Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. November 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/1107 7. Wahlperiode 10.11.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Antiterroreinsatz am 26. Juli 2017 in Güstrow vor dem Hintergrund des Beschlusses des Landgerichtes Rostock vom 28. Juli 2017 und ANTWORT der Landesregierung 1. Inwiefern hat nach Auffassung der Landesregierung das Landgericht Rostock die Frage dahingestellt sein lassen, ob die richterliche Entscheidung nach der erfolgten Ingewahrsamnahme unverzüglich herbeigeführt wurde, a) obwohl das Gericht ausdrücklich darauf verweist, dass die Vorführung des Betroffenen nicht unverzüglich erfolgte? b) obwohl das Gericht die unverzügliche Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung als eine der Polizei obliegende Amtspflicht hervorhebt, deren Verletzung die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zur Folge hat? Die Fragen 1, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die in der 17. Sitzung des Innen- und Europaausschusses des Landtages Mecklenburg- Vorpommern dargestellte Auffassung der Landesregierung bezieht sich auf die Beschlüsse des Landgerichtes Rostock vom 01.08.2017, Az.: 3 T 196/17 (2) und 3 T 197/17 (3). Die in der Fragestellung verwendete Formulierung wird in diesen Entscheidungen vom Landgericht mit den Worten „es kann dahinstehen“ ausdrücklich genutzt. Drucksache 7/1107 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. Wie bewertet die Landesregierung die Feststellung des Gerichtes, wonach die Verzögerung der Vorführung aus einem Organisationsmangel im Bereich der Polizei resultiert? Welche Maßnahmen im Einzelnen wurden wann ergriffen, um derartige Mängel künftig auszuschließen? Das Bundesverfassungsgericht hat zur Unverzüglichkeit gemäß Beschluss BVerfGE BVR 1833/12 Rdnr. 27 vom 18.04.2016 entschieden, dass „unverzüglich“ dahin auszulegen ist, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss. Nicht vermeidbar sind zum Beispiel die Verzögerungen , die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind [...]. Insoweit ist es eine richterliche Einzelfallentscheidung, ob im konkreten Lebenssachverhalt ein sachlicher Grund vorliegt. Daher sieht das Ministerium für Inneres und Europa kein Erfordernis zur Einleitung von Maßnahmen zur Beseitigung von sogenannten Organisationsmängeln beziehungsweise Amtspflichtverletzungen in der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern. 3. Inwiefern entspricht es einem geordneten Verfahren, wenn Polizeibeamte des Landes Mecklenburg-Vorpommern bei Beschwerdeerhebung oder Antragstellung vor Gericht im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen auf eine Dokumentation verzichten, „aus der sich ergibt, wann welche Maßnahmen durchgeführt worden sind“? Welche Maßnahmen wurden wann ergriffen, um derartige Mängel gegebenenfalls künftig auszuschließen? Im Rahmen des Antiterroreinsatzes am 26.07.2017 in Güstrow wurden alle polizeilichen Einsatzmaßnahmen im erforderlichen Umfang dokumentiert. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass die der Polizei obliegende Amtspflicht der unverzüglichen Vorführung in Person vor den Richter als zwingende Voraussetzung einer Freiheitsentziehung von Polizeibeamten des Landes als „nicht erforderlich“ und „auch nicht der Rechtspraxis in Mecklenburg-Vorpommern“ entsprechend beschrieben werden? Welche Maßnahmen sind bezüglich künftiger Umsetzung dieser Amtspflicht eingeleitet worden? Im Sicherheits- und Ordnungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V) ist die Amtspflicht der Polizei im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rahmen einer Gewahrsamnahme nach Gefahrenabwehrrecht in den §§ 55, 56 geregelt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1107 3 Gemäß § 56 Absatz 5 Satz 1 SOG M-V besteht die gesetzliche Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung. Für die Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Verfahren in Freiheitsentziehungssachen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Nach Auffassung des Ministeriums für Inneres und Europa entscheidet über das Erfordernis einer richterlichen Vorführung der in Gewahrsam genommenen Personen allein der für die Sache zuständige Richter des Amtsgerichtes. Ein Vorführungsautomatismus bei Gewahrsamnahmen ist nicht gesetzlich normiert. Gemäß § 420 FamFG ist nur die persönliche Anhörung des Betroffenen durch den Richter vorgesehen. Über die Art und Weise sowie die Örtlichkeit der Anhörung entscheidet der Richter. 5. Welche Konsequenzen im Einzelnen hat die Landesregierung für die künftige Anwendung der SOG-Gewahrsamnahme aus der Klarstellung durch das Gericht gezogen, wonach es nicht Sinn und Zweck dieser Maßnahme sei, „der Polizei Zeit zu verschaffen, um strafrechtliche Ermittlungen bis zur Haftbefehlsreife zu führen“? Sinn und Zweck der polizeilichen Gewahrsamnahme am 26.07.2017 in Güstrow war einzig und allein die Abwehr der Gefahr der unmittelbar bevorstehenden Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a des Strafgesetzbuches. Im Übrigen bleibt es den Strafverfolgungsbehörden unbenommen, ihre strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Betroffenen auch während der Dauer des polizeilichen Gewahrsams fortzusetzen.