Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 7. November 2011 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/60 6. Wahlperiode 08.11.2011 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Stramm, Fraktion DIE LINKE Ambulante Intensivpflege und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern erhalten ambulante Intensivpflege (bitte die Daten seit 2000 angeben)? Die Landesregierung erhebt keine Daten im Sinne der Fragestellung und kann insofern die Frage nicht umfassend beantworten. Die im Rahmen der Anfrage beteiligte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Nordost hat für die Jahre 2004 bis 2011 zur Anzahl der beatmungspflichtigen Empfänger von häuslicher Krankenpflege (HKP) mit und ohne Interventionsbereitschaft folgende Angaben mit Datum vom 27.10.2011 übermittelt: 2004 1 2005 5 2006 13 2007 31 2008 68 2009 65 2009 75 15 (mit Interventionsbereitschaft) 2011 73 25 (mit Interventionsbereitschaft) Für die Ersatzkassen wurde durch deren Landesvertretung für das Jahr 2011 eine Anzahl von insgesamt 63 Intensivpflegebedürftigen am 28.10.2011 mitgeteilt. Angaben zu den Versicherten der Betriebs- und Innungskrankenkassen liegen nicht vor. Drucksache 6/60 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 2. Welche Standards (fachlich, strukturell und personell) müssen Pflege- dienste erfüllen, damit sie ambulante Intensivpflege in MecklenburgVorpommern anbieten und durchführen dürfen? Nach Mitteilung der AOK Nordost gelten folgende fachliche Standards: Für den Beatmungsbereich muss eine speziell qualifizierte examinierte Fachkraft als Fachbereichsleitung vorgehalten werden. Diese übernimmt intern die fachliche Aufsicht über und Verantwortung für die außerklinische Versorgung und die Qualifikation der Pflegekräfte. Die Fachbereichsleitung dient innerhalb der Pflegedienste als Wissensmultiplikator. Die Fachbereichsleitung muss nicht zwingend die Pflegedienstleitung in einer Person sein. Jedem beatmeten Patienten und seinen Angehörigen wird die ihm zugeordnete Fachbereichsleitung bekannt gemacht und eine weitere Kommunikation bei Bedarf ermöglicht. Zusätzlich zu einer 3-jährigen Ausbildung als examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger (m/w), ist eine der folgenden Qualifikationen für die Fachbereichsleitung erforderlich: - Atmungstherapeut mit pflegerischer Ausbildung (m/w), - Fachgesundheits- und Krankenpflege für Anästhesie- und Intensivpflege (m/w), - mindestens 3 Jahre Berufserfahrung im Beatmungsbereich (Intensivstation, Intermediate Care-Station oder außerklinische Beatmung) in den letzten 5 Jahren und Fortbildung im Umfang eines mindestens 200 Stunden-Kurses (davon 120 Stunden Theorie und 80 Stunden Praxis) der medizinischen Fachgesellschaften bzw. ein von den pflegerischen Berufsverbänden anerkanntes, strukturiertes, berufsbegleitendes Kursprogramm in der Beatmungspflege. Diese Kurse müssen von der Arbeitsgemeinschaft für Heimbeatmung und Respirationsentwöhnung e. V. (AGH) anerkannt sein und werden auf der Homepage der AGH aufgeführt. Alle anderen Pflegefachkräfte, die selbständig und eigenverantwortlich am Beatmungsgerät abhängiger Patienten (fachpflegerische Versorgung) tätig sind, müssen zusätzlich zu einer 3- jährigen Ausbildung als examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder Altenpfleger (m/w) eine der folgenden Qualifikationen aufweisen: - Atmungstherapeut (m/w), - Fachgesundheits- und Krankenpflege für Anästhesie- und Intensivpflege, - mindestens 1 Jahr Berufserfahrung im Beatmungsbereich (Intensivstation, Intermediate Care-Station oder außerklinische Beatmung) innerhalb der letzten 5 Jahre. Alternativ kann die Zusatzqualifikation auch durch einen strukturierten Kurs zur Beatmungspflege erworben werden. Diese Kurse müssen von der AGH anerkannt sein und werden auf der Homepage der AGH aufgeführt (120 Stunden, davon 40 Stunden Theorie und 80 Stunden Praxis). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/60 3 3. Wie ist sichergestellt, dass diese Standards in der Praxis eingehalten werden? Nach Mitteilung der Landesvertretung des Verbandes der Ersatzkassen in MecklenburgVorpommern (vdek M-V) werden die Standards für die Intensivpflege in der Praxis wie folgt sichergestellt: Jeder Pflegedienst, der Intensivpflege erbringen will, muss über eine Zulassung zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verfügen. Die Standards für die Intensivpflege ergeben sich grundsätzlich ebenfalls aus den Vorgaben des Rahmenvertrages der Ersatzkassen zur Durchführung der Häuslichen Krankenpflege nach § 132a Absatz 2 SGB V. Jeder zugelassene Pflegedienst muss über mindestens drei examinierte Pflegefachkräfte (Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern /-pfleger, Altenpfleger) in Vollzeitbeschäftigung sowie weitere geeignete Pflegekräfte verfügen. Da dieser Vertrag jedoch keine Vergütung für Intensivpflege beinhaltet, schließen die einzelnen Ersatzkassen zusätzlich separate Vereinbarungen bzw. Ergänzungsverträge zur Versorgung von Intensivpatienten mit geeigneten zugelassenen Pflegediensten nach § 132a SGB V ab. Diese Verträge enthalten besondere Qualitätsanforderungen hinsichtlich des einzusetzenden Personals. So wird z. B. gefordert, dass ausschließlich examiniertes Pflegepersonal in der Intensivpflege eingesetzt werden darf. Die verantwortliche Pflegefachkraft und deren Stellvertretung müssen eine Weiterbildung zur Fachkraft für Anästhesie oder Intensivpflege abgeschlossen haben oder können innerhalb der letzten 3 Jahre eine mindestens einjährige Berufstätigkeit in einem entsprechenden Bereich nachweisen. Die eingesetzten Pflegefachkräfte müssen regelmäßig (jährlich mindestens im Umfang von 10-15 Stunden) an Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Beatmungs-/Intensivpflege teilgenommen haben. Die Einhaltung der Standards wird im Rahmen von MDK-Prüfungen oder anlassbezogen geprüft. Teilweise wird die Einhaltung der Qualitätsstandards durch die Kasse selbst, z. B. im Rahmen von Besuchen überprüft. 4. Welche Weiterbildungsträger in Mecklenburg-Vorpommern dürfen Pflegekräfte nach der S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ fortbilden? In Mecklenburg-Vorpommern ist lediglich die Weiterbildung in der Intensivpflege und Anästhesie staatlich geregelt. Für diesen Bereich sind in Mecklenburg-Vorpommern das Institut für Weiterbildung in der Krankenpflege/Gesundheitsfachberufe M-V der DAA e. V. in Schwerin und das Bildungsinstitut für Gesundheits- und Sozialberufe in Stralsund für die Weiterbildung in der Intensivpflege und Anästhesie staatlich anerkannt. Drucksache 6/60 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 5. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die Fort- und Weiterbildung von Pflegekräften nach der S2-Leitlinie zu unterstützen ? Die Fort- und Weiterbildung der Pflegekräfte ist eine Berufspflicht jeder Pflegekraft, die vom Arbeitgeber zu unterstützen ist. Auf der Grundlage von § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) werden Rahmenempfehlungen getroffen, in denen auch Maßnahmen der Qualitätssicherung und Fortbildung geregelt werden. Danach ist der Leistungserbringer gesetzlich verpflichtet, Fortbildungen für seine Mitarbeiter sicherzustellen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Der Landesregierung stehen für die Fort- und Weiterbildung in den Pflegeberufen keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Das Norddeutsche Zentrum zur Weiterentwicklung in der Pflege, dessen Mitglied das Land Mecklenburg-Vorpommern ist, veranstaltet jährlich eine Fachtagung zu pflegerelevanten Themen. 6. Sind der Landesregierung Beschwerden, Anzeigen, Strafrechtsverfahren etc. bekannt, die auf Mängel in der ambulanten Intensivpflege zurückzuführen sind? Wenn ja, bitte die Fälle detailliert anführen. Aktuell sind dem Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, dem keine gesetzliche Befugnis zur Aufsicht über die ambulante (Intensiv-)Pflege obliegt, eine Beschwerde und eine Mitteilung in Strafsachen bekannt geworden, die auf mögliche oder mutmaßliche Mängel in der ambulanten Intensivpflege zurückgeführt werden können. Unter Berücksichtigung des gebotenen Datenschutzes kann dazu Folgendes mitgeteilt werden: Mit der Beschwerde hat ein Angehöriger einer Pflegebedürftigen bemängelt, dass bei der Pflege der in einer Pflegeeinrichtung übliche Standard nicht gewährleistet sei. Insbesondere sei das Getränkeangebot unzureichend. Die Einrichtung sei nicht gekennzeichnet, ein Brandschutzmelder außer Betrieb. Überdies sei ihm der Zugang zur Pflegebedürftigen verwehrt worden. Nach Prüfung des Sachverhaltes durch die kommunale Heimaufsichtsbehörde wurde die Instandsetzung eines Brandschutzmelders veranlasst und dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass im Betreuten Wohnen nicht die für stationäre Einrichtungen nach Maßgabe des Einrichtungenqualitätsgesetzes (EQG M-V) üblichen Standards gelten. Insbesondere wären die pflegebedürftige Person bzw. die von ihr Beauftragten selbst für die Organisation der individuellen Pflege verantwortlich. Eine öffentliche Kennzeichnung von betreuten Wohnungen sei weder üblich noch geboten. Auch habe die Pflegebedürftige ausdrücklich keinen Besuch erwünscht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/60 5 Strafverfahren im Bereich der ambulanten Intensivpflege werden unter diesem Stichwort nicht erfasst. Aus der gegenwärtigen Befassung ist der Landesregierung ein Strafverfahren bekannt: Im August 2011 hat eine Staatsanwaltschaft des Landes gegen die Mitarbeiterin eines gewerblichen Pflegedienstes Anklage wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung erhoben. Die Angeschuldigte hatte eine 74-jährige, an schwerer Lungenkrankheit leidende und in die Pflegestufe II eingestufte Patientin in ihrer im ländlichen Raum gelegenen Häuslichkeit im 12-Stunden-Rhythmus zu betreuen. Die spätere Geschädigte war zur Unterstützung ihrer Beatmung an ein Heimbeatmungsgerät angeschlossen. Während ihres Dienstes in einer Nachtschicht im November 2010 soll die Angeschuldigte keinerlei Maßnahmen getroffen haben, die ein übermüdungsbedingtes Einschlafen verhinderten, so dass sie eingeschlafen sein soll. In der Folge soll sie trotz akustischer Warnhinweise des Gerätes nicht bemerkt haben, dass sich der Beatmungsschlauch von der Patientin gelöst hatte, wodurch diese letztlich verstarb. 7. Welche Möglichkeiten haben die Menschen in MecklenburgVorpommern , um sich über die ambulante Intensivpflege, einschließlich der notwendigen Hilfsmittelversorgung und der entsprechenden hausärztlichen Betreuung, zu informieren? Über die ambulante Intensivpflege einschließlich der notwendigen Hilfsmittelversorgung und der entsprechenden hausärztlichen Betreuung informieren in Mecklenburg-Vorpommern insbesondere die jeweiligen Leistungserbringer (Pflegedienste, Hausärzte und Sanitätshäuser) und Kostenträger (Kranken- und Pflegekassen, Sozialhilfeträger) sowie gegebenenfalls die Pflegestützpunkte (in Pasewalk, Güstrow und Rostock). 8. Welchen Kenntnisstand hat die Landesregierung über die Integration von intensivpflegerischen betreuten Kindern und Jugendlichen in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Freizeiteinrichtungen? Im Schuljahr 2011/2012 lernen insgesamt 4 Schülerinnen und Schüler mit einer intensivpflegerischen Betreuung an öffentlichen allgemeinen Schulen (hier ausschließlich Grundschulen). Die Schülerinnen und Schüler werden in der Regel durch einen Integrationshelfer gemäß Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) begleitet und stundenweise durch eine sonderpädagogische Lehrkraft unterstützt. In Kindertageseinrichtungen hat jedes Kind Anspruch auf individuelle Förderung nach dem Kindertagesförderungsgesetz. Eine Statistik zu Kindern mit Intensivpflege wird vom Land nicht erhoben. Die individuelle Förderung von Kindern bestimmt sich nach dem Grad der altersgerechten, sozialen, kognitiven, emotionalen oder körperlichen Entwicklung des Kindes. Drucksache 6/60 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Inhalt und Umfang individueller Förderung und damit auch der Integration von Kindern mit Behinderung oder von Behinderung bedrohten Kindern werden im konkreten Einzelfall von den pädagogischen Fachkräften in enger Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Personensorgeberechtigten, gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Fachkräfte, individuell und kindbezogen ausgestaltet. Entsprechendes gilt für Freizeiteinrichtungen. Diese stehen jedem Kind und jedem bzw. jeder Jugendlichen offen, unabhängig davon, ob das Kind oder der bzw. die Jugendliche eine Behinderung hat oder von einer Behinderung bedroht ist. 9. Sieht die Landesregierung in diesem Bereich gesteigerten Handlungsbedarf , auch in Bezug auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ? In Bezug auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist eine Zunahme der Integration von intensivpflegerischen betreuten Kindern und Jugendlichen an öffentlichen allgemeinen Schulen gemäß Elternwunsch zu erwarten. Es besteht im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorschriften der Anspruch einer bedarfsgerechten individuellen Förderung dieser Schülerinnen und Schüler durch das Zusammenwirken der verschiedenen Maßnahmeträger (u. a. Staatliches Schulamt, Schulträger, örtlicher Sozialhilfeträger). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen.