Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 30. Juni 2016 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/5498 6. Wahlperiode 01.07.2016 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt und Barbara Borchardt, Fraktion DIE LINKE Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern im Kontext bi-nationaler Partnerschaften und ANTWORT der Landesregierung 1. Bei wie vielen der aus der Trennung einer Partnerschaft bzw. der Scheidung einer Ehe resultierenden Umgangs-, Aufenthalts- und Sorgerechtsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2009 bis 2016 waren die Eltern des Kindes bzw. der Kinder a) beide im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, b) beide im Besitz einer ausländischen Staatsangehörigkeit, c) ein Elternteil im Besitz einer ausländischen Staatsangehörigkeit und ein Elternteil im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit? Zu 1 a), b) und c) Der Landesregierung liegen keine Angaben zu den genannten Verfahrensgegenständen vor. Drucksache 6/5498 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Wie lange dauerte durchschnittlich ein Verfahren von der Antragstellung zum Umgangs-, Aufenthalts- oder Sorgerecht bis zur Entscheidung jeweils in den Jahren 2009 bis 2016 a) insgesamt sowie b) nach Geschlecht der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und c) Herkunft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers (bitte nach ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit unterteilen)? Zu 2 a), b) und c) Der Landesregierung liegen keine Angaben zu den genannten Verfahrensgegenständen vor. 3. Wie viele gerichtliche Instanzen waren jeweils in den Jahren 2009 bis 2016 durchschnittlich an den Verfahren beteiligt a) insgesamt sowie b) nach Geschlecht der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und c) Herkunft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers (bitte nach ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit unterteilen)? Zu 3 a), b) und c) Die Frage wird dahingehend verstanden, dass nach den Verfahrenseingängen zu den in Frage 1 näher bezeichneten Verfahren bei den gerichtlichen Instanzen (Amtsgerichte und Oberlandesgericht) gefragt wird. In der Statistik in Familiensachen werden die Verfahrensgegenstände „elterliche Sorge“ und „Umgangsrecht“ gesondert erfasst. „Verfahren betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht“ werden nicht gesondert erhoben. Sie sind vielmehr ein Teilbereich der elterlichen Sorge. Mit der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 2 wurden hinsichtlich der Verfahrensgegenstände „elterliche Sorge“ und „Umgangsrecht“ bereits folgende Neuzugänge (erste Instanz, Amtsgerichte) mitgeteilt: Neuzugänge nach Verfahrensgegenständen; hier: 01.01.2009 bis 31.08.2009 Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge 972 Regelung des Umgangs 547 Neuzugänge nach Verfahrensgegenständen; hier: 01.09.2009 bis 31.12.2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 elterliche Sorge 399 1.430 1.998 2.249 2.514 2.472 3.297 Umgangsrecht 204 784 1.051 1.057 1.197 1.132 1.174 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5498 3 Diese Angaben werden um die Neuzugänge für das I. Quartal 2016 ergänzt. Neuzugänge nach Verfahrensgegenständen; hier: Januar bis März 2016 elterliche Sorge 892 Umgangsrecht 236 Wie viele jeweils von den oben ausgewiesenen Verfahren konkret in der Rechtsmittelinstanz (Oberlandesgericht) anhängig geworden sind, wird nicht in der Statistik erhoben. Vielmehr werden beim Oberlandesgericht - wie beim Amtsgericht - die Eingänge erfasst. Jedoch werden erst seit Februar 2014 die Eingänge differenziert nach Verfahrensgegenständen in der Auswertungstabelle des Statistischen Amtes ausgewiesen. Hintergrund ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt bei dem Oberlandesgericht die Statistik in Familiensachen noch in Papierform geführt worden ist und bei dem Statistischen Amt erst mit Einführung des Fachverfahrens forumSTAR die Eingänge ab Februar 2014 differenziert nach Verfahrensgegenständen ausgewertet werden können. Neuzugänge nach Verfahrensgegenständen; hier: ab Februar bis 31.12. 2014 2015 Januar bis März 2016 elterliche Sorge 121 147 18 Umgangsrecht 51 46 9 Zu den in den Fragen 3b) und 3c erbetenen Daten liegen der Landesregierung keine Angaben vor. 4. Wie viele Anträge auf einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die alleinige elterliche Sorge für das Kind bzw. die Kinder sind in den Jahren 2009 bis 2016 gestellt worden a) insgesamt sowie b) nach Geschlecht der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und c) Herkunft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers (bitte nach ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit unterteilen)? Zu 4 a), b) und c) Zu den Anträgen auf einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht liegen der Landesregierung keine Angaben vor, da keine gesonderte Erfassung von Verfahren über einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erfolgt. (vgl. auch die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 2 a). Drucksache 6/5498 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 Seit der Änderung der Statistik in Familiensachen mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 01.09.2009 werden die einstweiligen Anordnungen unter einem eigenen Sachgebiet und nach Verfahrensgegenständen erfasst und nach Bestand, Neuzugängen und Erledigungen ausgewertet. Insofern können die Verfahrenseingänge zu den Anträgen auf einstweilige Anordnung hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes elterliche Sorge seit 01.09.2009 wie folgt mitgeteilt werden: Neuzugänge einstweilige Anordnungen nach Verfahrensgegenständen; hier: 01.09.2009 bis 31.12.2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Januar bis März 2016 elterliche Sorge 58 274 442 537 523 482 715 216 Zu den in den Fragen 4 b) und 4 c) erbetenen Daten liegen der Landesregierung keine Angaben vor. 5. Wie viele Anträge auf vollständige Aussetzung des Umgangsrechts sind in den Jahren 2009 bis 2016 gestellt worden a) insgesamt sowie b) nach Geschlecht der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und c) Herkunft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers (bitte nach ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit unterteilen)? Zu 5 a), b) und c) Der Landesregierung liegen keine Angaben zu dem genannten Verfahrensgegenstand vor (vgl. auch die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 2 b). 6. Wie viele Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie auf alleinige elterliche Sorge wurden mit welchem Verfahrensausgang in den Jahren 2009 bis 2016 gestellt a) insgesamt sowie b) nach Geschlecht der Antragstellerin bzw. des Antragstellers und c) Herkunft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers (bitte nach ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit unterteilen)? Zu 6 a), b) und c) Hinsichtlich der Anzahl der Anträge auf einstweilige Anordnung wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5498 5 Im Hinblick auf die Frage nach dem Verfahrensausgang wird darauf hingewiesen, dass erst bei vollständiger Erledigung des Verfahrens statistische Daten zum Verfahrensausgang erhoben werden. Mithin weist die Statistik für die erledigten einstweiligen Anordnungen aus, auf wen die elterliche Sorge übertragen worden ist: Sorgerecht (ausschließlich Eheverfahren, da diese unter einem gesonderten Sachgebiet erfasst werden) 01.09.09 bis 31.12.09 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Januar bis März 2016 In sonstigen Verfahren Die elterliche Sorge wurde übertragen - auf Mutter und Vater gemeinsam 1 8 14 15 13 10 12 4 - auf die Mutter 2 21 29 34 31 20 29 6 - auf den Vater 1 16 24 21 15 21 18 3 - auf einen Dritten 1 22 25 40 35 41 95 87 - für ein oder mehrere Kinder auf die Mutter für die anderen Kinder auf den Vater 0 3 2 8 15 7 5 4 In der Entscheidung ist die bisherige Regelung elterliche Sorge nicht geändert worden 17 99 213 200 140 141 142 24 Es wurde keine Sorgerechtsentscheidung getroffen 2 25 55 149 147 156 178 66 In Fällen, in denen die Eltern des Kindes nicht miteinander verheiratet sind oder waren Die elterliche Sorge wurde übertragen - auf Mutter und Vater gemeinsam 0 1 5 2 2 4 2 0 - auf die Mutter 0 4 4 4 13 4 7 1 - auf den Vater 1 1 2 4 6 8 6 1 - auf einen Dritten 0 6 11 7 13 14 20 5 - für ein oder mehrere Kinder auf die Mutter für die anderen Kinder auf den Vater 0 2 1 3 3 6 3 0 In der Entscheidung ist die bisherige Regelung elterliche Sorge nicht geändert worden 4 9 15 15 14 26 13 3 Es wurde keine Sorgerechtsentscheidung getroffen 0 8 18 21 35 53 43 20 Zu den in den Fragen 6 b) und 6 c) erbetenen Daten liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Drucksache 6/5498 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 7. Unter welchen Gesichtspunkten entfällt eine Gefährdungsprognose bzw. ist eine Entscheidung mit dem Kindeswohl vereinbar, wenn in bi-nationalen Partnerschaften bzw. Ehen das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die alleinige elterliche Sorge dem nichtdeutschen Elternteil zugesprochen wird, insbesondere vor dem Hintergrund einer dann fehlenden Rückführungsmöglichkeit nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) und bei bestehendem Wunsch des nichtdeutschen Elternteils in sein Heimatland zurückkehren zu wollen, und damit ein Umgang zwischen dem Kind bzw. den Kindern und dem verbleibenden Elternteil unter Umständen vollständig unmöglich wird? Welche Konsequenzen folgen im Allgemeinen und folgten im Konkreten für Richterinnen und Richter, die nachweislich entgegen gutachterlicher, verfahrensbeistandlicher und jugendamtlicher Empfehlungen sowie bei bekannter, bestehender Gefahr einer Entziehung von Minderjährigen in das Ausland, dem ausländischen Elternteil das Aufenthaltsbestimmungs- bzw. Sorgerecht übertragen, wenn es im Nachgang zu dieser Entscheidung tatsächlich zu einer derartigen Straftat kommt? Einleitend wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 4, Bezug genommen. Die Frage kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Gerichtliche Verfahren und deren Entscheidungen unterliegen der richterlichen Unabhängigkeit. Allgemein ist anzumerken: Die Gewährleistung einer dem Kindeswohl dienenden Eltern- Kind-Beziehung zu beiden Elternteilen ist zunächst Verantwortung der Eltern selbst. Sind sie zu einer einvernehmlichen Regelung weder allein noch unter Beteiligung des Jugendamts, weiterer Hilfesysteme und des Familiengerichts in der Lage, hat kraft gesetzlichen Auftrags das Familiengericht eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht (oder weitergehend das gesamte Sorgerecht) einem Elternteil allein zu übertragen ist. Maßstab ist vornehmlich das Kindeswohl. Bei der Entscheidung sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Beabsichtigt ein Elternteil - unabhängig von dessen Nationalität - den Wegzug ins Ausland, ist dies grundsätzlich von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes gedeckt, auch wenn der Umgang des anderen dadurch faktisch erheblich eingeschränkt oder gar ausgeschlossen wird. Die Motive für den Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie der Wunsch, in die Heimat zurückzukehren. Lediglich wenn der Elternteil mit der Übersiedlung gerade den Zweck verfolgt, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, kann seine Bindungstoleranz und somit seine Erziehungseignung in Frage stehen. Entsprechendes gilt im Übrigen bei einem Umzug etwa aus Mecklenburg-Vorpommern nach Süddeutschland, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern Besuche nicht zulassen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/5498 7 8. Wie viele Fälle von Kindesentziehung (§ 235 StGB) in das Ausland hat es in den Jahren 2009 bis 2016 nach derartigen Entscheidungen, ggf. auch nach vorherigem Wegzug aus Mecklenburg-Vorpommern in ein anderes Bundesland gegeben? a) Wie viele Rückführungen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) haben in den Jahren 2009 bis 2016 stattgefunden ? b) Wie hoch ist die Anzahl der Beschwerdeverfahren gegen derartige Entscheidungen? Zu 8, a) und b) Zu den erbetenen Daten liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Fragen 5 und 6, Bezug genommen. 9. Wie hoch war die Anzahl der Ordnungsgeldanträge sowie die Anzahl tatsächlich beschlossener Sanktionen wegen Umgangsverweigerung jeweils in den Jahren 2009 bis 2016 a) insgesamt sowie b) unterteilt nach Herkunftsland des Elternteils, das den Umgang verweigert hat? c) Haben derartige Handlungen eines Elternteils Einfluss auf Entscheidungen in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die elterliche Sorge? Zu 9 a) und b) Die Fragen 9 a) und 9 b) werden zusammenhängend beantwortet. Zu den erbetenen Daten liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Zu c) Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen; statistische Daten werden insoweit nicht erhoben. Auswirkungen sind eine Frage des Einzelfalls. Drucksache 6/5498 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 8 10. Auf welche wissenschaftlichen Belege stützt sich die bevorzugte Umgangspraxis, die Kinder nur für jedes zweite Wochenende Umgang mit dem anderen Elternteil pflegen zu lassen (siehe Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 4) und wie erklärt sich das bevorzugte Anwenden dieser Praxis, trotzdem sie den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Recht des Kindes auf gleichwertigen Umgang mit beiden Elternteilen, den aktuellen Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie der Umgangspraxis in anderen EU-Staaten entgegensteht? Eine bevorzugte Umgangspraxis, die Kinder jedes zweite Wochenende Umgang mit dem anderen Elternteil pflegen zu lassen, besteht bei den Familiengerichten des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht (siehe bereits Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Ehescheidungen und Kindschaftssachen in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 04.05.2016, Drucksache 6/5346, Frage 4).