Der Minister für Inneres und Sport hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 14. Juni 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/742 6. Wahlperiode 15.06.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Munitionssprengung in der Ostsee und ANTWORT der Landesregierung Am 25. April 2012 wurde vor Ahrenshoop in der Ostsee eine britische Luftmine aus dem Zweiten Weltkrieg, mit einem Sprengladungsgewicht von ca. 300 kg, in der Nähe der Kabeltrasse des geplanten Offshore- Windparks Baltic 2 gesprengt. Diese Mine wurde bei Arbeiten an der Kabeltrasse am 18. März 2012 gefunden und anschließend an den ca. 3 km entfernten Sprengort verbracht, um sie hier zu entschärfen. Bei dem betreffenden Küstenabschnitt vor Ahrenshoop handelt es sich um das FFH-Meeresschutzgebiet „Darßer Schwelle“. Für eine Sprengung im Schutzgebiet oder dessen Umgebung, ist eine FFH-Verträglichkeits- prüfung zwingend erforderlich. Lediglich bei Gefahr im Verzug kann hierauf verzichtet werden. Von der Entdeckung der Mine bis zu ihrer Sprengung vergingen jedoch mehr als 5 Wochen. Berufsschifffahrt findet im betroffenen Bereich nicht statt. Die Absperrung für weitere Fahrzeuge erfolgte am 28. März 2012 mittels Einzelgefahrentonne und einer Bekanntmachung für Seefahrer (siehe http://www.elwis.de/BfS/bfs_start. php?target=3&source=2&db_id=45436). Bei Unterwassersprengungen entsteht eine Schockwelle, die bei einer 300-kg-Sprengladung, wie im vorliegenden Fall, bei Meeressäugern noch in 4 km Entfernung zu lebens- gefährlichen Verletzungen, wie Lungenrissen führen kann. Hörschäden sind in einem noch größeren Gefahrenbereich zu erwarten. Durch den Einsatz vorhandener deutscher Technik (Blasenschleier), wie sie regel- mäßig seit Jahren in schleswig-holsteinischen Küstengewässern bei ähn- lichen Sprengungen zum Einsatz kommt, kann der Gefahrenradius für Meeressäugetiere, tauchende Vögel und Fische um etwa 90 % verringert werden. Drucksache 6/742 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Wann genau wurde das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Schwerin bzw. dessen Fachbehörde LUNG vom Munitionsfund und der geplanten Sprengung im FFH-Gebiet infor- miert? Wann wurde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Munition im Meer“ unterrichtet? Im Vorfeld der Kabelverlegearbeiten beauftragte die 50 Hertz Transmission GmbH (Auftrag- geber) die Firma Baltic-Taucher mit der Kampfmitteluntersuchung geplanter Kabeltrassen. Am 22.03.2012 informierte diese Fachfirma den Munitionsbergungsdienst Mecklenburg- Vorpommern (MBD M-V) über einen „unbekannten Gegenstand“. Nach Recherchen des MBD M-V handelte es sich um eine britische Fernzündungsmine Typ A Mk 1 bis IV (deutsche Bezeichnung im 2. Weltkrieg: ELM) mit circa 325 kg Spreng- ladung. Aus Sicherheitsgründen war dem MBD ein Bergen der Mine nicht möglich. Auf Bitte des Auftraggebers stellte der MBD ein Amtshilfeersuchen an die Bundesmarine, die eine Verbringung und Sprengung der Mine mit ihren speziellen technischen Fähigkeiten veranlasste. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (LU) und das Landes- amt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) wurden weder vom MBD noch von anderer Stelle über den Munitionsfund und die beabsichtigte Sprengung informiert. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Munition im Meer“ wurde ebenfalls nicht unterrichtet. 2. Welche Ergebnisse wurden im Abstimmungsprozess mit dem Ministe- rium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, LUNG und der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Munition im Meer“ erzielt? Welchen Stellenwert nahm in diesem Abstimmungsprozess der Natur- schutz ein? 3. Welche weiteren Abstimmungsprozesse wurden in den 5 Wochen zwischen Entdeckung der Mine und Sprengung mit welchen Behörden durchgeführt? Die Fragen 2 und 3 werden zusammenhängend beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Auch mit anderen Behörden wurde kein weiterer Abstimmungsprozess geführt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/742 3 4. Wann wurde auf wessen Veranlassung die Mine vom Fundort zum Sprengort verbracht? Welche Sicherungsmaßnahmen wurden getroffen? Um Schäden an den bereits auf dem Meeresgrund verlegten Kabelleitungen zu vermeiden, wurde die Mine am 25.04.2012 auf Veranlassung des Auftraggebers vom Fundort zum Sprengort verbracht (siehe Antwort zu Frage 1). Über die Einzelheiten der Amtshilfeausübung liegen der Landesregierung keine Informatio- nen vor. 5. Aus welchem Grund wurde in der Bekanntmachung für Seefahrer auf den sonst üblichen Hinweis „unrein/Munition“ verzichtet? Die Stellungnahme welcher Behörde war dafür ausschlaggebend? Der Landesregierung liegen keine diesbezüglichen Informationen vor. Bekanntmachungen für Seefahrer nimmt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vor (BSH). 6. Warum erfolgte keine FFH Verträglichkeitsprüfung? Seitens des Munitionsbergungsdienstes wurde bei Auffinden der Mine eingeschätzt, dass eine besondere Gefährdung besteht, die eine sofortige Beseitigung der Mine erforderlich macht. In diesem Fall wäre keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen. Da es dem MBD nicht möglich war, die Mine selbst zu entschärfen, wurde die Marine um Amtshilfe ersucht. Dieses Ersuchen nahm einen längeren Zeitraum als ursprünglich angenommen in Anspruch. Bedauerlicherweise wurde dabei die wegen Zeitablaufs nunmehr erforderliche FFH-Verträglichkeitsprüfung leider unterlassen. Das Innenministerium hat Vorsorge für die künftige Beachtung und Einhaltung der vorgeschriebenen Verfahrensvorschriften getroffen. Drucksache 6/742 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 7. Marinetaucher hatten den Zünder bereits am Vortag der Sprengung unschädlich gemacht. Alternative Bergungstechniken sind nach Aus- kunft der Verbände NABU, Gesellschaft zum Schutz der Meeres- säugetiere (GSM) und Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) sowie den Ergebnissen der Tagungen MIREMAR und International Dialogues on Underwater Munitions verfügbar und werden weltweit eingesetzt. Weshalb wurde einen Tag später trotzdem gesprengt? Bei welchen Firmen wurden Angebote zur Bergung eingeholt? 8. Mit welchen Behörden, Institutionen und Experten wurde hinsichtlich Minimierung von Umweltauswirkungen durch die Sprengung beraten? a) Warum wurden zur Vergrämung lediglich zwei Vorsprengungen und keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen für die geschützten Meeressäugetiere eingesetzt, z. B. Pinger, Sealscarer oder Blasen- schleier? b) Bei welchen Firmen wurden Angebote für Vergrämungs- und Minimierungsmaßnahmen eingeholt? Die Fragen 7 und 8, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Über die Einzelheiten der Sprengung liegen der Landesregierung keine detaillierten Informationen vor. 9. Wer trägt auf welcher Grundlage die Kosten für die Munitionssuche in der Kabeltrasse zum OWP Baltic 2? Wer trägt auf welcher Grundlage die Kosten für die Munitionsbeseiti- gung vor Ahrenshoop? Der Auftraggeber trägt die Kosten für die Kampfmittelsuche. Ob die Bundesmarine Kosten in Rechnung gestellt hat, ist nicht bekannt. 10. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, damit in Zukunft gesetzliche Regelungen zum Umwelt-, Natur-, Gewässer- und Artenschutz bei der Beseitigung von Kampfmitteln und Kampfmittel- resten in der Ostsee beachtet und angewendet werden? Bei der Beseitigung von Kampfmitteln hat die Sicherheit von Menschen oberste Priorität. Zur Minimierung der Auswirkungen auf Umwelt und Natur hat die Bund-Länder-Arbeits- gruppe „Munition im Meer“ in den letzten Jahren entsprechende Untersuchungen durchgeführt . Die Auswertung und Umsetzung der Ergebnisse ist noch nicht abgeschlossen. Unbeschadet dessen ist in ähnlich gelagerten Fällen ein frühzeitiger Abstimmungsprozess angezeigt und wird zukünftig angestrebt.