuch. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden Polizeikräfte zum Bahnhof Schwerin-Mitte entsandt. Diese erreichten den Haltepunkt allerdings erst, nachdem diese Gruppe den Zug bereits verlassen hatte. Gegen 10:15 Uhr wurde diese Personengruppe im Bereich Obotritenring/Demmlerplatz, verkehrsbehindernd auf der Fahrbahn gehend, durch Polizeikräfte festgestellt. Sämtliche Personen dieser organisiert auftretenden Gruppe waren dunkel bekleidet und trugen Mützen und Kapuzen beziehungsweise waren teilweise vermummt. Die festgestellte Marschrichtung führte zu keiner der angemeldeten Versammlungsorte der demokratischen Bündnisse, sondern direkt in Richtung Kundgebungs-/ Antreteplatz der NPD am Platz der Freiheit. Aufgrund der festgestellten Bekleidung, des Auftretens und der Marschrichtung sowie des bisherigen Verhaltens der Personen musste der Polizeiführer davon ausgehen, dass diese Gruppe beabsichtigt, die Versammlung der NPD gezielt stören zu wollen. Diese Personengruppe wurde im Bereich Obotritenring /Demmlerplatz gestoppt. Ein Platzverweis wurde als untauglich angesehen, da aufgrund der zuvor geschilderten Situation die Gefahr weiterer Störungen bestand beziehungsweise die weitere Begehung von Straftaten zu befürchten war. Daher erfolgte die Anordnung der Gewahrsamnahme durch den Polizeiführer. Zur Unterstützung der polizeilichen Maßnahmen erfolgte über eine Lautsprecherdurchsage die Information zum polizeilichen Vorgehen (Identitätsfeststellung, Durchsuchung) und die Bitte zur Kooperation an die Störergruppe. In der Folge wurde durch die Polizei festgestellt, dass sich einzelne Störer zur Verhinderung der Strafverfolgung ihrer mitgeführten tatrelevanten Gegenstände entledigten. Im Nachgang wurden in diesem Bereich ca. 100 Gegenstände unter anderem in einem Gully, wie z. B. Pfefferspray, Mundschutz, Pyrotechnik und Handschuhe mit Protektoren durch die Polizei sichergestellt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5411 3 Zu a) und b) Die Zusage, dass Personen, die sich ausweisen könnten, gehen dürften, wurde nicht gegeben. 3. Inwieweit und in wie vielen Fällen wurde im Rahmen der Festsetzung von Jugendlichen über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde gegen das Jugendgerichtsgesetz bzw. gegen das Jugendstrafrecht verstoßen bzw. mit welcher Begründung handelt es sich nicht um einen Verstoß gegen dieselben? Die Maßnahmen am Obotritenring erfolgten im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts. Die in der Fragestellung genannten Rechtsgrundlagen entfalten hier keine Wirkung. 4. Wie viele Personen aus den Reihen der Gegendemonstranten wurden wegen gesundheitlicher Probleme, z. B. Kreislaufstörungen o. ä., medizinisch behandelt? Wie viele Personen wurden im Rahmen des Polizeieinsatzes am 1. Mai 2016 in Schwerin verletzt und was war ursächlich dafür? Während der polizeilichen Maßnahmen wurden 2 Personen aus dem Veranstaltungsgeschehen mit gesundheitlichen Problemen medizinisch behandelt und ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Polizeivollzugsbeamter verletzte sich bei einem Sturz, zwei weitere Polizeivollzugsbeamte wurden im Rahmen einer Widerstandhandlung verletzt. 5. Inwieweit sind Berichte zutreffend, wonach Demonstranten, die darum baten, ein WC aufsuchen zu dürfen, ihre Notdurft nur bei geöffneter Tür und in Anwesenheit von Polizeibeamten verrichten durften? Wie bewertet die Landesregierung diesen Umgang, falls die Berichte zutreffend sind? Ca. 60 Minuten nach der Gewahrsamnahme der Störergruppe wurde durch Polizeikräfte eine Dixi-Toilette auf einer etwa 30 Meter entfernten Baustelle ausgemacht und im Fortgang für den Toilettengang der in Gewahrsam genommenen Personen genutzt. Diese Toilette befand sich auf einem abgezäunten Baustellenbereich in unmittelbarer Nähe zum Festhalteort. Die Baustelle war mit einem beplanten Baustellenzaun gesichert und nicht einsehbar. Die Tür der Toilette öffnete zusätzlich in Richtung der Straße. Die Einsicht in die Toilette war hier nicht möglich. Personen, die die Toilette benutzen wollten, wurden oberflächlich durchsucht, anschließend gleichgeschlechtlich begleitet und standen aus Gründen der Eigensicherung unter Aufsicht. Dies schließt das vollständige Schließen der Toilettentür aus. Drucksache 6/5411 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Durch die Beaufsichtigung des Toilettengangs sollte eine Eigen- oder Fremdgefährdung beziehungsweise das Schließen und Verriegeln der Toilettentür sowie ein in Brand setzen oder andere Beschädigungen verhindert werden. Die Entscheidungen der Polizei stellten sowohl die Erfüllung der Bedürfnisse der in Gewahrsam genommenen Personen als auch die Gewährleistung der polizeilichen Einsatzziele sicher. 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Angemessenheit des polizeilichen Vorgehens gegenüber den Gegendemonstranten zur Kundgebung bzw. zum Umzug der NPD? Durch das Einsatzkonzept der Polizeiinspektion Schwerin wurde allen Versammlungsteilnehmern unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit jederzeit die Wahrnehmung ihres Grundrechts gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes ermöglicht.