Die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 30. Januar 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/1600 7. Wahlperiode 31.01.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Dr. Matthias Manthei, Fraktion der BMV Medizinische Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Eine exakte Feststellung des Lebensalters ist weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem noch auf anderem Wege möglich. Alle Verfahren können allenfalls Näherungswerte liefern. Es gibt einen Graubereich von etwa ein bis zwei Jahren. Gleichwohl muss Minderjährigen ein hohes Maß an Schutz und Förderung zukommen. Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurden die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe befragt. Alle acht Jugendämter in Mecklenburg-Vorpommern haben geantwortet. 1. Wurden oder werden in Mecklenburg-Vorpommern medizinische Verfahren zur Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern angewendet? a) Wenn ja, warum? b) Wenn ja, in welchem Zeitraum wurden solche Verfahren angewendet ? c) Wenn ja, welche Verfahren wurden oder werden angewendet? Ja, es wurden und werden medizinische Verfahren zur Altersbestimmung bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen angewendet. Drucksache 7/1600 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zu a) Medizinische Verfahren zur Altersbestimmung bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen wurden angewendet, weil bei Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe im Clearinggespräch Zweifel an deren Minderjährigkeit aufgekommen sind; insbesondere aufgrund der Prüfung vorliegender persönlicher Dokumente, dem Abgleich mit Eurodac, persönlicher Altersangaben und der äußerlich erscheinenden körperlichen Entwicklung sowie notwendig durchzuführender ärztlicher Untersuchungen (zum Beispiel Zahnarzt). Zu b) Im Jahr 2017 wurden Verfahren zur medizinischen Altersbestimmung angewendet. Zu c) Seitens der Institute für Rechtsmedizin an Universitätskliniken wurden Untersuchungen wie körperliche Untersuchung ohne Genitalinspektion, Röntgenuntersuchung der Hand, Röntgenuntersuchung der Zähne und Computertomographie-Untersuchung des Schlüsselbeins angewendet . 2. Falls Frage 1 mit ja beantwortet wurde, in wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils Verfahren zur medizinischen Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern angewendet ? In den Jahren 2015 und 2016 wurden keine medizinischen Altersbestimmungen durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe veranlasst. Im Jahr 2017 wurde in sieben Fällen eine medizinische Altersbestimmung in Auftrag gegeben. 3. Falls Frage 1 mit ja beantwortet wurde, in wie vielen der in der Antwort zu Frage 2 aufgeführten Fälle wurde in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils festgestellt, dass keine Minderjährigkeit vorlag? Für die Jahre 2015 und 2016 wird auf Satz 1 der Antwort auf Frage 2 verwiesen. Von den im Jahr 2017 veranlassten sieben medizinischen Altersbestimmungen wurde in drei Fällen keine Minderjährigkeit bestätigt, zwei Gutachten stehen noch aus und eine medizinische Altersbestimmung wurde auf Grund fehlender Mitwirkung des unbegleiteten ausländischen Minderjährigen abgebrochen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1600 3 4. Falls Frage 1 mit ja beantwortet wurde, in welchen Fällen wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils Verfahren zur medizinischen Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern angewendet (bitte die Fälle aufschlüsseln nach Landkreisen und kreisfreien Städten und jeweils das Durchführungsdatum, das angewendete medizinische Verfahren und das Ergebnis der Altersfeststellung angeben und benennen, wer die Altersfeststellung durchgeführt hat)? Für die Jahre 2015 und 2016 wird auf Satz 1 der Antwort zu Frage 2 verwiesen. In der Landeshauptstadt Schwerin gab es im Jahr 2017 einen Fall der medizinischen Altersbestimmung . Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Münster hat die Untersuchung in Münster durchgeführt. Ein genaues Datum der Untersuchung wurde nicht mitgeteilt. Im Ergebnis wurde mit dem Gutachten eine Minderjährigkeit festgestellt. Im Landkreis Rostock wurde in den Monaten Januar, März und April 2017 je eine Untersuchung zur medizinischen Altersbestimmung veranlasst. Im Ergebnis wurde mit den drei Gutachten jeweils die Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer Volljährigkeit bestimmt. Im Dezember 2017 wurden zwei Untersuchungen zur medizinischen Altersbestimmung veranlasst. Die Ergebnisse dieser Gutachten liegen noch nicht vor. Ein weiteres Verfahren zur medizinischen Altersbestimmung konnte nicht beendet werden, da der unbegleitete ausländische Minderjährige während der medizinischen Untersuchung im Institut seine Mitwirkung verweigerte. Durch den Landkreis wurde in allen Fällen das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Rechtsmedizin in Kiel, mit der Erstellung der Gutachten beauftragt. Bei allen Gutachten wurde in beiden Universitätskliniken die körperliche Untersuchung ohne Genitalinspektion, Röntgenuntersuchung der Hand, Röntgenuntersuchung der Zähne und Computertomographie-Untersuchung des Schlüsselbeins durchgeführt. 5. Falls Frage 1 mit nein beantwortet wurde, warum wurden keine Verfahren zur medizinischen Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern angewendet? Entfällt. Drucksache 7/1600 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von Röntgendiagnostik zur Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern? Die Verfahren der Alterseinschätzung müssen insgesamt auf der Grundlage ethisch und wissenschaftlich vertretbarer Methoden erfolgen und zudem rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Hiervon ausgeschlossen sind deshalb Methoden, die mit der Würde des Menschen unvereinbar sind. In der Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher heißt es diesbezüglich: „Die ärztliche Untersuchung ist mit den schonendsten und soweit möglich zuverlässigsten Methoden von qualifizierten medizinischen Fachkräften durchzuführen. Dies schließt beispielsweise Genitaluntersuchungen aus.“ (BT-Drucks. 18/6392, 21). Bestehen im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme Zweifel an der Minderjährigkeit, so hat das Jugendamt nach § 42f Absatz 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen zu veranlassen. Nach § 42f Absatz 2 Satz 2 SGB VIII ist die betroffene Person umfassend über die Untersuchungsmethode aufzuklären. Die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt werden. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben der Einsatz eines Röntgengerätes ein geeignetes Mittel zur Altersbestimmung sein kann. Wegen der bei der Untersuchung mit Röntgengeräten entstehenden Strahlung sollte dieses Verfahren nur dann angewandt werden, wenn der Gesundheitszustand des zu Untersuchenden dies zulässt, die Altersbestimmung unbedingt erforderlich oder vom zu Untersuchenden gewünscht und eine Einsichtnahme in die Ausweispapiere nicht möglich ist oder eine qualifizierte Inaugenscheinnahme nach § 42f Absatz 1 Satz 1 SGB VIII des Betroffenen nicht ausreicht, um eine Altersbestimmung durchzuführen.