Die Finanzministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 16. Juli 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/957 6. Wahlperiode 16.07.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jeannine Rösler, Fraktion DIE LINKE Ausschluss der Steuervergünstigung durch den Verfassungsschutz und ANTWORT der Landesregierung Körperschaften, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wenden und den Bestand, die Sicherheit und die Funk- tionsfähigkeit des Bundes oder eines der Länder beeinträchtigen oder beseitigen wollen oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider- laufen, können nicht als gemeinnützig anerkannt werden und von Steuer- vergünstigungen profitieren. Daher wird Körperschaften, die in Verfas- sungsschutzberichten des Bundes oder der Länder aufgeführt sind, die Gemeinnützigkeit versagt. Nach bisherigem Recht ist diese Vermutung allerdings widerlegbar. Die betroffenen Organisationen können gegenüber dem Finanzamt darlegen, dass sie zu Unrecht in den Verfassungsschutz- berichten aufgeführt sind. Nach dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 will die Bundesregierung diese Überprüfung durch die Finanzämter abschaffen. Zukünftig soll eine Anführung in den Verfassungsschutz- berichten die Finanzämter automatisch dazu zwingen, die Gemeinnützig- keit abzuerkennen. Den betroffenen Körperschaften verbleibt dann nur der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten. Drucksache 6/957 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der o. g. geplanten Änderung in der Abgabenordnung? a) Inwiefern ist es nach Auffassung der Landesregierung proble- matisch, dass Berichte des Verfassungsschutzes die Finanzämter bei ihren Entscheidungen im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit von Körperschaften binden und ihnen keinen Ermessensspielraum mehr einräumen? b) Inwiefern wird nach Auffassung der Landesregierung der Rechts- weg gegen Entscheidungen der Finanzämter durch die geplante Neufassung in der Abgabenordnung unverhältnismäßig einge- schränkt und sollte insbesondere die Zuständigkeit der Finanz- gerichte gewahrt bleiben (Antwort bitte begründen)? c) Sollte nach Auffassung der Landesregierung die Aberkennung der Gemeinnützigkeit weiterhin eine Einzelfallentscheidung der Finanzämter bleiben (Antwort bitte begründen)? Die Landesregierung hat keine Bedenken gegen die geplante Änderung, da sich die bisherige Regelung als nicht praxistauglich erwiesen hat. Zu a) Nach Auffassung der Landesregierung ist es nicht problematisch, dass die Berichte des Verfassungsschutzes die Finanzämter binden und die Gemeinnützigkeit auf der Grundlage der Verfassungsschutzberichte entzogen wird, da die Verfassungsschutzbehörde über die entsprechende Expertise verfügt und eine Veröffentlichung nur erfolgen darf, wenn dafür die engen rechtlichen Voraussetzungen des § 5 Absatz 2 Landesverfassungsschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern vorliegen. Zu b) Nach Auffassung der Landesregierung wird durch die Neuregelung der Rechtsweg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Sollte eine Körperschaft ihrer Ansicht nach zu Unrecht in einem Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden sein, so steht ihr dagegen der Verwal- tungsrechtsweg offen. Unabhängig davon bleibt die Zuständigkeit der Finanzgerichte insoweit gewahrt, als es um die Überprüfung der weiteren Voraussetzungen der Steuervergünstigung (§§ 51 ff. Abgabenordnung - AO) geht. Zu c) Die Entscheidung der Finanzämter über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit bleibt selbstverständlich auch nach der beabsichtigten gesetzlichen Änderung eine Einzelfall- entscheidung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/957 3 2. Welchen Organisationen wurde die Gemeinnützigkeit von Finanz- ämtern in Mecklenburg-Vorpommern aberkannt, da sie in Verfas- sungsschutzberichten aufgeführt wurden (bitte für den Zeitraum seit 2009 angeben)? Die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO lässt eine Offenbarung steuerlicher Verhältnisse einzelner Steuerpflichtiger nicht zu. 3. Welchen Organisationen wurde nach Kenntnis der Landesregierung die Gemeinnützigkeit von Finanzämtern bundesweit aberkannt, da sie in Verfassungsschutzberichten aufgeführt wurden (bitte für den Zeit- raum seit 2009 angeben)? Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 4. In welchen Fällen hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern den Entzug der Gemeinnützigkeit durch Finanzämter des Landes wieder zurückgenommen (bitte für den Zeitraum seit 2009 angeben)? Für den Zeitraum seit 2009 sind bei dem Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern keine derartigen Verfahren anhängig gewesen. 5. In welchen Fällen haben nach Kenntnis der Landesregierung bundes- weit Finanzgerichte den Entzug der Gemeinnützigkeit durch Finanz- ämter wieder zurückgenommen (bitte für den Zeitraum seit 2009 angeben)? Der Landesregierung ist folgendes Verfahren bekannt, soweit es den Entzug der Gemein- nützigkeit wegen Erwähnung in Verfassungsschutzberichten betrifft: Urteil Bundesfinanzhof (BFH) vom 11.04.2012 - I R 11/11 (Vorinstanz: Sächsisches Finanzgericht vom 11.01.2011 - 2 K 1429/10) Drucksache 6/957 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 6. In welchen Fällen haben betroffene Organisationen vor den Verwal- tungsgerichten in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich gegen Ein- tragungen in Verfassungsschutzberichten geklagt (bitte für den Zeit- raum seit 2009 angeben)? Für den Zeitraum seit 2009 sind bei den Verwaltungsgerichten in Mecklenburg-Vorpommern keine derartigen Verfahren anhängig gewesen. 7. In welchen Fällen haben nach Kenntnis der Landesregierung betroffene Organisationen bundesweit vor Verwaltungsgerichten erfolgreich gegen Eintragungen in Verfassungsschutzberichten geklagt (bitte für den Zeitraum seit 2009 angeben)? Die Landesregierung hat für den Zeitraum seit 2009 Kenntnis von vier Fällen, in denen erfolgreich gegen Eintragungen in Verfassungsschutzberichte geklagt wurde. Es handelt sich um folgende Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Verwal- tungsgerichtsordnung VwGO: Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29.5.2009 - 22 L 573/09, Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Bayern vom 23.9.2010 - 10 CE 10.1830, Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28.10.2011 - M 22 E 11.3568, Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 20.2.2012 - 6 L 83/11. Über den Ausgang der Hauptsacheverfahren ist hier nichts bekannt.