Die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 24. Juli 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2279 7. Wahlperiode 27.07.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Jens-Holger Schneider, Fraktion der AfD Wismarer Kindertagesstätte mit Naphthalin belastet und ANTWORT der Landesregierung Einem Bericht der Ostsee-Zeitung vom 1. Juni 2018 zufolge wurde in der Wismarer Integrativen Kindertagesstätte (Kita) „Seebad Wendorf“ der Schadstoff Naphthalin in der Teerpappe im Fußbodenbelag nachgewiesen. 1. Nach welchen Verordnungen werden Gebäude im Allgemeinen und insbesondere Kindertagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern nach Schadstoffen untersucht (bitte gültige Verordnungen nach Datum aufschlüsseln)? a) Welche Grenzwerte sind in Deutschland für Raumluft in Gebäuden im Allgemeinen und insbesondere für Kitas beziehungsweise Kinderspielflächen für Naphthalin einzuhalten (bitte Grenzwert in Mikrogramm je Kubikmeter Raumluft angeben)? b) Welche Gefährdungen sind für Kinder bei Überschreitung des Grenzwertes bekannt? Derartige Verordnungen zur Untersuchung von Gebäuden im Allgemeinen und insbesondere Kindertagesstätten auf Schadstoffe liegen in der Bundesrepublik Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern nicht vor. Notwendige Untersuchungen werden von den zuständigen Behörden anlassbezogen durchgeführt beziehungsweise in Auftrag gegeben. Zu a und b) Für Arbeitsbereiche, in denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird existieren Arbeitsplatzgrenzwerte . Dieser liegt für Naphthalin bei 2 Milligramm pro Kubikmeter (mg/m³) [Quelle: TRGS 900 - (Fassung 07.06.2018) - Technische Regeln für Gefahrstoffe - Arbeitsplatzgrenzwerte ]. Drucksache 7/2279 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Im Übrigen existieren für Gebäude beziehungsweise Kinderspielflächen keine Grenzwerte, sondern Richtwerte. Für Naphthalin erfolgte die Veröffentlichung aktualisierter Richtwerte im Bundesgesundheitsblatt mit dem Titel „Richtwerte für Naphthalin und Naphthalin-ähnliche Verbindungen in der Innenraumluft“ im Jahr 2013. Quelle: Richtwerte für Naphthalin und Naphthalin-ähnliche Verbindungen in der Innenraumluft (2013), in: Bundesgesundheitsblatt 56 (10), Seiten 1448 - 1459. Der Richtwert I (Vorsorgerichtwert) für die Summe aus Naphthalin, Methylnaphthalin und Dimethylnaphthalin beträgt 0,01 mg/m³. Die Angabe erfolgt in mg/m³, um entsprechend des Bewertungsschemas die Messergebnisse zu runden. Der Richtwert II (wirkungsbezogener Wert) für die Summe aus Naphthalin, Methylnaphthalin und Dimethylnaphthalin beträgt 0,03 mg/m³. Zur gesundheitlichen Wirkung eingeatmeten Naphthalins beim Menschen liegen laut Bekanntmachung des Umweltbundesamtes [Quelle: Richtwerte für Naphthalin und Naphthalin-ähnliche Verbindungen in der Innenraumluft (2013), in: Bundesgesundheitsblatt 56 (10), Seiten 1448 - 1459) keine belastbaren Daten vor. 2. Wie ist der chronologische Prozess beginnend mit dem Verdacht des Auftretens in der Raumluft in der Kita „Seebad Wendorf“ bis hin zur Veröffentlichung in den Medien (bitte Historie nach Sachverhalt und Person sowie Zeitpunkt und Bestätigung des Verdachts bis zur Berichterstattung aufschlüsseln)? Der genaue chronologische Prozess kann nur durch den Träger der Kita aufgeschlüsselt werden. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) kann nur über eigene diesbezügliche Aktivitäten berichten: Datum Aktivität 20.07.2016 E-Mail des Gesundheitsamtes der Stadt Wismar mit der Bitte um Kontaktaufnahme zur „Perspektive Wismar gGmbH“ bezüglich Raumluftproblematik 21.07.2016 Kontaktaufnahme mit Kostenvoranschlag an „Perspektive Wismar gGmbH“. Keine Rückmeldung bis 26. Juli 2016. 08.09.2016 Bitte um Kostenvoranschlag für 14 Räume durch „Perspektive Wismar gGmbH“, zugeschickt 12.09.2016 Beauftragung für die Messung in 14 Räumen 23.09.2016 Messung durchgeführt 20.10.2016 Zusendung des durch das LAGuS erstellten Gutachtens 11.11.2016 Kontakt mit der Betriebsärztin der „Perspektive Wismar gGmbH“ 24.11.2016 Bitte um Zusendung eines Lüftungsprotokolls zum Ausfüllen für die Nutzer 25.11.2016 Lüftungsprotokoll zugeschickt 10.12.2017 Telefonische Anfrage zur Kontrollmessung im Objekt durch „Perspektive Wismar gGmbH“ 12.12.2017 Bestätigung des 19. Dezember 2017 als Termin für die Kontrollmessung in zwei Räumen Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2279 3 Datum Aktivität 16.01.2018 Übermittlung der Ergebnisse der Kontrollmessung 27.03.2018 erste Anfrage per E-Mail durch „Perspektive Wismar gGmbH“ bezüglich Information für Eltern 18.04.2018 zweite Kontrollmessung in Wismar 09.05.2018 Auswertung der zweiten Kontrollmessung per E-Mail 30.05.2018 Informationsveranstaltung für die Eltern, organisiert durch „Perspektive Wismar gGmbH“. Informationen durch Landesamt für Gesundheit und Soziales zur gesundheitlichen Bewertung 3. Bei welchen Messungen wurde Napthalin in der Kita „Seebad Wendorf“ nachgewiesen (bitte die messtechnischen Verfahren nach Auftraggeber und -nehmern, Datum und Messwert sowie Ort der Messung und Lokalisierung aufschlüsseln)? Durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales konnten folgende Daten erhoben werden. Raum Konzentration der Summe der bizyklischen aromatische Kohlenwasserstoffe (Naphthalin + ähnliche) RW I = 0,01; alle Angaben in mg/m³ Probenahmedatum 5 0,015 23.09.2016 3/4 0,013 23.09.2016 2 0,013 23.09.2016 2A 0,010 23.09.2016 5A 0,003 23.09.2016 6 0,003 23.09.2016 3A 0,002 23.09.2016 10 0,002 23.09.2016 7 0,002 23.09.2016 4A 0,003 23.09.2016 1A 0,016 23.09.2016 Büro unten 0,020 23.09.2016 Büro oben 0,007 23.09.2016 8/9 0,003 23.09.2016 10 0,002 19.12.2017 1A 0,016 19.12.2017 3A 0,006 18.04.2018 3/4 0,011 18.04.2018 Drucksache 7/2279 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Zur Gewinnung der Daten wurde folgende Methodik durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales angewandt: Die Probenahme und Bestimmung der Konzentrationen der VOCs (Volatile Organic Compounds - Flüchtige organische Stoffe) in der Raumluft erfolgte entsprechend DIN ISO 16000-6 und VDI 4300 Blatt 6. In ein Tenax-Röhrchen (Doppelbestimmung) wurden mithilfe einer Pumpe (Typ BIVOC2, Firma Holbach) bei einem Volumenstrom von 0,1 Liter pro Minute ein beziehungsweise zwei Liter Raumluft gezogen. Nach Thermodesorption der Probe erfolgte die Analyse mittels gaschromatografischer Methoden (GC-MS) in einem akkreditierten Labor. Für die Untersuchung gelten folgende typische Bestimmungsgrenzen: Typische VOCs 0,001 mg/m³ (siehe Prüfbericht für die einzelnen Substanzen). Die Messungen erfolgten jeweils möglichst mittig im Raum in circa ein Meter Höhe. 4. Welche Ursachen sind für das Auftreten von Naphthalin in der Kita verantwortlich? Eine Fremdfirma führte in der Kita eine Kernbohrung durch. In deren Ergebnis wurden im Bodenaufbau zwei Schichten aus Teerpappe gefunden. Diese stellen eine der typischen Quellen von Belastungen der Raumluft in Innenräumen mit Naphthalin dar. 5. Welcher Bodenbelag wurde in der Kita „Seebad Wendorf“ verlegt (bitte Bodenbelag nach Klassifikation, Zeitpunkt der Verlegung und nach der Zulassung zur Verwendung in Innenräumen sowie dem Emissionsverhalten aufschlüsseln)? Der Landkreis Nordwestmecklenburg wurde diesbezüglich um Auskunft gebeten. Aus der Stellungnahme geht hervor, dass dem Landkreis keine Informationen zur Beschaffenheit des Bodenbelags vorliegen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2279 5 6. Welche Maßnahmen wurden in der Kita eingeleitet, um die Kinder vor toxischen Konzentrationen in der Raumluft zu schützen (bitte Maßnahmen nach Datum aufschlüsseln)? a) Wenn keine Maßnahmen vorgesehen sind, warum nicht? b) Warum hält das LAGUS eine Stoßlüftung als geeignete Maßnahme, um vor der Naphthalinbelastung der Raumluft zu schützen (bitte begründen)? c) Welche gesundheitlichen Vorkommnisse sind aufgrund der Naphthalin-Konzentration aufgetreten (bitte gesundheitliche Symptome nach Anzahl der Kinder aufschlüsseln)? Zu 6 und a) Es gibt keine Hinweise, dass zu einem Zeitpunkt in der Kita toxische Konzentrationen vorlagen. Durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales wurden Maßnahmen empfohlen, um die Belastung der Innenraumluft zu senken. Wann und wie diese durch die Kita eingeleitet und umgesetzt wurden, kann durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales nicht beurteilt werden. Zu b) Entsprechend den Empfehlungen der Veröffentlichungen im Bundesgesundheitsblatt ist dies aufgrund der Befundlage das übliche empfohlene Vorgehen bei Richtwert I-Überschreitungen. Zu c) Es sind keine der Naphthalinbelastung zugeordneten gesundheitlichen Vorkommnisse in der Kita bekannt. 7. Wie viele Kita-Plätze fallen nach Einschätzung des Trägers weg (bitte Anzahl der weggefallenen Kita-Plätze nach Räumen und Zeitraum aufschlüsseln)? 8. Warum hat der zuständige gemeinnützige Träger der Einrichtung, die Perspektive gGmbH aus Wismar, die Eltern nach der erstmaligen Feststellung von Naphthalin nicht informiert beziehungsweise zu der Informationsveranstaltung am 30. Mai 2018 nicht eingeladen? Was waren die wesentlichen Ergebnisse der Informationsveranstaltung ? Drucksache 7/2279 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 9. Welche Informationspolitik legt der Träger zukünftig zugrunde? a) Sind weitere Veranstaltung zu diesem Sachverhalt geplant? b) Wenn nicht, warum plant der Träger keine weitere Veranstaltung? 10. Plant der Träger, das Gutachten den betroffenen Eltern zur Verfügung zu stellen? a) Wenn ja, wie wird es zur Verfügung gestellt? b) Wenn nicht, warum wird der Träger das Gutachten nicht transparent gestalten? Die Fragen 7, 8, 9 und 10 werden zusammenhängend beantwortet. Der Landkreis Nordwestmecklenburg wurde diesbezüglich um Auskunft gebeten. Die Stellungnahme beinhaltet hierzu keine Informationen.