Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 9. März 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/1746 7. Wahlperiode 12.03.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Thomas de Jesus Fernandes, Fraktion der AfD Burnout-Syndrom, Stress und Überlastung bei Kindern und Jugendlichen und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Da der Begriff Burn-out-Syndrom bisher weniger für ein eng definiertes Krankheitsbild im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr für das Resultat eines längeren Prozesses der zunehmenden emotionalen und körperlichen Erschöpfung gebraucht wird, findet sich auch in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD-10) in den Kapiteln der Krankheitsbilder kein entsprechender Diagnoseschlüssel für das Burn-out-Syndrom. Stattdessen kennt die ICD-10 unter den „verwandten Gesundheitsproblemen“ im Kapitel XXI (Notation Z, „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“) die Subkategorie ICD-10 Z73.0 „Ausgebranntsein: Burn-out, Zustand der totalen Erschöpfung”. Viele Menschen, die unter einem Burn-out-Syndrom leiden, haben im Verlauf über das eigentliche Burn-out hinaus gehende Beschwerden wie zum Beispiel Depressive Störungen, Angststörungen oder Panikattacken entwickelt. In diesen Fällen wird üblicherweise das resultierende Krankheitsbild (also zum Beispiel die „Depressive Episode, ICD-10 F32“) als Diagnose angegeben . Drucksache 7/1746 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Dieses Vorgehen ist insofern zu rechtfertigen, als das Burn-out so als ein Prozess angesehen wird, der zu einer bestimmten Krankheit führt. Als weitere mögliche Differentialdiagnosen sollten die in ICD-10 Kapitel V, Kategorie F43 („Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“) genannten Diagnosen Akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0), Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) oder eine Sonstige Reaktion auf schwere Belastung (ICD-10 F43.8) berücksichtigt werden. 1. Wie entwickelte sich die Anzahl an Kindern und Jugendlichen in den vergangenen fünf Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, bei denen das sogenannte Burnout-Syndrom, Stress oder ähnliche Überlastungserscheinungen , nachgewiesen wurden (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Art der Überlastungserscheinung, Anzahl der Fälle, Alter und Geschlecht)? Im Folgenden werden die Krankenhausfälle der Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern der oben genannten Diagnosen Akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0), Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2), Sonstige Reaktion auf schwere Belastung (ICD-10 F43.8) sowie die Depressive Episode (ICD-10 F32) nach Alter und Geschlecht dargestellt. ICD-10 F43.0 Jahr/ Alter männlich weiblich insgesamt 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 2012 1 17 15 1 24 41 2 41 56 2013 1 4 21 18 2 25 49 1 6 46 67 2014 2 24 40 1 4 36 35 1 6 60 75 2015 7 21 38 1 1 33 79 1 8 54 117 2016 2 17 38 2 8 34 54 2 10 51 92 ICD-10 F43.2 Jahr/ Alter männlich weiblich insgesamt 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 2012 1 6 29 34 2 5 50 75 3 11 79 109 2013 1 14 30 39 3 14 57 69 4 28 87 108 2014 1 9 18 38 1 5 39 69 2 14 57 107 2015 1 10 27 60 2 9 67 94 3 19 94 154 2016 8 26 55 1 11 56 109 1 19 82 164 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1746 3 ICD-10 F43.8 Jahr/ Alter männlich weiblich insgesamt 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 2012 1 1 2013 1 1 2014 1 1 2015 1 1 1 2 1 2016 2 2 ICD-10 F32.0 Jahr/ Alter männlich weiblich insgesamt 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 1- <5 5- <10 10- <15 15- <20 2012 8 46 2 32 81 2 40 127 2013 1 17 57 36 97 1 53 154 2014 9 36 1 33 87 1 42 123 2015 15 52 54 107 69 159 2016 1 21 48 1 52 143 2 73 191 Die Subkategorie ICD-10 Z73.0 trat in den Jahren 2012 und 2015 in der Altersgruppe 15 bis unter 20 Jahren je zweimal auf. In den Jahren 2013, 2014 und 2016 sind keine Fälle dokumentiert . Angaben zur ambulanten Behandlung oben genannten Diagnosen sind der Landesregierung nicht bekannt. 2. Wie viele Fachärzte, Therapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychiater in Mecklenburg-Vorpommern sind spezialisiert auf psychische Überlastungserscheinungen bei Kindern und Jugendlichen? a) Wie verteilen sich die Personen auf die einzelnen Landkreise? b) Gibt es einen regionalen Mangel an Fachkräften in diesem Bereich? Zu 2 und 2 a) Die Fragen 2 und a) werden zusammenhängend beantwortet. Zur Beantwortung der Fragen wurde die für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Land zuständige Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern einbezogen . Es sei davon auszugehen, dass die entsprechenden Krankheitsbilder vorrangig von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzten für Allgemeinmedizin, ärztlichen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Nervenärzten und Kinderpsychiatern behandelt werden. Eine fachärztliche Subspezialisierung auf psychische Überlastungserscheinungen ist nicht vorhanden. Es wird davon ausgegangen, dass die unter a) genannten Facharztgruppen am ehesten zur Beantwortung der Fragen relevant sind. Drucksache 7/1746 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Der aktuelle Bedarfsplan für die allgemeine fachärztliche Versorgung in Mecklenburg- Vorpommern (Stand Arztzahlen 19.10.2017) weist in den einzelnen Planungsbereichen des Landes für die Arztgruppe der Psychotherapeuten folgende Angaben aus: Planungsbereich Zahl der Ärzte Rostock (Hansestadt) 74,90 Bad Doberan 14,50 Demmin 14 Güstrow 19,50 Ludwigslust 24 Müritz 13,50 Parchim 20 Rügen 13 Kreisregionen Uecker-Randow 12 Greifswald/Ostvorpommern 32 Neubrandenburg/Mecklenburg-Strelitz 26,45 Stralsund/Nordvorpommern 30,50 Schwerin/Wismar/Nordwestmecklenburg 40 Gesamtzahl: 334,35 Für die Arztgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater (spezialisierte fachärztliche Versorgung) weist der Bedarfsplan folgende Arztzahlen aus: Planungsbereich (Raumordnungsregion) Zahl der Ärzte Mecklenburgische Seenplatte 1,30 Mittleres Mecklenburg 4,25 Vorpommern 4,50 Westmecklenburg 3 Gesamtzahl: 13,05 Darüber hinaus verfügt Mecklenburg-Vorpommern laut Krankenhausplan über insgesamt 361 Betten/Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Davon sind 177 Tagesklinikplätze. Zu b) Laut Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern gibt es keinen regionalen Mangel an den unter a) genannten Ärzten und Psychotherapeuten. Die stationäre/teilstationäre Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern liegt nach letzten Vergleichsstatistiken aus dem Jahr 2015 mit 0,22 Betten/Plätzen pro 1.000 Einwohner über dem Bundesdurchschnitt von 0,14 pro 1.000 Einwohner. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/1746 5 3. Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Situation hinsichtlich Burnout-Syndrom, Stress und Überlastung bei Kindern? Die in der Antwort zu Frage 2 ausgewiesene Krankenhaushäufigkeit ist in Bezug auf die jeweilige Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen sehr gering. Zum Beispiel waren im Zeitraum 2012 bis 2016 in der am stärksten betroffenen Altersgruppe 15 bis unter 20 Jahren bei der häufigsten Diagnose ICD-10 F32.0 zwischen 0,2 und 0,3 Prozent dieser Altersgruppe betroffen. Deshalb können aus diesen Zahlen und aus den Schwankungen keine statistisch relevanten Auffälligkeiten abgeleitet werden. Bundesweite Vergleichswerte liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Burnout, Stress und Überlastung bei Kindern und Jugendlichen zu minimieren? Um bei Kindern und Jugendlichen Krankheiten und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und deren Gesundheits- und Entwicklungsstand festzustellen, führen die Gesundheitsämter, soweit dies für schulische Entscheidungen bedeutsam ist, während der Schulzeit gemäß dem Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung mit der Schulgesundheitspflegeverordnung schulärztliche Untersuchungen durch. Werden Krankheiten oder Fehlentwicklungen festgestellt, vermitteln die Gesundheitsämter in Zusammenarbeit mit den Leistungs- und Kostenträgern geeignete Hilfen einschließlich Rehabilitations - und Kurmaßnahmen. Durch präventiv ausgerichtete Beratung unterstützen die Schule und der Zentrale Fachbereich für Diagnostik und Schulpsychologie (ZDS) die Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte in den unterschiedlichsten Erziehungs- und Lebenssituationen. Als verbindliche Richtlinie zur Beratung, Diagnostik und Förderung dient das Handbuch „Standards der Diagnostik“. Auf Grundlage der fachlichen Wertung und Gewichtung testpsychologischer Kennwerte und anderer diagnostischer Daten erfolgt die Feststellung sonderpädagogischer Förderbedarfe im Rahmen einer Einzelfallentscheidung. Für Beratungsgespräche steht der ZDS im zuständigen Staatlichen Schulamt zur Verfügung. Übergeordnetes Ziel ist, den betroffenen Schülerinnen und Schülern eine auf die individuellen Bedarfe bestmöglich zugeschnittene Förderung zu ermöglichen. Drucksache 7/1746 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 5. Sieht die Landesregierung weite (Berufs-)Schulwege und damit einhergehenden Freizeitverlust und hohen Zeitaufwand als eine mögliche Ursache für Stress, Burnout oder andere Überlastungserscheinungen bei Kindern und Jugendlichen? Die Ursachen können vielfältig sein. Ob weite Schulwege Stress und Burn-out bei Kindern und Jugendlichen begünstigen, kann pauschal nicht bestätigt werden. Eine Bewertung ist nur im Einzelfall möglich, abhängig von den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen der betroffenen Kinder und Jugendlichen, ihren Resilienzen und weiteren Einflussfaktoren.