Der Finanzminister hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 30. April 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2032 7. Wahlperiode 03.05.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Dirk Lerche, Fraktion der AfD Sogenannte Urlaubssteuer in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Bei der sogenannten Urlaubssteuer handelt es sich um die gewerbesteuerliche Hinzurechnung eines Finanzierungsanteils (fiktive Schuldzinsen) „für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen“. Nach § 8 Nummer 1 Buchstabe e des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sind bei der Nutzung unbeweglichen Anlagevermögens, welches im Eigentum eines anderen steht, 12,5 Prozent der vom Gewinn abgesetzten Miet- und Pachtzinsen als pauschalisierter Finanzierungsanteil wieder hinzuzurechnen, soweit dieser zusammen mit anderen Finanzierungsanteilen den Freibetrag von 100.000 Euro übersteigt. Ziel dieser Hinzurechnung ist die fiskalische Gleichbehandlung von Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb mit eigenem Anlagevermögen betreiben, mit solchen Unternehmen, bei denen dies mit fremdem (gemietetem, gepachtetem oder geleastem) Anlagevermögen erfolgt. Die Änderung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG erfolgte im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 [Unternehmensteuerreformgesetz vom 14. August 2007, Bundessteuerblatt (BStBl.) Teil I 2007, Seite 630], mit der unter anderem der Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent auf 15 Prozent gesenkt wurde. In den Hinzurechnungstatbeständen des § 8 GewStG kommt der Objektsteuercharakter beziehungsweise Realsteuercharakter der Gewerbesteuer zum Ausdruck. Als solche knüpft die Gewerbesteuer nicht an persönliche Merkmale (zum Beispiel Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen), sondern an die objektivierte Ertragskraft des stehenden Gewerbebetriebes an. Die Hinzurechnungen dienen insoweit auch der Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen. Drucksache 7/2032 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Die Verbände „ASR Allianz selbständiger Reiseunternehmen - Bundesverband e. V.“, „Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e. V.“, „Deutscher ReiseVerband e. V.“, „Deutscher Tourismusverband e. V.“, „Internationaler Bustouristikverband e. V.“ warnen mit einer Kampagne vor der sogenannten Urlaubssteuer (https://urlaubssteuer.de/). Sie beruhe auf § 8 Nr. 1 Buchstaben d und e Gewerbesteuergesetz und dessen Auslegung durch die Finanzverwaltung gemäß einem Erlass vom 2. Juli 2012. 1. Wie bewertet die Landesregierung diese Kampagne? Die Kampagne „Nein zur Urlaubssteuer!“ und die Bezeichnung „Urlaubssteuer“ richten sich direkt an die Urlauber als (End)Verbraucher. Diese werden als Belastete der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung dargestellt, weil sie die Mehrkosten als Urlaubssteuer zu tragen hätten. So würde nach Aussagen der Verbände „die klassische Urlaubsreise … im mehrstufigen Handel rechnerisch um etwa 2,3 Prozent teurer … der Reisepreis für eine Urlaubsreise, die bisher 2.000 Euro kostete, um etwa 46 Euro steigen… aus der Gewerbesteuer für den Reiseveranstalter … würde …die faktische Urlaubssteuer für den Urlauber“. Bei der Kampagne handelt es sich um eine Maßnahme der Verbände, die sie als Interessenvertreter für ihre Mitglieder initiiert haben, um berechtigterweise ihre abweichende Auffassung in dieser Sache zum Ausdruck zu bringen. Richtig ist, dass die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände umstritten sind. Dies belegen mehrere bei unterschiedlichen Gerichten geführte (Muster)Verfahren, zum Beispiel Hinzurechnung von Mietaufwendungen bei Konzertveranstaltern beim Bundesfinanzhof (BFH) - (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016, IV R 24/11), Hinzurechnung von Entgelt für die Überlassung von Ausstellungsflächen beim BFH (BFH-Urteil vom 25. Oktober 2016, I R 57/15) und das Normenkontrollverfahren bezüglich der Hinzurechnung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - (BVerfG-Beschluss vom 15. Februar 2016, 1 BvL 8/12). Die Verfahren wurden bislang weitgehend im Sinne der Verwaltungsauffassung entschieden. Inwieweit sich die Grundsätze der oben genannten Rechtsprechung auf die Anmietung von Hotelunterkünften durch Reiseveranstalter übertragen lassen, ist Gegenstand eines aktuell anhängigen Verfahren beim BFH [Aktenzeichen: I R 28/16 (nunmehr Aktenzeichen: III R 22/16)]. Die Reiseveranstalter erwecken im Rahmen der Kampagne den Eindruck, die entsprechende (Mehr)Belastung sei für sie bereits jetzt unausweichlich. Die Finanzverwaltung dagegen lässt mit Blick auf den Ausgang des Revisionsverfahrens beim BFH [Aktenzeichen: I R 28/16 (nunmehr Aktenzeichen: III R 22/16)] die jeweils anhängigen Einspruchsverfahren ruhen und gewährt - auf Antrag des Steuerpflichtigen - Aussetzung der Vollziehung. Dadurch dürften sich derzeit, zumindest für alle Reiseveranstalter, die Einspruch gegen die Hinzurechnung eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt haben, keine unmittelbaren finanziellen Konsequenzen ergeben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2032 3 2. Welche Auswirkungen hat die „Urlaubssteuer“ auf den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern? Der Landesregierung liegen keine Untersuchungen vor, die sich mit den Auswirkungen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei Reiseveranstaltern auf den Tourismus in Mecklenburg -Vorpommern beschäftigen. Da aber aufgrund des anhängigen Revisionsverfahrens beim BFH die Einsprüche ruhen und - auf Antrag des Steuerpflichtigen - die Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann, ist davon auszugehen, dass sich bei den Reiseveranstaltern und für den Tourismus in Mecklenburg -Vorpommern bis zur endgültigen Entscheidung in der Regel (noch) keine finanziellen Konsequenzen ergeben haben. 3. Findet eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von beispielsweise angemieteten Hotelzimmern durch Reiseveranstalter in der Finanzverwaltung des Landes statt? Wenn ja, welche Reisearten sind betroffen? Die teilweise Hinzurechnung der Aufwendungen eines Reiseveranstalters für gebuchte Hotelunterkünfte ist das Ergebnis einer Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (niedergelegt in den Randnummern 29 ff. der gleichlautenden Ländererlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Juli 2012 - BStBl. Teil I 2012, Seite 654), an die die Steuerverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern im Sinne eines bundeseinheitlichen Steuervollzuges gebunden ist. Prinzipiell kann jede Reiseart betroffen sein, wenn die Unterkünfte nicht im eigenen Anlagevermögen des Reiseveranstalters stehen und dieser daher entsprechende Aufwendungen vom Gewinn abgesetzt hat. 4. Welche Steuereinnahmen entstanden durch diese Auslegung in Mecklenburg-Vorpommern jeweils in den vergangenen fünf Jahren? Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Die Gewerbesteuerfestsetzung selbst wird von den Kommunen vorgenommen. Überdies wird die Steuer aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage, die alle gewerbesteuerlich relevanten Sachverhalte insgesamt erfasst, festgesetzt. Gesonderte Erfassungen bestimmter Sachverhalte erfolgen nicht, sodass auch aus diesem Grund eine Aussage zu den konkreten finanziellen Auswirkungen der in Rede stehenden gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nicht möglich ist. Drucksache 7/2032 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Welche bundesweiten Rechtsstreitigkeiten sind der Landesregierung in diesem Zusammenhang bekannt? Zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Miet- und Pachtzinsen für Hotelzimmer und Hotelkontingente von Reiseveranstaltern der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen, wurde das beim Finanzgericht Münster anhängige Verfahren (Aktenzeichen: 9 K 1472/13 G) als Musterverfahren geführt und auf Bund-Länder-Ebene vereinbart, dass entsprechende Einspruchsverfahren von Reiseveranstaltern aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen können und auf Antrag auch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. Das Finanzgericht Münster hatte mit Zwischenurteil vom 4. Februar 2016 die Auffassung der Finanzverwaltung, dass Miet- und Pachtzinsen für Hotelzimmer und Hotelkontingente von Reiseveranstaltern der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen, dem Grunde nach bestätigt. Jedoch hat das Finanzgericht Münster eine Beschränkung des Hinzurechnungsbetrages der Höhe nach auf die Kaltmiete vorgenommen. Die Kläger (Reiseveranstalter) haben gegen das Urteil des Finanzgerichtes Revision beim BFH eingelegt. 6. Laufen derzeit Klagen gegen diese Auslegung in Mecklenburg- Vorpommern? Wenn ja, wie viele? In Mecklenburg-Vorpommern ist bezüglich der Rechtsfrage keine Klage beim Finanzgericht anhängig.