Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 29. Januar 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/1561 7. Wahlperiode 31.01.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung und der Betriebsräte in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vom 1. März bis 31. Mai 2018 finden die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen auch in den Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern statt. Laut Angaben des DGB wurden 2014 in Mecklenburg-Vorpommern ca. 33 Prozent der Beschäftigten von Betriebsräten vertreten. Das war der geringste Wert im Bereich des DGB Nord (Hamburg 55 Prozent, Schleswig-Holstein 35 Prozent). Betriebsräte gestalten bekanntlich die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen maßgeblich mit. Dort, wo sie existieren, sind die Löhne und die Produktivität höher. Zudem werden weniger Kündigungen ausgesprochen. Diese Kleine Anfrage versteht sich als Fortschreibung der Kleinen Anfrage und Antwort der Landesregierung auf Drucksache 6/4556 vom 27.10.2015. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zur Verbreitung von Betriebsräten in Mecklenburg-Vorpommern? a) Wie hat sich die Anzahl der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2010 bis 2017 entwickelt, in denen Betriebsräte tätig waren? b) Wie hat sich die Anzahl der Beschäftigten in Mecklenburg- Vorpommern in den Jahren 2010 bis 2017 entwickelt, die von Betriebsräten vertreten wurden? c) Wie viele Beschäftigte werden durch sogenannte 1-Mann-Betriebsräte vertreten (bitte in Prozent angeben)? Nach den Daten des IAB-Betriebspanels hatten im Jahr 2016 neun Prozent der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern einen nach dem Betriebsverfassungsgesetz gewählten Betriebsrat. Drucksache 7/1561 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zu a) und b) Die Entwicklung der Anzahl der Betriebe mit Betriebsrat sowie der Anzahl der Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat ist folgender Tabelle zu entnehmen. Befragungsjahr Betriebe mit Betriebsrat2 Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat2 Anteil an allen Betrieben in % Anteil an allen Beschäftigten in % 2010 7 40 2011 7 39 2012 7 36 2013 7 35 2014 8 34 2015 8 37 2016 9 38 Hinweis: Alle vorstehend ausgewiesenen Werte beruhen auf einer Hochrechnung der Angaben von ca. 900 bis 1.000 jährlich befragten Betrieben1 in M-V (bundesweit ca. 15.000 bis 16.000 Betriebe1). 1 „Betriebe“ = Betriebe, in denen mindestens ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter tätig ist (also ohne sogenannte Solo-Selbstständige). 2 Betriebe mit Betriebsrat = alle Betriebe, die folgende Frage mit „ja“ beantwortet haben: „Gibt es in Ihrem Betrieb einen nach dem Betriebsverfassungsgesetz bzw. Personalvertretungsgesetz gewählten Betriebsrat oder Personalrat?“ Quelle: IAB-Betriebspanel Mecklenburg-Vorpommern, Befragungswellen 2010 bis 2016 Zu c) Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1561 3 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Unternehmensgröße und der Existenz von Betriebsräten? Die folgende Tabelle zeigt die Betriebe mit Betriebsrat nach Betriebsgrößenklasse in Mecklenburg-Vorpommern im Befragungsjahr 2016. Betriebsgrößenklasse Betriebe mit Betriebsrat Anteil an allen Betrieben in % 1 bis 9 Beschäftigte 2 10 bis 49 Beschäftigte 19 50 bis 249 Beschäftigte 47 ab 250 Beschäftigte 81 Insgesamt 9 Quelle: IAB-Betriebspanel Mecklenburg-Vorpommern, Befragungswelle 2016 3. Welche Branchen in Mecklenburg-Vorpommern zeichnen sich durch eine hohe Vertretungsdichte aus? In welchen Branchen werden wenige oder gar keine Beschäftigten durch gewählte Betriebsräte vertreten? Die folgende Tabelle zeigt Betriebe mit Betriebsrat und Beschäftigte in Betrieben mit Betriebsrat nach Branchen in Mecklenburg-Vorpommern im Befragungsjahr 2016. Branche Betriebe mit Betriebsrat Anteil an allen Betrieben in der Branche in % Anteil an allen Beschäftigten in der Branche in % Land- und Forstwirtschaft * * Produzierendes Gewerbe 3 34 Bergbau, Energie, Wasser, Abfall * * Verarbeitendes Gewerbe 5 39 Baugewerbe 1 10 Dienstleistungsbereich 11 40 Handel und Reparatur 7 20 Verkehr, Information, Kommunikation 8 31 Finanz- und Versicherungsdienstleistungen * * Unternehmensnahe Dienstleistungen 6 24 Erziehung und Unterricht * * Gesundheits- und Sozialwesen 20 58 Übrige Dienstleistungen 5 14 Organisationen ohne Erwerbszweck * * Insgesamt 9 38 Drucksache 7/1561 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Anmerkung: *Wegen geringer Besetzungszahlen in den gekennzeichneten Branchen sind keine zuverlässigen Angaben möglich. Quelle: IAB-Betriebspanel Mecklenburg-Vorpommern, Befragungswelle 2016 4. Welche Aktivitäten hat die Landesregierung seit 2011 mit Blick auf die bekannten Probleme Mecklenburg-Vorpommerns in Sachen Lohnniveau , Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen unternommen, um die Gründung von Betriebsräten im Land zu unterstützen? Die Landesregierung hält ein Streben nach mehr Betriebsräten grundsätzlich für sinnvoll. Gleichwohl darf und wird die Landesregierung nicht die Entscheidungen der Unternehmen und deren Beschäftigten für oder wider die Bildung eines Betriebsrates beeinflussen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Beratungen des Deutschen Bundestages der 18. Legislaturperiode unter anderem zu den Drucksachen 18/2750 sowie 18/5327 und weiterer Vorschläge, die einen stärkeren Schutz der Initiatoren, der Mitglieder des Wahlvorstands sowie von Kandidatinnen und Kandidaten von Betriebsratswahlen und die Stärkung von Betriebsräten zum Ziel hatten? Der Bundesgesetzgeber hat die genannten Beschlussanträge nicht beschlossen. Letztendlich ist es Auftrag für den Bundesgesetzgeber festzustellen, ob er handeln muss oder nicht. 6. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung im Land sowie auf Bundeebene im Sinne eines stärkeren Schutzes der Initiatoren, der Mitglieder von Wahlvorständen und von Kandidatinnen und Kandidaten von Betriebsratswahlen sowie für die Stärkung von Betriebsräten ? a) Welche Initiativen will die Landesregierung in diesem Sinne wann im Land und auf Bundesebene einleiten? b) Mit welcher Begründung nimmt die Landesregierung ggf. von solchen Initiativen auf Landes- und Bundesebene Abstand? Die Fragen 6, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Der Bundesgesetzgeber hat mit § 15 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) eine ganz spezielle Vorschrift für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen, die sich um die Wahl des Betriebsrates bemühen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1561 5 Dazu zählt der Schutz für den Wahlvorstand, für Wahlkandidaten, für Ersatzmitglieder und Betriebsratsmitglieder. Damit sind die Personen vor einer möglichen Willkür des Arbeitgebers geschützt und eine ordentliche Kündigung ist weitgehend ausgeschlossen. Aufgrund des vorhandenen umfangreichen Regelwerkes mit seinen umfassenden Schutzmechanismen sieht die Landesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf. 7. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bezogen auf Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, die Wahl von Betriebsräten in Mecklenburg- Vorpommern zu behindern oder zu unterbinden? Welche Möglichkeiten hat sie, derartigen Tendenzen gegebenenfalls entgegenzuwirken? Die Staatsanwaltschaften des Landes erlangen von Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, die Wahl von Betriebsräten in Mecklenburg-Vorpommern zu behindern oder zu unterbinden, dann Kenntnis, wenn diese Aktivitäten den Anfangsverdacht eines strafbaren Verhaltens nach § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) begründen. Soweit die Staatsanwaltschaften betroffen sind, wird daher auf die Antwort zu Frage 8 Bezug genommen. Ferner hat die Landesregierung jüngst über die Medienberichterstattung Kenntnis von beabsichtigten und zurückgenommenen Zusteller-Entlassungen bei der Nordkurier-Mediengruppe erlangt. Ob die diesbezüglich geäußerten Vermutungen Dritter zutreffend sind, kann die Landesregierung nicht abschließend bewerten. Der Landesregierung liegen im Übrigen keine weiteren Erkenntnisse über Aktivitäten vor, die Wahl von Betriebsräten zu behindern oder gar zu unterbinden. 8. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bezüglich der Häufigkeit von Strafverfahren wegen Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane nach § 119 BetrVG in Mecklenburg-Vorpommern? a) Inwieweit besteht nach Auffassung der Landesregierung die Möglichkeit bzw. die Notwendigkeit, eine Meldepflicht für Verfahren aufgrund von Verstößen gegen § 119 BetrVG zu verankern und die Meldungen bei einer unabhängigen Stelle des Landes (z. B. im zuständigen Landesministerium oder beim LAGuS) zu erfassen? b) Inwieweit kann nach Auffassung der Landesregierung die Änderung des Kündigungsschutzgesetzes, z. B. die Ausweitung der Dauer des Kündigungsschutzes für Wahlvorstandsbewerber auf den Zeitpunkt ab ihrer Bewerbung, einen Beitrag zum besseren Schutz der Initiatoren von Betriebsratswahlen leisten? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse bezüglich der Häufigkeit von Strafverfahren gegen Betriebsverfassungsorgane nach § 119 BetrVG in Mecklenburg-Vorpommern vor. Eine gesonderte statistische Erfassung möglicher Vorgänge aus diesem Bereich erfolgt bei den Staatsanwaltschaften des Landes nicht. Drucksache 7/1561 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Zur Identifizierung der möglicherweise gemäß § 119 BetrVG geführten Verfahren wäre daher die manuelle Durchsicht mehrerer zehntausend Vorgänge erforderlich, die für den Anfragezeitraum im Bereich allgemeiner Kriminalität statistisch erhoben wurden. Der damit verbundene Aufwand ist bereits mit der sich aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ergebenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht zu vereinbaren. Zu a) Nach Auffassung der Landesregierung besteht weder die Möglichkeit noch die Notwendigkeit, zur Benachrichtigung unabhängiger Stellen des Landes eine Meldepflicht für Verfahren wegen Verstoßes gegen § 119 BetrVG einzuführen. Im Rahmen der im Herbst 2015 im Deutschen Bundestag geführten Diskussion über einen Änderungsbedarf im Betriebsverfassungsrecht (Drucksachen 18/2750 und 18/5327) ist der Vorschlag einer Meldepflicht bereits erörtert worden (vergleiche Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 6/4556 vom 27.10.2015). Dabei wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass vor Einführung einer Meldepflicht die mit der Meldung einhergehende Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung gegen das staatliche Interesse an einer effektiven Ausübung hoheitlicher Kontrollrechte und Aufsichtspflichten abzuwägen ist. Anders als zum Beispiel im Waffenrecht (vergleiche Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Nummer 36) lässt sich dabei nicht erkennen, welche grundlegenden Kontrollrechte und Aufsichtspflichten unabhängige Landesbehörden in dem grundsätzlich von Autonomie geprägten Verhältnis zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung haben sollten, die eine Meldepflicht rechtfertigen könnte. Zu b) Eine derartige Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes würde nicht dem Sinn und Zweck der Norm entsprechen. Im Zweifelsfall würde er die gesamte Belegschaft betreffen. Sollte der Arbeitgeber mit der Kündigung eines Arbeitnehmers das Ziel verfolgen, dessen Wahl oder Bestellung zum Mitglied eines Wahlvorstands zu verhindern, stellt dies bereits nach aktueller Rechtslage eine verbotene Wahlbehinderung dar (vergleiche § 20 in Verbindung mit § 119 BetrVG), die zur Anzeige gebracht werden kann.