Die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 2. November 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/1110 7. Wahlperiode 06.11.2017 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Nikolaus Kramer und Prof. Dr. Ralph Weber, Fraktion der AfD Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern durch Jugendämter in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Laut Drucksache 7/1008 nahm sich die Landesregierung nach Anfrage der AfD-Fraktion vor, die Personalkosten für unbegleitete minderjährige Ausländer in Erfahrung zu bringen. Die in der Antwort der Landesregierung veröffentlichten Zahlen der Jugendämter liefern nur lückenhafte Informationen und bieten Grund zur Nachfrage. 1. Wie bewertet die Landesregierung die geringe Zahl der Rückmeldungen vonseiten der Jugendämter? a) In welchen Fällen geht die Landesregierung von einem „unverhältnismäßig hohen händischen Aufwand zur Ermittlung der abgefragten Daten“ aus? b) Welche Konsequenz zieht die Landesregierung aus der lückenhaften Beantwortung der abgefragten Daten? c) Wie erklärt sich die Landesregierung, dass eine Antwort des Landkreises Rostock und der Landeshauptstadt Schwerin möglich war, während anderswo keine oder nur unvollständige Antworten abgegeben wurden? Zu 1, a), b) und c) Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erfüllen ihre Aufgaben nach dem hier einschlägigen Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) weisungsfrei als eigene Angelegenheit im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Drucksache 7/1110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Sie treffen dabei ihre Entscheidungen im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten, kommunalen Selbstverwaltung ausschließlich in eigener Verantwortung, ohne hierbei an Weisungen oder Empfehlungen gebunden zu sein. Das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung hat keine Dienst- oder Fachaufsicht gegenüber den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Vor diesem Hintergrund obliegt es den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe nach eigenem Ermessen, auf die von der Landesregierung übergebenen Fragestellungen zu antworten . Die Ermittlung des Personaleinsatzes für die Versorgung, Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen gestaltet sich insofern als unverhältnismäßig, da dies nicht nur die öffentlichen Träger, sondern auch alle freien Träger in Mecklenburg- Vorpommern betreffen würde. Der Landesregierung sowie dem Kommunalen Sozialverband/ Landesjugendamt Mecklenburg-Vorpommern (KSV M-V) liegen hierzu keine spezifischen Daten vor. 2. Versucht die Landesregierung, anderweitig an belastbare Informationen zur Personal- und Betreuungssituation bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern zu gelangen? Wenn ja, wann werden diese veröffentlicht? Nein. Die gemäß §§ 98 fortfolgenden (ff) SGB VIII bestehenden Regelungen zur Kinder- und Jugendhilfestatistik erfassen im Bereich unbegleiteter ausländischer Minderjähriger keine spezifischen Daten hinsichtlich der Personal- und Betreuungssituation. Eine darüber hinausgehende Beantwortung dieser Frage wäre mit einem unzumutbaren Rechercheaufwand verbunden, der schon mit der aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 Landesverfassung folgenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht zu vereinbaren ist. Sowohl bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe als auch den freien Trägern der Jugendhilfe müssten Daten erfasst werden, welche Fachkräfte in welchen Einrichtungen und welchen Arbeitsbereichen für die Versorgung, Unterbringung und Betreuung der betreffenden Personengruppe eingesetzt sind. Die so ermittelten Daten müssten im Ergebnis dann im Weiteren händisch zusammengefasst, ausgewertet und auf Plausibilität geprüft werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1110 3 3. Welche Nationalitäten haben die sich derzeit in Mecklenburg-Vorpommern aufhaltenden unbegleiteten minderjährigen Ausländer (bitte aufschlüsseln nach Nationalität und Anzahl)? Derzeit leben in Mecklenburg-Vorpommern 682 unbegleitete ausländische Minderjährige (Stand: 6. Oktober 2017); sie kommen aus folgenden Herkunftsländern: Herkunftsländer Anzahl Syrien 228 Afghanistan 184 Eritrea 75 Somalia 48 Guinea 41 Gambia 27 Albanien 10 Äthiopien 7 Marokko 7 Irak 7 Sonstige 48 Gesamt: 682 Zu den sonstigen Herkunftsländern zählen: Pakistan, Libyen, Iran, Türkei, Kamerun, Gambia, Elfenbeinküste, Armenien, Indien und Mexiko. 4. Wurden seit 2016 unbegleitete minderjährige Ausländer aus Mecklenburg-Vorpommern abgeschoben? a) Wenn ja, wie viele und in welche Länder? b) Wenn nicht, aus welchen Gründen finden keine Abschiebungen statt? c) Was unternimmt die Landesregierung zur Förderung einer Familienzusammenführung oder Rückkehrberatung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern? Zu 4, a), b) und c) Seit 2016 wurden aus Mecklenburg-Vorpommern keine unbegleiteten ausländischen Minderjährigen abgeschoben. Sie unterliegen der Obhut des Staates, in dem sie sich tatsächlich aufhalten . Danach ist weder eine Abschiebung in das Herkunftsland noch die Überstellung in einen sicheren Drittstaat zulässig, wenn nicht garantiert werden kann, dass die unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Zielstaat durch eine sorgeberechtigte Person in Empfang genommen werden. Ein gesondertes Programm zur Förderung der Familienzusammenführung oder Rückkehrberatung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen besteht gegenwärtig nicht. Drucksache 7/1110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Ist die erkennungsdienstliche Behandlung der sich im Land aufhaltenden unbegleiteten minderjährigen Ausländer mittlerweile abgeschlossen ? Mit Rundschreiben des Ministeriums für Inneres und Europa vom 4. Juli 2017 sind die Ausländerbehörden angewiesen worden, die infolge der hohen Zugangszahlen Ende 2015/Anfang 2016 nicht in allen Fällen erfolgte erkennungsdienstliche Behandlung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger umgehend nachzuholen. Diese Vorgabe wird evaluiert werden. 6. Findet bei neu ankommenden Personen eine standardisierte erkennungsdienstliche Behandlung im Land statt? a) Wenn ja, wie ist diese organisiert? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 6, a) und b) Treffen unbegleitete ausländische Minderjährige in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ein, werden sie unverzüglich durch die zuständigen Jugendämter der Landeshauptstadt Schwerin oder des Landkreises Ludwigslust-Parchim (vorläufig) in Obhut genommen. Für unbegleitete ausländische Minderjährige, die über das bundesweite Verteilverfahren nach § 42b SGB VIII in Mecklenburg-Vorpommern neu ankommen, gilt das nachfolgend beschriebene Verfahren gleichermaßen. Das örtlich zuständige Jugendamt ist gehalten, die erkennungsdienstliche Behandlung der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen bei der Ausländerbehörde des Landkreises oder einer Polizeidienststelle einzuleiten. Es unterrichtet die örtliche Ausländerbehörde über die Inobhutnahme eines/einer unbegleiteten Minderjährigen. Die Ausländerbehörde nimmt die Erfassung im Ausländerzentralregister vor und veranlasst die erkennungsdienstliche Behandlung . Dabei werden grundsätzlich Lichtbilder und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen. Soweit die betreffende Person das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dürfen nur Lichtbilder aufgenommen werden (§ 49 Absätze 8 und 9 Aufenthaltsgesetz - AufenthG, § 16 Absatz 1 Asylgesetz - AsylG). Im Übrigen erfolgt die erkennungsdienstliche Behandlung durch die zuständige Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Zuge des Asylverfahrens, soweit ein entsprechender Asylantrag durch den Vormund der/des unbegleiteten ausländischen Minderjährigen beim BAMF gestellt worden ist. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1110 5 7. Wie verteilen sich die derzeitig in Mecklenburg-Vorpommern ansässigen unbegleiteten minderjährigen Ausländer im Land (bitte aufschlüsseln nach Landkreisen und Städten)? Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer haben einen Asylantrag im Land gestellt? Aktuell (Stand: 6. Oktober 2017) sind in Mecklenburg-Vorpommern 682 unbegleitete ausländische Minderjährige ansässig. Die Verteilung auf die Landkreise und kreisfreien Städte ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Dabei ergeben sich auf die kreisfreien Städte und Landkreise folgende Verteilungen: Kreisfreie Stadt/Landkreis Anzahl der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen Landeshautstadt Schwerin 45 Hansestadt Rostock 66 Landkreis Rostock 93 Ludwigslust-Parchim 97 Mecklenburgische Seenplatte 123 Nordwestmecklenburg 67 Vorpommern-Greifswald 91 Vorpommern-Rügen 100 Summe 682 Für die Entgegennahme von Asylanträgen ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Dieses unterliegt als Bundesbehörde nicht der parlamentarischen Kontrolle durch den Landtag Mecklenburg-Vorpommern und hat unter Verweis darauf zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Das BAMF verweist dabei auf die grundsätzliche Möglichkeit, sich bei weiteren parlamentarischen Anfragen direkt an die beim Bundesamt eingerichtete Kontaktmöglichkeit Zentrale-Ansprechstelle@bamf.bund.de zu wenden. 8. In welcher Form werden ausländische junge Volljährige in der Obhut der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe betreut? a) Welche aufenthaltsrechtliche Konsequenz ergibt sich aus dem Erreichen der Volljährigkeit? b) Welche Kriterien dienen dazu, ein Ende der Betreuung einzuleiten? Ausländische junge Volljährige können nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) auf Antragstellung durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Form von ambulanter , teilstationärer oder stationärer Hilfe betreut werden. Im Weiteren wird auf die Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage auf der Drucksache 7/1026 verwiesen. Drucksache 7/1110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Zu a) Mit Vollendung des 18. Lebensjahres ist ein Ausländer beziehungsweise eine Ausländerin aktiv und passiv handlungsfähig nach dem Aufenthaltsgesetz, sofern er oder sie nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig ist. Er oder sie darf in aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten auch nicht zu betreuen (§ 1896 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) unterstellt sein (§ 80 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes). Aktiv handlungsfähig bedeutet, dass der oder die nunmehr volljährige geschäftsfähige Ausländer beziehungsweise Ausländerin unter anderem Anträge (wie etwa einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) stellen und die hierfür notwendigen Erklärungen abgeben darf, einen Bevollmächtigten oder eine Bevollmächtigte bestellen und Rechtsmittel einlegen kann. Passive Handlungsfähigkeit bedeutet, dass er oder sie beispielsweise rechtswirksam behördliche Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen entgegennehmen kann. Bestehen Zweifel hinsichtlich des Lebensalters, sind nach § 49 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes die erforderlichen Maßnahmen zur Altersfeststellung zu veranlassen. Zu b) Eine Hilfe nach dem SGB VIII wird eingestellt, wenn alle am Hilfeplan beteiligten Fachkräfte und der junge Mensch zu dem Ergebnis kommen, dass die im Hilfeplanverfahren konkreten Problemlagen behoben worden sind oder wenn eine Mitwirkung der antragstellenden Person nicht gegeben ist.