Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 4. Mai 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2011 7. Wahlperiode 07.05.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Verpflichtung zum Schöffenamt und ANTWORT der Landesregierung 1. In welchen Gerichtsbarkeiten werden Schöffen eingesetzt? a) Wie viele Kandidaten müssen auf den jeweiligen Listen vorgeschlagen werden? b) Wie viele Schöffen werden tatsächlich benötigt? Die Fragen 1, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Schöffen kommen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausschließlich bei den Schöffengerichten an den Amtsgerichten und bei den kleinen und großen Strafkammern an den Landgerichten zum Einsatz (§ 29 Absatz 1, § 76 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG)). Zudem werden sie bei den Jugendschöffengerichten an den Amtsgerichten und bei den kleinen und großen Jugendkammern an den Landgerichten als auch in Jugendschutzsachen in beiden Instanzen eingesetzt (§§ 33a, 33b des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), §§ 26, 74b GVG). Unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Geschäftsanfalles bestimmt der Präsident des Landgerichtes für jedes Amtsgericht seines Geschäftsbereiches und für das Landgericht die erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen. Entsprechend wird hinsichtlich der Zahl der Jugendschöffen verfahren. Diese Zahlen entsprechen dem jeweils tatsächlich benötigten Bedarf an Schöffen. In die Vorschlagslisten der Gemeinden sind dann mindestens doppelt so viele Personen aufzunehmen, wie als erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen bestimmt sind. Drucksache 7/2011 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. Hält die Landesregierung die bestehenden Quoten von Listenkandidaten und tatsächlichem Bedarf für noch zeitgemäß? An der Überlegung, dass von einer echten Wahl nur gesprochen werden kann, wenn erheblich mehr Personen vorgeschlagen werden, als zu wählen sind, wird festgehalten. Eine Reduzierung der Zahl der vorzuschlagenden Bewerberinnen und Bewerber von gegenwärtig 2,0 auf etwa 1,5, wie sie die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin im Rahmen einer Länderumfrage im Jahr 2015 vorgeschlagen hatte, wurde mehrheitlich abgelehnt, weil damit eine echte Wahl gefährdet wäre und dem in § 42 Absatz 2 GVG formulierten Gebot der angemessenen Berücksichtigung sämtlicher Bevölkerungsgruppen nicht mehr in der erforderlichen Weise Rechnung getragen werden könne. 3. Inwieweit müssen die Gemeinden bei Vorschlägen und Verpflichtungen von Schöffen mitwirken? Inwieweit werden Verstöße der Gemeinden gegen eventuelle Mitwirkungspflichten sanktioniert? Die Vorschlagsliste, aus der die Schöffen gewählt werden, stellt die Gemeinde in eigener Zuständigkeit auf. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung der Gemeindevertretung erforderlich. Maßnahmen zur Erzwingung der rechtzeitigen Aufstellung der Liste oder der Sanktionen bei der Unterschreitung der Mindestzahl der vorzuschlagenden Personen sieht das Gerichtsverfassungsgesetz nicht vor. Nötigenfalls ist die Kommunalaufsicht einzuschalten. 4. Inwieweit werden Aufwendungen durch das Schöffenamt (Verdienstausfall , Fahrkosten, Fahrzeiten etc.) erstattet? Die Schöffen erhalten gemäß § 55 GVG eine Entschädigung nach dem Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz (JVEG) für Zeitversäumnis, Verdienstausfall, Fahrkosten, Aufwand sowie bare Auslagen gemäß §§ 5 bis 18 JVEG. Neben der Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von 6 Euro je Stunde wird in Abhängigkeit zum regelmäßigen Bruttoverdienst ein Verdienstausfall von höchstens 24 Euro je Stunde gewährt, der sich bei einer mehr als 20 Tage erstreckenden Hauptverhandlung auf bis zu 46 Euro, bei einer mehr als 50 Tage andauernden Hauptverhandlung auf bis zu 61 Euro pro Stunde erweitern kann. Schöffen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten neben der Entschädigung für Zeitversäumnis pro Stunde 14 Euro. Die Entschädigung wird für die gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2011 3 Der Fahrtkostenersatz ist in § 5 JVEG umfassend geregelt. Im Falle eines auswärtigen Schöffeneinsatzes wird im Einzelfall ein Tage- und Übernachtungsgeld nach § 6 JVEG gewährt. Etwaige Auslagen einer notwendigen Vertretung oder für eine notwendige Begleitperson werden zudem nach § 7 Absatz 1 JVEG ersetzt. 5. Welche Ausschlussgründe für das Schöffenamt gibt es und wie werden diese gerechtfertigt (bitte für die jeweiligen Schöffen an den unterschiedlichen Gerichtszweigen separat angeben)? Während § 32 GVG die Unfähigkeit zum Schöffenamt regelt und §§ 33, 34 GVG Regelungen darüber enthalten, wer nicht zum Schöffen berufen werden soll, eröffnet § 35 GVG einem Personenkreis, der uneingeschränkt zum Schöffen berufen werden darf, die Möglichkeit, diese Berufung abzulehnen. Im Einzelnen: Für das Amt eines Schöffen sind Personen unfähig, die infolge Richterspruches die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben, die strafrechtlich verurteilt wurden und gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft. Zum Schöffen sollen nicht berufen werden: Personen, die zu Beginn der Amtsperiode das 25. Lebensjahr noch nicht und das 70. Lebensjahr bereits vollendet haben sowie Personen, die in der vorschlagenden Gemeinde zum Zeitpunkt der Aufstellung der Liste nicht wohnen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sind, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen sowie solche, die in Vermögensverfall geraten sind. Ferner sollen folgende Personen nicht zu dem Amt eines Schöffen berufen werden: Der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung, politische Beamte, Berufsrichter und Beamte der Staatsanwaltschaft, Notare und Rechtsanwälte im aktiven Dienst, Gerichtsvollzieher, Polizeivollzugsbeamte, Bedienstete des Strafvollzuges sowie hauptamtliche Bewährungs- und Gerichtshelfer sowie Geistliche als auch Ordensschwestern und Ordensbrüder. Die Motive der vorgenannten gesetzlichen Berufungsausschlüsse sind vielfältig. Die Schöffin/der Schöffe soll nicht vorbestraft sein, einen guten Leumund haben und nicht bestechlich sein. Darüber hinaus soll sie/er über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen und die festgelegte Altersgrenze zu Beginn der Amtsperiode nicht überschreiten, dazu gesund sein, ortsnah wohnen und auch sprachlich der Hauptverhandlung in ausreichendem Maße folgen können. Weitere Ausschlussgründe haben ihren Grund in der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Rechtsprechung, der Unparteilichkeit beziehungsweise der Vermeidung von Befangenheiten, einer vorherigen beruflichen Befassung und möglichen Gewissenskonflikten, etwa aufgrund Mandats- und Beichtgeheimnissen. Drucksache 7/2011 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Während bisher Personen, die bereits zwei Amtsperioden als Schöffin/Schöffe tätig waren und deren/dessen letzte Amtsperiode zum Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagslisten noch andauerte, von der Wiederwahl ausgeschlossen waren, können in der kommenden Wahlperiode auch aktuell wiederberufene Schöffen für eine abermalige Wiederwahl auf die Vorschlagsliste gesetzt werden (Artikel 7 des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27. August 2017 ). Diese Schöffen erhalten allerdings ein Ablehnungsrecht nach § 35 Nummer 2a) GVG. 6. In wie vielen Fällen seit dem Jahre 2000 mussten Kandidaten für das Schöffenamt bei Amtsgerichten auf den Vorschlagslisten der Gemeinden verpflichtet (ohne Eigeninitiative) werden (bitte für die jeweiligen Amtsperioden und alle Gemeinden sowie für die jeweiligen Amtsperioden und Gebiete der Amtsgerichtsbezirke vor Inkrafttreten des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetzes (Drucksache 6/1620) im Jahre 2014 separat angeben)? Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Aufstellung der Vorschlagslisten fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinden (siehe Antwort zu Frage 3). Aus den von den Gemeinden bei den Amtsgerichten einzureichenden Vorschlagslisten kann nicht entnommen werden, ob dem jeweiligen Vorschlag eine Initiativbewerbung zugrunde lag. Daten dazu werden in den Vorschlagslisten nicht erfasst. In der Vergangenheit wurden lediglich punktuell in einzelnen Bezirken Probleme bei der Gewinnung von geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten bekannt, die jedoch seitens der Gemeinden jeweils bewältigt werden konnten. Daher bestand nach Erkenntnissen der Landesregierung bisher auch keine Veranlassung, die Kommunalaufsicht einzuschalten. Da es für die Gemeinden keine Meldepflicht gegenüber dem Ministerium für Inneres und Europa gibt, liegen dort keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2011 5 7. In wie vielen Fällen seit dem Jahre 2000 gab es Probleme mit den Vorschlagslisten für Schöffen der Amtsgerichte, weil die Vorschlagslisten der Gemeinden unvollständig waren oder zu spät eingereicht wurden (bitte für alle Amtsperioden und Amtsgerichtsbezirke separat angeben)? In Vorbereitung auf die laufende Wahlperiode von 2014 bis 2018 hat es keine Probleme hinsichtlich unvollständig beziehungsweise verspätet vorgelegter Vorschlagslisten gegeben. In den abgelaufenen Wahlperioden gab es hingegen vereinzelt Probleme bei der Einhaltung der zeitlichen Vorgaben und bei der Einhaltung der festgelegten Mindestzahl an vorzuschlagenden Kandidaten. Letztere konnten in allen Fällen durch eingeräumte Nachfristen behoben werden. Im Übrigen fehlt es zur Fragestellung an einer weitergehenden einheitlichen Dokumentation bei allen Amts- und Landgerichten des Landes. 8. Inwieweit unternimmt die Landesregierung bereits jetzt Veranstaltungen oder Kampagnen, um für das Schöffenamt zu werben? Sieht sie noch weitere Möglichkeiten, Interesse für das Schöffenamt zu wecken? Im Rahmen der Veranstaltung zum „Tag der offenen Tür“ des Justizministeriums am 25. November 2017 wurde die Informationsschrift „Ehrenämter in der Justiz - Das Schöffenamt “ in aktualisierter Form vorgestellt und veröffentlicht. Diese sogenannte „Schöffenfibel“ wurde in der Folge sämtlichen Landkreisen und kreisfreien Städten sowie etlichen Gemeinden zur Verfügung gestellt. An dem Aktionstag am 25. November 2017 war auch der Landesverband Nord e. V. der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen mit einem Informationsstand beteiligt. Auf den Internetseiten des Justizministeriums wird seit Ende letzten Jahres verstärkt für das Schöffenamt geworben. In einer Informationsveranstaltung hat die Justizministerin gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Schwerin am 26. März 2018 in Schwerin für das Schöffenamt geworben. Vor und nach dieser Veranstaltung hat auch das zentrale Regierungsportal den Titel der Schöffensuche von der Seite des Justizministeriums übernommen (https://www.regierungmv .de/Landesregierung/jm/Blickpunkte/Das-Sch%C3%B6ffenamt). Das Nordmagazin des NDR-Fernsehens vom 13. April 2018 sendete einen über fünfminutigen Beitrag unter dem Titel „Was macht eigentlich ein Schöffe?“. Einen ähnlichen Beitrag gab es im TV Schwerin.