Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 16. Juni 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5468 6. Wahlperiode 17.06.2016 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Funkzellenabfragen und ANTWORT der Landesregierung Eine nicht-individualisierte Funkzellenabfrage dient dazu, sämtliche Telekommunikationsvorgänge im Mobilfunknetz in einem bestimmten Bereich zu einer bestimmten Zeit zu erfassen. Zu diesem Zweck werden alle Telekommunikations-Verkehrsdaten abgefragt, die innerhalb der relevanten Zeit über eine oder mehrere Funkzellen abgewickelt worden sind. Eine Funkzelle als kleinste Einheit jedes Mobilfunknetzes hat dabei - je nach Besiedlungsdichte des jeweiligen Gebietes - eine Reichweite zwischen 100 Metern und einigen Kilometern. Die Funkzellenabfrage stellt einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 Absatz 1 Grundgesetz dar. Anders als die normale Verkehrsdatenabfrage erfasst die Funkzellenabfrage unterschiedslos jede Kommunikation in den betreffenden Funkzellen. Sie betrifft damit fast ausschließlich unverdächtige Personen, was die Schwere des Eingriffs erheblich steigert (vgl. Singelnstein, Verhältnismäßigkeitsanforderungen für strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, JZ 2012, S. 601). Im Saarland etwa war jeder Bürger mit Mobiltelefon statistisch gesehen innerhalb eines Jahres siebenmal Gegenstand einer Funkzellenabfrage (Drucksache 15/1197 des Landtags des Saarlands). Die hiesige Landesregierung sah sich bislang nicht dazu in der Lage, hierzu nähere Angaben zu machen (Drucksache 6/5349). Geregelt war die Funkzellenabfrage zunächst in § 100h Strafprozessordnung (StPO), später dann in § 100g Absatz 2 Satz 2 StPO. Sie ist nunmehr in § 100g Absatz 3 StPO geregelt. Drucksache 6/5468 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Wie viele nicht-individualisierte Funkzellenabfragen erfolgten 2011 bis 2015 in Mecklenburg-Vorpommern in wie vielen Verfahren für und durch welche Behörden (bitte nach Jahr und Behörde aufschlüsseln )? In nachstehender Tabelle ist die Anzahl der jährlich bearbeiteten Beschlüsse aufgeführt. Die zuständige Staatsanwaltschaft kann nicht benannt werden, da Daten dazu nicht vorliegen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Jahr Beschlüsse zu Funkzellenabfragen 2011 62 2012 89 2013 209 2014 260 Summe 620 Die in 2015 erfolgten Funkzellenabfragen nebst zuständiger Staatsanwaltschaft zeigt nachstehende Tabelle: Staatsanwaltschaft Funkzellenabfragen Schwerin 110 Rostock 152 Neubrandenburg 193 Stralsund 113 Summe 568 2. Wie viele Verkehrsdatensätze wurden dabei an die jeweilige Behörde übermittelt (bitte nach Jahr und Behörde aufschlüsseln)? Die Landespolizei führt keine Übersichten und Statistiken zu den im Rahmen von Funkzellenabfragen übermittelten Verkehrsdaten. Im Landeskriminalamt werden die Abfrageergebnisse auch nicht gespeichert. Eine retrograde Erhebung ist aufgrund der Löschungsverpflichtung nach § 101a Absatz 3 Satz 4 in Verbindung mit § 101 Absatz 8 Strafprozessordnung (StPO) nicht möglich. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5468 3 3. Wie viele Telekommunikationsanschlüsse waren dabei jeweils betroffen (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Aufgrund der Tatsache, dass keine Aussage zu den Verkehrsdatensätzen getroffen werden kann, ist auch keine Aussage über die Anzahl der betroffenen Telekommunikationsanschlüsse möglich. 4. Welche Straftatbestände lagen den nicht-individualisierten Funkzellenabfragen jeweils zu Grunde? Folgende Straftatbestände des Strafgesetzbuches lagen den Funkzellenabfragen in den Jahren 2011 bis 2015 zugrunde: § 211 Mord § 212 Totschlag § 244 Diebstahl mit Waffen § 244a Schwerer Bandendiebstahl § 249 Raub § 250 Schwerer Raub § 251 Raub mit Todesfolge § 255 Räuberische Erpressung § 306a Schwere Brandstiftung § 308 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion § 177 Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung § 224 Gefährliche Körperverletzung § 242 Diebstahl § 243 Besonders schwerer Fall Diebstahl § 263 Betrug § 306 Brandstiftung 5. Wie viele der Verfahren wurden mit Hilfe der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage aus polizeilicher Sicht aufgeklärt? Mit dem Ergebnis durchgeführter Funkzellenabfragen können lediglich Indizienketten aufgebaut werden. Eine Funkzellenabfrage kann wesentlich zur Ermittlung eines Tatverdächtigen beitragen, jedoch kann durch sie kein kausaler Tatzusammenhang hergestellt und somit eine Straftat nicht durch das Ergebnis einer Funkzellenabfrage aufgeklärt werden. Drucksache 6/5468 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. In wie vielen Verfahren führten die mit Hilfe der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage erhobenen Daten zu einer Verurteilung? Vorratsdatenspeicherung und Funkzellenabfragen sind erst seit dem 18.12.2015 in der vorliegenden Form gesetzlich geregelt. Bis dahin war keine gesonderte statistische Erfassung vorgesehen. Dementsprechend ist auch insoweit noch kein Zahlenmaterial vorhanden, sodass die Frage nicht beantwortet werden kann. Dies wird erstmals im Frühjahr 2017 für das Berichtsjahr 2016 möglich sein. 7. Welche Kosten entstanden dem Land in den Jahren 2011 bis 2015 jeweils für die durchgeführten Funkzellenabfragen (bitte nach Jahr aufschlüsseln)? Das Landeskriminalamt ist die Zentralstelle für die Abrechnung von TKÜ-Überwachungsmaßnahmen für die Landespolizei. Dort werden die Rechnungen der Telekommunikationsunternehmen den einzelnen Strafverfahren zugeordnet, auf rechnerische Richtigkeit geprüft und zur Begleichung an die jeweilige Staatsanwaltschaft gesandt. Die durch Funkzellenabfragen entstandenen Kosten werden dabei nicht gesondert erhoben und sind deshalb nicht darstellbar.