Die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 13. August 2012 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 6/990 6. Wahlperiode 14.08.2012 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pflegestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Die Landesregierung konzediert einen direkten Zusammenhang zwischen der Entlohnung im Pflegebereich und der Attraktivität entsprechender Berufe (vgl. Drucksache 6/714). Der Pflegebedarf im Land wird - maß- geblich aufgrund der demografischen Entwicklung - in den kommenden Jahren kontinuierlich anwachsen. Dies wird entsprechende Rahmen- bedingungen erforderlich machen. 1. Mit welchen konkreten Maßnahmen und Initiativen beabsichtigt die Landesregierung, eine angemessene Vergütung für Pflegekräfte in Mecklenburg-Vorpommern perspektivisch sicherzustellen? Bitte differenziert darstellen nach a) Maßnahmen auf Landesebene, b) Initiativen auf Bundesebene. Zu a) Maßnahmen auf Landesebene: In der Koalitionsvereinbarung für die sechste Wahlperiode 2011 bis 2016 wurde unter Ziffer 279 zwischen den Koalitionspartnern vereinbart, dass sie sich für die Angleichung der Entlohnung Ost/West im Pflegebereich und die Anerkennung der Tarifvereinbarungen durch die Kostenträger einsetzen werden. Die Landesregierung befasst sich bereits seit einem längeren Zeitraum mit der Thematik einer angemessenen leistungsgerechten Vergütung im Pflegebereich des Landes. Die Problematik war bereits mehrfach Gegenstand von Beratungen im Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales und wurde eingehend vom Landespflegeausschuss erörtert. Drucksache 6/990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 2 Die durch dieses Gremium gegründete Arbeitsgruppe „Fachkräftesicherung“ beschäftigte sich im Rahmen der Untersuchung zur Personalausstattung und -finanzierung im Pflegebereich Mecklenburg-Vorpommerns auch mit der angemessenen und leistungsgerechten Vergütung der Pflegefachkräfte. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass das Lohnniveau im Land regional vergleichbar ist. Die Grundlagen der Vergütung unterscheiden sich jedoch von Einrichtung zu Einrichtung und es sind maßgebliche Besonderheiten, wie beispielsweise eine Tarifbindung, das Alter der Beschäftigten, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und so weiter, zu berücksichtigen. Der Landespflegeausschuss empfahl die Möglichkeit zu prüfen, jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine höhere Einstiegsvergütung zu gewähren, um diese im Land zu halten. Entsprechende Vereinbarungen müssen jedoch zwischen den Tarifparteien ausgehandelt werden. Auch die im Jahr 2011 von der Schiedsstelle nach § 76 des Elften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefällte Entscheidung, dass vereinbarte Tarifvergütungen durch die Kostenträger in Altenpflegeeinrichtungen bei den Pflegesatzverhandlungen als wirtschaftlich anzuerkennen sind, trägt zur Verbesserung der leistungsgerechten Bezahlung der Pflegekräfte bei. Die Landesregierung erarbeitet zur Zeit einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landespflegerechts, das eine zusätzliche Regelung in § 1 Absatz 2 des Landespflegegesetzes vorsieht, dass das Land gemeinsam mit den Landkreisen und kreisfreien Städten, den Pflege- und Krankenkassen und den Trägern ambulanter und stationärer Versorgungsangebote auf eine angemessene Vergütung der Pflege- und Betreuungskräfte hinwirkt. Insofern wird sich die Landesregierung weiterhin politisch für eine angemessene Entlohnung von Pflegefach- kräften einsetzen. Ein direkter Eingriff in die Tarifautonomie der Tarifparteien ist jedoch nicht möglich. Zu b) Initiativen auf Bundesebene: Die Landesregierung setzt sich entsprechend ihrer Koalitionsvereinbarung für eine Angleichung der Ost/West-Entlohnung im Pflegebereich und grundsätzlich für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ein. Die Tarifpartner sind aufgefordert, einen flächendeckenden Tarifvertrag für eine bessere Bezahlung zu schließen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/990 3 2. Wie beabsichtigt die Landesregierung, den möglichst langen Verbleib alter und pflegebedürftiger Menschen in der Häuslichkeit zu unter- stützen? Die Landesregierung unterstützt den möglichst langen Verbleib alter und pflegebedürftiger Menschen in der eigenen Häuslichkeit insbesondere durch gezielte Fördermaßnahmen im ambulanten und teilstationären Bereich. So kann das Land im Rahmen des Landespflege- gesetzes gemäß § 6 beziehungsweise § 8 zur Verbesserung der ambulanten sowie teilstatio- nären Versorgungsstruktur Zuschüsse gewähren. Diese Fördermöglichkeiten umfassen insbesondere die Bezuschussung für den Aufbau ambulant betreuter Wohngemeinschaften für demenzkranke Pflegebedürftige sowie auch Investitionen für den Bau und die Ausstattung von Tages- und Nachtpflegen. Darüber hinaus gewährt das Land gemäß § 7 Landespflegegesetz jeder teilstationären Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern einen pauschalen Zuschuss zu den betriebsnot- wendigen Aufwendungen gemäß § 82 Absatz 2 Nummer 1 und 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch. Der Zuschuss beträgt gegenwärtig pro Platz 2,56 Euro je Tag, jährlich jedoch höchstens 516 Euro. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Landespflegerechts sieht mit Wirkung zum 1. Januar 2013 vor, den täglichen Zuschuss auf 2,70 Euro pro Platz, jährlich jedoch auf höchstens 545 Euro, anzuheben. Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der ambulanten Versorgungsstruktur ist die Förderung des Auf- und Ausbaus von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten sowie von Modellprojekten zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte für demenzkranke Pflegebedürf- tige nach § 45c des Elften Buches Sozialgesetzbuch im Rahmen der Betreuungsangebote- landesverordnung. Hier sollen vornehmlich - Betreuungsangebote und Kontaktmöglichkeiten insbesondere für pflegebedürftige Menschen mit Demenz und - Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Personen aufgebaut werden, auch dadurch, dass Kontaktmöglichkeiten zwischen pflegenden Personen geschaffen werden, um Probleme zu erörtern, die sich aus der pflegerischen Situation ergeben. Ferner sollen alternative Hilfsangebote entwickelt werden, um die Lebensqualität pflege- bedürftiger Menschen und von Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf zu verbessern sowie pflegende Angehörige zu entlasten und zu unter-stützen. Der Aufbau einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Pflegestützpunktstruktur soll die individuelle Beratung Pflegebedürftiger oder deren Angehöriger insbesondere über örtliche ambulante Pflege- und Betreuungsangebote verbessern und einer vorzeitigen Aufnahme in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung entgegenwirken. Drucksache 6/990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 4 3. Welche Rolle sollen nach Vorstellung der Landesregierung zukünftig selbstbestimmte Wohn- und Betreuungsangebote für alte und pflege- bedürftige Menschen spielen? a) Existieren in diesem Zusammenhang unterschiedliche Konzepte für den städtischen und ländlichen Bereich? b) Wenn ja, welche? c) Wenn nicht, warum nicht? Selbstbestimmten Wohn- und Betreuungsangeboten für alte und pflegebedürftige Menschen kommt aus Sicht der Landesregierung insbesondere aufgrund der demografischen Entwick- lung zukünftig eine immer größere Bedeutung zu. Zu a) und b) Die Fragen 3a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Gegenwärtig existieren keine unterschiedlichen Konzepte für selbstbestimmte Wohn- und Betreuungsangebote für alte und pflegebedürftige Menschen im städtischen und ländlichen Bereich. Zu c) Auf Grundlage des § 6 Absatz 2 Landespflegegesetz werden bereits seit 2004 selbstbestimmte Wohn- und Betreuungsangebote für alte, pflege- und betreuungsbedürftige Menschen als Einzelmaßnahmen gefördert. Im Rahmen der Prüfung der Förderfähigkeit ist von den Antragstellern beziehungsweise Antragstellerinnen ein Konzept zur beantragten Maßnahme vorzulegen. Dieses ist insbesondere auf den tatsächlich bestehenden Bedarf, die baulichen beziehungsweise räumlichen Voraussetzungen, die angemessene Kostenbelastung für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner sowie die vorhandene örtliche Infrastruktur ausgerichtet. Darüber hinaus erfolgt in der Regel eine Abstimmung mit den jeweiligen örtlichen Gebietskörperschaften. Diese Verfahrensweise hat sich bisher bewährt. Damit wird den unterschiedlichen Anforderungen vor Ort sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Bereich Rechnung getragen. Im Übrigen sieht die Novelle des Landespflegegesetzes die Förderung von selbstbestimmten Wohn- und Betreuungsformen für pflege- oder betreuungsbedürftige Menschen als besonderen neuen Schwerpunkt vor (§ 6). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode Drucksache 6/990 5 4. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung ambulanten und teil- stationären Pflegeangeboten für alte und pflegebedürftige Menschen zu? Die Landesregierung misst den ambulanten und teilstationären Pflegeangeboten für alte und pflegebedürftige Menschen einen sehr hohen Stellenwert zu, da der Bedarf an ambulanten und teilstationären Hilfen, entsprechend des zunehmenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung, in den nächsten Jahren landesweit zunehmen wird. Zur Weiterentwick- lung einer zukunfts- und leistungsfähigen Pflegeinfrastruktur ist es daher notwendig, dem in der gesetzlichen Pflegeversicherung verankerten Grundsatz „ambulant vor stationär“ höchste Priorität einzuräumen. Die Umsetzung kann nur durch den weiteren Ausbau des vorhandenen Netzes von abgestuften bedarfsorientierten und gemeindenahen Hilfen und Versorgungs- angeboten im ambulanten und teilstationären Bereich für pflegebedürftige Menschen erfolgen. Nur so wird es möglich sein, dem Wunsch der überwiegenden Anzahl pflegebedürf- tiger Frauen und Männer, so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben, gerecht zu werden. Das Land fördert im Rahmen des Landespflegegesetzes und der Betreuungsangebotelandesverordnung bereits vornehmlich diese Pflege- und Betreuungs- angebote. 5. Plant die Landesregierung einen Ausbau der ambulanten und statio- nären Angebote im Land? a) Wenn ja, in welcher Form, mit welchem Umfang und innerhalb welchen Zeitraums? b) Wenn nicht, warum nicht? Die Landesregierung unterstützt auch zukünftig den Auf- und Ausbau der ambulanten und teilstationären Angebote sowie der Kurzzeitpflege im Land. Zu a) und b) Die Fragen 5a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Der Ausbau der Angebote soll insbesondere in Form von Fördermaßnahmen nach dem Landespflegegesetz und der Betreuungsangebotelandesverordnung erfolgen. Für die Förderung nach den §§ 6 und 8 Landespflegegesetz sind 2012 insgesamt 500 000 Euro vorgesehen; für die Pauschalförderung nach § 7 Landespflegegesetz 600 000 Euro. Im Jahr 2013 sind für diese Förderungen insgesamt 1,1 Millionen Euro im Landeshaushalt eingestellt. Drucksache 6/990 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 6. Wahlperiode 6 Für die Förderung von niedrigschwelligen Angeboten und Modellvorhaben sowie der Selbsthilfe nach den §§ 45c und 45d des Elften Buches Sozialgesetzbuch nach der Betreuungsangebotelandesverordnung stehen für 2012 Landesmittel in Höhe von 487 000 Euro zur Verfügung und 237 000 Euro im Jahr 2013. Die geringere Fördersumme für 2013 resultiert aus der Erwartung des Landes, dass sich die Kommunen im Rahmen der ihnen obliegenden Zuständigkeit für die örtliche Altenhilfe und allgemeine Daseinsfürsorge an den Förderungen beteiligen. Die Landesregierung beabsichtigt, die Fördermaßnahmen auch über das Jahr 2013 hinaus fortzuführen. Über das Fördervolumen für die Folgejahre ab 2014 wird mit dem, durch den Landtag Mecklenburg-Vorpommern zu beschließenden, jeweiligen Landeshaushalt entschieden. Im Rahmen des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes wurden für die Kommunen Anreize geschaffen, die auf eine stärkere Ambulantisierung der Pflege vor Ort abzielen. Überschüsse aus Zuweisungen an die Landkreise und kreisfreien Städte für die Wahrnehmung der Aufgaben der überörtlichen Sozialhilfe (vollstationäre Hilfen/Einrichtungen) müssen dem Land nicht erstattet werden, in der Erwartung, dass diese verstärkt in den Auf- und Ausbau der örtlichen ambulanten Pflegeinfrastruktur fließen.