Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 2. August 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2413 7. Wahlperiode 06.08.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Thomas de Jesus Fernandes, Fraktion der AfD Wahlrecht für Menschen unter Betreuung und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung In der Vorbemerkung verweist die Kleine Anfrage auf eine Gesetzesänderung in Brandenburg, nach der es möglich sein soll, dass Menschen unter Betreuung künftig an politischen Wahlen teilnehmen und sich in öffentliche Ämter wählen lassen können. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die in Bezug genommene brandenburgische Gesetzesänderung entgegen der Darstellung in der Vorbemerkung ausdrücklich nur auf das aktive Wahlrecht , nicht aber auf das passive Wahlrecht bezieht. In Brandenburg sind Menschen, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, also künftig nicht mehr daran gehindert, bei Wahlen zum Landtag und zu Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben (aktives Wahlrecht ). Wählbar zum Landtag und zu Kommunalwahlen (passives Wahlrecht) sind sie allerdings auch in Brandenburg nicht, da der Wahlrechtsausschluss insoweit bestehen bleibt. In Brandenburg können künftig auch diejenigen Menschen an politischen Wahlen teilnehmen, und sich in öffentliche Ämter wählen lassen, die ihren Alltag nicht alleine bewältigen können und bisher vom Wahlrecht ausgeschlossen waren (EPD - Brandenburg führt Wahlrecht für Menschen unter Betreuung ein https://www.epd.de/landesdienst/landesdienst-ost/schwerpunktartikel /brandenburg-führt-wahlrecht-für-menschen-unter-betr Abgerufen am 2. Juli 2018). Drucksache 7/2413 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 1. Wie viele Menschen werden in Mecklenburg-Vorpommern betreut? Wie hat sich die Anzahl der zu betreuenden Personen von 2010 bis 2018 entwickelt (bitte aufschlüsseln nach Landkreisen, kreisfreien Städten und Jahr)? Die im Geschäftsbereich des Justizministeriums geführte Statistik über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (GÜ) erfasst die Verfahren zur Bestellung einer Betreuung für jedes Amtsgericht. Eine Erfassung der Anzahl der zu betreuenden Personen sowie eine Aufschlüsselung nach Landkreisen und kreisfreien Städten sieht die Statistik nicht vor. In der nachfolgenden Übersicht wird der jeweils am Ende des Jahres vorhandene Bestand an Betreuungsverfahren für die Jahre 2010 bis 2017 je Amtsgericht ausgewiesen. Bei der Statistik handelt es sich um eine Jahresstatistik. Daher liegen für 2018 noch keine aktuellen Zahlen vor. Erhebungsstichtag 31.12.2010 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 AG Demmin (Aufhebung 28.09.15) 2.529 2.526 2.494 2.531 AG Neubrandenburg 2.571 2.202 2.271 2.138 AG Neustrelitz (Aufhebung 02.02.15) 1.115 1.156 1.132 1.009 AG Pasewalk 939 964 920 878 AG Ueckermünde (Aufhebung 01.12.14) 1.168 1.205 1.251 1.269 AG Waren (Müritz) 1.496 1.627 1.639 1.740 9.818 9.680 9.707 9.565 AG Anklam (Aufhebung 06.10.14) 1.287 1.339 1.381 1.387 AG Bergen auf Rügen (Aufhebung 23.11.15) 1.361 1.488 1.382 1.351 AG Greifswald 2.383 2.243 2.192 2.330 AG Ribnitz-Damgarten (Aufhebung 27.02.17) 1.047 1.114 1.170 1.177 AG Stralsund 1.953 2.027 2.012 2.061 AG Wolgast (Aufhebung 31.08.15) 688 709 702 648 8.719 8.920 8.839 8.954 AG Bad Doberan (Aufhebung 11.05.15) 1.048 1.093 1.147 1.142 AG Güstrow 2.569 2.699 2.928 2.890 AG Rostock 3.367 3.433 3.621 3.476 6.984 7.225 7.696 7.508 AG Grevesmühlen (Aufhebung 13.07.15) 912 966 973 971 AG Hagenow (Aufhebung 16.03.15) 1.019 1.072 1.096 1.106 AG Ludwigslust 1.548 1.460 1.603 1.498 AG Parchim (Aufhebung 11.05.15) 1.574 1.655 1.654 1.690 AG Schwerin 2.132 2.180 2.109 2.169 AG Wismar 1.362 1.399 1.542 1.767 8.547 8.732 8.977 9.201 am Stichtag anhängige Betreuungsverfahren 34.068 34.557 35.219 35.228 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2413 3 Erhebungsstichtag 31.12.2014 31.12.2015 AG Demmin (Aufhebung 28.09.15) 2.436 - AG Neubrandenburg 2.365 4.735 AG Neustrelitz (Aufhebung 02.02.15) 928 - AG Pasewalk 2.963 3.002 AG Ueckermünde (Aufhebung 01.12.14) - - AG Waren (Müritz) 1.514 2.016 10.206 9.753 AG Anklam (Aufhebung 06.10.14) - - AG Bergen auf Rügen (Aufhebung 23.11.15) 1.312 - AG Greifswald 2.830 3.852 AG Ribnitz-Damgarten (Aufhebung 27.02.17) 1.171 1.128 AG Stralsund 2.004 3.245 AG Wolgast (Aufhebung 31.08.15) 694 - 8.011 8.225 AG Bad Doberan (Aufhebung 11.05.2015) 1.127 - AG Güstrow 2.906 2.988 AG Rostock 3.528 4.783 7.561 7.771 AG Grevesmühlen (Aufhebung 13.07.15) 1.036 - AG Hagenow (Aufhebung 16.03.15) 1.114 - AG Ludwigslust 1.360 4.327 AG Parchim (Aufhebung 11.05.15) 1.701 - AG Schwerin 2.383 2.328 AG Wismar 1.693 2.877 9.287 9.532 am Stichtag anhängige Betreuungsverfahren 35.065 35.281 Erhebungsstichtag 31.12.2016 01.01.2017 * 31.12.2017 AG Demmin (Aufhebung 28.09.15) - - - AG Neubrandenburg 4.234 4.156 4.071 AG Neustrelitz (Aufhebung 02.02.15) - - - AG Pasewalk 2.942 2.879 2.877 AG Ueckermünde (Aufhebung 01.12.14) - - - AG Waren (Müritz) 2.350 2.350 2.366 9.526 9.385 9.314 AG Anklam (Aufhebung 06.10.14) - - - AG Bergen auf Rügen (Aufhebung 23.11.15) - - - AG Greifswald 3.754 3.400 3.334 AG Ribnitz-Damgarten (Aufhebung 27.02.17) 1.041 - - AG Stralsund 3.139 4.159 4.212 AG Wolgast (Aufhebung 31.08.15) - - - 7.934 7.559 7.546 Drucksache 7/2413 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Erhebungsstichtag 31.12.2016 01.01.2017* 31.12.2017 AG Bad Doberan (Aufhebung 11.05.2015) - - - AG Güstrow 3.016 3.016 3.132 AG Rostock 4.663 4.663 4.567 7.679 7.679 7.699 AG Grevesmühlen (Aufhebung 13.07.15) - - - AG Hagenow (Aufhebung 16.03.15) - - - AG Ludwigslust 4.422 4.422 4.573 AG Parchim (Aufhebung 11.05.15) - - - AG Schwerin 2.314 2.143 2.317 AG Wismar 3.022 3.022 2.839 9.758 9.587 9.729 am Stichtag anhängige Betreuungsverfahren 34.897* 34.210* 34.288 * aufgrund der Fachverfahrensumstellung wurde der Endbestand zum Ende des Jahres 2016 von 34.897 Verfahren zum Anfang des Jahres 2017 auf 34.210 Verfahren korrigiert. AG = Amtsgericht 2. Wie viele vom Staat anerkannte Betreuungsvereine gibt es? Welche davon werden öffentlich gefördert (bitte aufschlüsseln nach Namen, Landkreisen und kreisfreien Städten)? Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern 33 anerkannte Betreuungsvereine. Auskunft zu anerkannten Betreuungsvereinen, die zugleich durch das Land gefördert werden, gibt unter Angabe des Namens des geförderten Betreuungsvereins und aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten nachstehende Übersicht (Stand: Januar 2018). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2413 5 Vom Land geförderte, anerkannte Betreuungsvereine: Name des Betreuungsvereins Landkreis/kreisfreie Stadt 1 Betreuungsverein „Neues Ufer“ e. V. Landeshauptstadt Schwerin 2 Betreuungsverein „St. Anna“ Landeshauptstadt Schwerin 3 Betreuungsverein St. Vinzenz Hansestadt Rostock 4 Betreuungsverein Solid e. V. Hansestadt Rostock 5 Betreuungsverein „Christophorus“ e. V. Vorpommern-Greifswald 6 Betreuungsverein Humanitas e. V. Vorpommern-Greifswald 7 Betreuungsverein „Füreinander Uecker-Randow“ e. V. Vorpommern-Greifswald 8 Betreuungsverein Wismar Nordwestmecklenburg 9 „Betreuungs-Verein für Erwachsenenhilfe“ e. V. Mecklenburgische Seenplatte 10 Betreuungsverein „St. Franziskus“ Mecklenburgische Seenplatte 11 Betreuungsverein „Perspektive e. V.“ Mecklenburgische Seenplatte 12 Betreuungsverein des Regionalverbandes der AWO Demmin e. V. Mecklenburgische Seenplatte 13 Betreuungsverein Stadtverband Neubrandenburg Mecklenburgische Seenplatte 14 Betreuungsverein „St. Franziskus“ Landkreis Rostock 15 Betreuungsverein „Miteinander e. V.“ Landkreis Rostock 16 Betreuungsverein „Für den Anderen“ Vorpommern-Rügen 17 Betreuungsverein „Jugendfreizeit“ e. V. Vorpommern-Rügen 18 Betreuungsverein der Volkssolidarität Ribnitz- Damgarten Vorpommern-Rügen 19 „LOCANDA“ e. V. Verein für Beratung und Förderung Vorpommern-Rügen 20 Betreuungsverein „Südwest Mecklenburg“ e. V. Ludwigslust-Parchim 3. Plant die Landesregierung, ähnlich wie in Brandenburg, die Einführung des Wahlrechts für Menschen unter Betreuung? a) Wenn ja, wann soll es zu einer dahingehenden Änderung des Wahlrechts kommen? b) Wenn nicht, warum soll es keine Einführung des Wahlrechts für Menschen unter Betreuung geben? Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Landesregierung ist seit geraumer Zeit mit dem Ausschluss vom aktiven Wahlrecht von Menschen, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, befasst. Sie hält in dieser Frage ein einheitliches Verfahren auf Bundes- und Landesebene für unabdingbar. Unterschiedliche Regelungen zum aktiven Wahlrecht im Europawahlgesetz und im Bundeswahlgesetz einerseits und im Landes- und Kommunalwahlgesetz andererseits sind zu vermeiden . Dies ist vor allem im Hinblick auf die in Mecklenburg-Vorpommern traditionell mit der Europawahl verbundenen Kommunalwahlen von Bedeutung. Drucksache 7/2413 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Die bereits zur Landtagswahl 2016 vorgesehene Überprüfung des § 5 Nummer 2 des Landesund Kommunalwahlgesetzes ist noch nicht erfolgt, da das Ergebnis einer Studie auf Bundesebene zu diesem Thema abgewartet werden sollte. Die Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht für Menschen mit Behinderung ist 2016 mit entsprechenden Handlungsempfehlungen abgeschlossen worden (http://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/Forschungsberichte /Forschungsberichte-Teilhabe/fb470-wahlrecht.html). Der Bund hat aber bisher keinen Vorschlag für eine Änderung des Bundeswahlrechtes vorgelegt . Es steht noch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in dem gegen den abweisenden Beschluss des Deutschen Bundestages anhängigen Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde 2 BvC 62/14 aus, welche der Bund in seine Überlegungen einbeziehen will. Sobald der Bund einen Vorschlag für eine Änderung des Bundeswahlrechtes vorlegt, wird das zuständige Ministerium für Inneres und Europa dessen Eignung für eine Übernahme in das Landesund Kommunalwahlgesetz prüfen. 4. Welche Maßnahmen wurden bisher umgesetzt, um Mecklenburg- Vorpommern für Menschen unter Betreuung attraktiver werden zu lassen (bitte aufschlüsseln nach Namen, Förderungshöhe für die Maßnahmen , Landkreisen und kreisfreien Städten)? Wie evaluiert die Landesregierung die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen ? 5. Was plant die Landesregierung weiterhin, um Mecklenburg- Vorpommern für Menschen unter Betreuung attraktiver werden zu lassen? Die Fragen 4 und 5 werden zusammenhängend beantwortet. Den Antworten auf die Fragen 4 und 5 wird vorangestellt, dass diese dahingehend verstanden werden, dass sie sich auf die Steigerung der „Attraktivität“ der rechtlichen Betreuung beziehen (§§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB). Dieses Instrument der Rechtsfürsorge betrifft Volljährige, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können und deshalb eine rechtliche Betreuung mit grundrechtseinschränkender Wirkung gerichtlich angeordnet ist. Vor diesem Hintergrund und unter Zugrundelegung dieses Verständnisses erachtet die Landesregierung das Merkmal „Attraktivität“ als Bewertungsmaßstab für missverständlich. Da die rechtliche Betreuung als Handlungsinstrument ultima ratio im Verhältnis zu anderen insbesondere sozialrechtlichen Hilfen ist, ist der Fokus der Landesregierung sowohl auf die Qualitätswahrung dieses Rechtsinstitutes als auch auf alternative betreuungsvermeidende Hilfen ausgerichtet. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2413 7 Beispielhaft sind die von der Landesregierung unterstützten Beratungsangebote der anerkannten Betreuungsvereine in Mecklenburg-Vorpommern zu benennen, die in besonderer Weise auf eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechtes und der Eigenständigkeit von hilfe- und unterstützungsbedürftigen Menschen, der Schulung und Begleitung im Bereich der ehrenamtlichen Betreuung sowie auf die Vermeidung einer rechtlichen Betreuung ausgerichtet sind. Letzteres betrifft insbesondere die von den Betreuungsvereinen und den örtlichen Betreuungsbehörden durchgeführten Beratungen zu Vorsorgevollmachten. In Bezug auf die gerichtlichen Betreuungsverfahren obliegen aber auch den Amtsgerichten Aufsichts- und Beratungsfunktionen . Das Thema rechtliche Betreuung und Vorsorgevollmacht ist zudem Gegenstand laufender Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung. Zielstellung einer allgemeinen Betreuung im weiteren Sinne, die von einer rechtlichen Betreuung zu unterscheidenden ist, ist es, das grundrechtlich und durch die UN-Behindertenkonvention abgesicherte Selbstbestimmungsrecht hilfe- und allgemeiner Betreuung bedürftiger Personen zu stärken und diese zu befähigen, eigenständig die ihnen rechtlich zustehenden sozialrechtlichen Hilfen durch Beratung und - gegebenenfalls auch - Unterstützung geltend zu machen. Dabei nimmt die Landesregierung bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten, Programmen, Projekten und sonstigen Maßnahmen im Bereich der allgemeinen Betreuung eine Gesamtbetrachtung aller die allgemeine Betreuung bestimmenden Gegebenheiten und Faktoren unter gleichzeitiger Berücksichtigung der landesspezifischen Rahmenbedingungen und Gegebenheiten in Mecklenburg-Vorpommern vor. Im Sinne allgemeiner Beratungsangebote ist exemplarisch auf die Vorhaltung von Beratungsangeboten für Menschen mit Beratungs- und Unterstützungsbedarfen hinzuweisen. Auch zu berücksichtigen sind etwa die veranschlagten Leistungen der Sozial- und der Eingliederungshilfe als eine Hilfe der Gemeinschaft für Personen, die sich nicht selbst helfen und auch nicht auf andere Unterstützung zählen können. Als besondere Sozialleistung sollen Leistungen der Eingliederungshilfe Menschen mit einer Behinderung oder von Behinderung bedrohten Menschen helfen, die Folgen ihrer Behinderung zu mildern, sich in die Gesellschaft einzugliedern und sie soweit wie möglich zu einem weitgehend selbständigen Leben befähigen. In den vorgenannten Bereichen lassen sich die Fragen nach bisher umgesetzten und zukünftig geplanten Maßnahmen der Landesregierung in Bezug auf die Steigerung der Attraktivität rechtlicher Betreuung nicht anhand von Einzelmaßnahmen beantworten. In diesem Sinne findet auch keine Evaluierung statt.