Der Minister für Landwirtschaft und Umwelt hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 29. Juni 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2074 7. Wahlperiode 02.07.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Christel Weißig, Fraktion der BMV Infektionen mit dem Clostridium botulinum, Botulismus und viszeraler Botulismus und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung In den vergangenen Jahren wurde hauptsächlich aus Rinder haltenden Betrieben in Norddeutschland vom Auftreten einer Erkrankung berichtet, die in chronischer Form mit Abmagerung, Leistungsrückgang, Bewegungsstörungen und teilweise mit therapieresistentem Festliegen einherging. Als Auslöser dieser Symptomatik wird das Bakterium Clostridium botulinum (C. botulinum) vermutet. Nach der Hypothese eines sogenannten chronischen Botulismus des Rindes besiedelt das Bakterium die Darmwand und schüttet über längere Zeit geringe Mengen des hochpotenten Botulinum-Neurotoxins (BoNT) aus. Bislang existieren keine Belege zur Kausalität und damit (weltweit) keine Falldefinition für diese These. Damit einhergehend zirkulieren weitere Begrifflichkeiten wie viszeraler Botulismus, Kolonisationsbotulismus, Toxikoinfektion oder Clostridiose. In Mecklenburg- Vorpommern wurde das oben genannte Erkrankungsbild unter der Bezeichnung „Faktorenerkrankung “ geführt. Clostridien sind weit verbreitete Bodenkeime und Teil der Abbau- und Zersetzungsprozesse im natürlichen Stoffkreislauf. Der „klassische Botulismus“ hingegen ist als akute Vergiftung mit BoNT bei Mensch und Tier seit Jahrhunderten bekannt und wissenschaftlich gesichert. BoNT bindet an Nervenzellrezeptoren und hemmt die Reizübertragung an die Muskulatur. Hierdurch kommt es zu Lähmungserscheinungen, die in der Regel schnell zum Tod führen. Trotz der weiten Verbreitung von Clostridien kommt der klassische Botulismus selten vor. Bei Tieren ist der klassische Botulismus weder eine anzeigepflichtige Tierseuche noch eine meldepflichtige Tierkrankheit. Fälle beim Menschen sind nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Drucksache 7/2074 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Alle Meldungen, die im Zusammenhang mit den postulierten Verdachtsfällen einer Faktorenerkrankung bei Rindern in Mecklenburg-Vorpommern stehen, erfolgten zwischen den Jahren 1995 und 2010 und wurden überprüft. Diese Daten, wie auch weiterführende Informationen und Bewertungen beteiligter wissenschaftlicher Einrichtungen und Behörden sind unter anderem über http://www.lallf.de/fileadmin/media/PDF/tiergseuchendia/epidem/170606Faktorenerkr .pdf sowie http://www.lallf.de/fileadmin/media/PDF/tiergseuchendia/epidem/Leitlinien _Pruefliste_2017.pdf öffentlich zugänglich. 1. Wie viele Menschen infizierten sich mit dem Clostridium botulinum und erkrankten in den Jahren 1999 bis heute in Mecklenburg- Vorpommern an Botulismus (bitte nach Anzahl, Jahr und Landkreisen aufschlüsseln)? Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 veröffentlicht das Robert Koch Institut (RKI) Daten zu allen meldepflichtigen Erkrankungen. Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht für Botulismus eine Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 1 IfSG und bei Nachweis des Erregers oder des Toxins in Verbindung mit einer akuten Infektion gemäß § 7 Absatz 1 Nummer 8 IfSG. Seit dem Jahr 2001 wurden aus Mecklenburg-Vorpommern ein Fall von Botulismus aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald (2001) sowie ein Fall aus Schwerin (2003) gemeldet. Darüber hinaus liegt dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LAGuS) eine Meldung über einen Fall von Botulismus aus dem Jahr 2000 aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte vor. 2. Wie viele Rinder erkrankten in den Jahren 1999 bis heute an Botulismus oder chronischem Botulismus in Mecklenburg-Vorpommern (bitte nach Anzahl, Jahren und Landkreisen aufschlüsseln)? Der klassische Botulismus unterliegt im Tiergesundheitsrecht keiner Anzeigepflicht beziehungsweise keiner Meldepflicht. Es existieren daher in Mecklenburg-Vorpommern wie auch bundesweit keine offiziellen Fallstatistiken. Da der sogenannte chronische Botulismus als Faktorenerkrankung (siehe Vorbemerkung) bislang wissenschaftlich nicht belegt ist, existieren bundesweit keine belastbaren Daten zu möglicherweise betroffenen Rindern. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2074 3 3. Gibt es Betriebe, in denen diese Erkrankungen vermehrt und wiederholt aufgetreten sind oder auftreten (bitte nach Betrieb, Jahr und Anzahl der betroffenen Tiere aufschlüsseln)? Mit Bezug auf die Antwort zu Frage 2 wird darauf verwiesen, dass lediglich Hinweise zu Verdachtsbetrieben, nicht aber gesicherte Erkrankungsnachweise in Mecklenburg- Vorpommern existieren. 4. Welche Erkenntnisse gibt es, dass Botulismus oder chronischer Botulismus beim Rind auf den Menschen übertragbar ist? Welche Gefahr geht dabei für den Menschen aus? Seit Mitte der 1990er-Jahre wird über den sogenannten viszeralen oder chronischen Botulismus in Rinderbeständen berichtet. Die Erkrankung wird mit einer großen Bandbreite an klinischen Symptomen in Zusammenhang gebracht. Es handelt sich um eine Erkrankung, deren Ursachen bislang nicht abschließend geklärt sind. Seit einigen Jahren wird die Vermutung geäußert, dass Landwirte und ihre Familienmitglieder , die sich in Betrieben aufhalten, in denen Rindern am sogenannten chronischen Botulismus erkrankt sind, ebenfalls daran erkranken könnten. Auch dies ist bislang wissenschaftlich nicht belegt. 5. Muss Botulismus oder chronischer Botulismus des Rindes als Tierseuche eingeschätzt und als solche auch entsprechend behandelt werden? Der klassische Botulismus ist eine selten auftretende Erkrankung. Die Kausalität und Definition einer Faktorenerkrankung sind bislang hypothetisch. Somit schließt sich eine Bewertung als seuchenhafte Erkrankung aus. 6. Welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung bisher ergriffen, um eine Ausbreitung des Botulismus, auch in seiner chronischen Form, zu reduzieren und zu verhindern? Mit Bezug auf die Antworten zu den Fragen 2 und 5 kann eine Ausbreitung des klassischen Botulismus oder der Faktorenerkrankung in Mecklenburg-Vorpommern nicht unterstellt werden. Aus diesem Grund sind spezielle Gegenmaßnahmen aktuell nicht angezeigt. Drucksache 7/2074 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 7. Welcher Impfstoff wird zur Behandlung des Botulismus bei Mensch und Tier eingesetzt? Welche Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung? Ein Impfstoff steht in der Humanmedizin nicht zur Verfügung. Die Therapie menschlicher Erkrankungen richtet sich nach der bei dem jeweiligen Patienten aufgetretenen Form des Botulismus (Nahrungsmittelbotulismus, Wundbotulismus, Säuglingsbotulismus, intestinaler Botulismus bei Erwachsenen). Neben supportiven Maßnahmen (zum Beispiel intensivmedizinische Überwachung und Behandlung, Wunddebridement , Antibiotikagabe, Magenspülung, Einläufe) kommt als spezifische Maßnahme Botulinum-Antitoxin zur Anwendung. Auf die „Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wird verwiesen. Bei Nutztieren kommen zugelassene und wirksame Impfstoffe gegen Clostridienerkrankungen insbesondere bei Schafen, aber auch bei anderen Nutztieren zur Anwendung. Es handelt sich dabei um inaktivierte Impfstoffe und auch um Lebendimpfstoffe gegen Clostridien. Spezifisch gegen C. botulinum, in Deutschland nicht zugelassene Impfstoffe können auf dem Wege einer Ausnahmegenehmigung über die zuständigen Länderministerien beantragt werden. Die für Deutschland bei Rindern zugelassenen Impfstoffe können über das Paul-Ehrlich-Institut unter https://www.pei.de/ eingesehen werden. 8. Sind Botulismuserkrankungen auch bei anderen Tierarten bekannt? a) Wenn ja bei welchen? b) Wie häufig traten diese in den Jahren 1999 bis heute auf? (Bitte nach Jahr, Anzahl und Tierart aufschlüsseln!) Botulismuserkrankungen sind in Einzelfällen auch bei anderen Tierarten bekannt. Zu a) Es sind Botulismuserkrankungen durch BoNT bei Säugetieren und Vögeln bekannt. Relativ häufig wird dies bei Wassergeflügel (Wildtiere) beschrieben. Auch bei Wirtschaftsgeflügel tritt er im Zusammenhang mit Geflügelkot oder mit Geflügeleinstreu gelegentlich in Erscheinung. Vergiftungen bei Schweinen, Katzen und Hunden sind selten, aber ebenfalls bekannt. Zu b) Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2074 5 9. Plant die Landesregierung, zukünftig weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Botulismus, auch in seiner chronischen Form, zu ergreifen? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen.