Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. August 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2433 7. Wahlperiode 15.08.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE Straßenausbaubeiträge und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie definiert die Landesregierung jeweils die in § 8 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes gebrauchten Begriffe „Verbesserung“, „Erweiterung“ und „Erneuerung … der notwendigen öffentlichen Straßen, Wege und Plätze“? Eine straßenbauliche Maßnahme ist dann eine Verbesserung im Sinne des § 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG M-V), wenn die Anlage unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten besser wird, als sie nach ihrer (erstmaligen) Herstellung war. Der Zustand der Straße muss sich nach der Maßnahme gegenüber dem ursprünglichen Zustand hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung, der funktionalen Aufteilung der Fläche oder der Art der Befestigung unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten vorteilhaft unterscheiden. Maßgeblich ist, dass der Verkehr zügiger, geordneter, gefahrloser, unbehinderter, sicherer oder reibungsloser abgewickelt werden kann als vorher. Eine Verbesserung liegt vor, wenn sich die Nutzbarkeit der Straße im Hinblick auf die ihr zugewiesene Funktion bei objektiver Betrachtung positiv entwickelt hat beziehungsweise wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat. Eine beitragsfähige Verbesserung kann vorliegen bei einer erweiterten funktionalen Aufteilung der Verkehrsanlage , bei einer den Verkehrsbedürfnissen mehr entsprechenden Befestigungsart und bei einer größeren räumlichen Ausdehnung. Die Erweiterung ist ein Unterfall der Verbesserung, bei der zusätzliche, vorher nicht der Straße dienende Flächen in Anspruch genommen werden. Drucksache 7/2433 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Bei der Erneuerung wird eine - nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer - tatsächlich abgenutzte Straße durch eine neue Straße in gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart ersetzt. Die Erneuerung ist demnach eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Anlage in einen im Wesentlichen der ursprünglichen Anlage vergleichbaren Zustand versetzt wird. Mit Blick auf die Fortentwicklung der Straßenbaukunst und die Verfügbarkeit besserer Materialien geht mit einer Erneuerung einer vor mehreren Jahrzehnten hergestellten Straße regelmäßig eine technische Verbesserung einher, sodass sich die Tatbestände „Erneuerung“ und „Verbesserung“ nicht klar voneinander abgrenzen lassen, sondern ineinanderfließen. 2. Wie grenzen sich die in Frage 1 genannten Begriffe von dem Begriff „Instandhaltung“ ab? Die beitragspflichtige Erneuerung verlangt eine (vollständige) Wiederherstellung der vorhandenen (Teil-)Einrichtung oder „ihrer Teile mit gewisser Selbstständigkeit“ und geht somit vom Umfang her über die Instandsetzung und bauliche Unterhaltung (Instandhaltung) hinaus, die der Beseitigung kleinerer oder begrenzter Schäden dienen. Instandhaltung (bauliche Unterhaltung ), Instandsetzung und Erneuerung stehen in einem ansteigenden Stufenverhältnis des Umfanges und der Intensität der Baumaßnahme, wobei nur die Letzte beitragsfähig ist. Die Instandsetzung leistet vom Ausmaß her mehr als die Instandhaltung (bauliche Unterhaltung) und weniger als die Erneuerung. Hinsichtlich der Fahrbahn kann eine Instandsetzung darin bestehen, auf zusammenhängenden Flächen die Oberfläche zu behandeln oder die Deckschicht in der Regel in Fahrbahnbreite zu ersetzen. Als Instandhaltung werden bauliche Maßnahmen kleineren Umfangs zur Substanzerhaltung von Verkehrsflächen bezeichnet, die in der Regel sofort nach dem Auftreten eines örtlich begrenzten Schadens von Hand oder maschinell ausgeführt werden (zum Beispiel das Verfüllen von Schlaglöchern oder Rissen). 3. Welche Möglichkeiten haben Anlieger, sich vor „vernachlässigter Instandhaltung“ zu schützen, um nicht späterhin so entstandene Folgekosten im Wege ihnen auferlegter Straßenausbaubeiträge zahlen zu müssen? Eine Erneuerung ist grundsätzlich nur beitragsfähig, sofern sie nach einer durch die bestimmungsgemäße Benutzung der Anlage verursachten Abnutzung erfolgt, das heißt, wenn die normale „Lebensdauer“ der betreffenden Teileinrichtung abgelaufen ist und sie durch ihre bestimmungsgemäße Nutzung abgenutzt ist. Eine Straße darf somit nicht zulasten der Grundstückseigentümer erneuert werden, solange eine laufende Unterhaltung und Instandsetzung das nach Lage der Dinge gebotene Mittel sind. Im Falle des Ablaufes der üblichen Nutzungszeit und tatsächlich eingetretener Abgenutztheit haben allerdings selbst eine unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung keine eigenständige Bedeutung. Ist die Straße tatsächlich abgenutzt und die übliche Nutzungszeit abgelaufen, ist ihre vollständige Erneuerung ohne Rücksicht darauf sachgerecht‚ ob die Gemeinde die Straße ordnungsgemäß unterhalten hat oder nicht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2433 3 Selbst wenn die Gemeinde die erforderlichen Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit nicht durchgeführt haben sollte, so wäre dies nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit mithin belanglos. Die Nutzungsdauer von Straßen ist - auch bei regelmäßig durchgeführten Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten - nur begrenzt, sodass sich irgendwann bei jeder gemeindlichen Straße die Frage nach einer beitragsfähigen Erneuerungsmaßnahme stellt. 4. Von welcher Qualität müssen die öffentlich ausgewiesenen Erläuterungen zur Kostenberechnung für Bauvorhaben sein, die im Zuge von Bauvorhaben der Kommunen zu Straßenausbaubeiträgen führen? Die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen unterliegt bei Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges der gerichtlichen Kontrolle. Dies verlangt, dass die Beitragsheranziehung sich auf eine Beitragskalkulation stützen lässt, die wiederum eine vollständige und nachvollziehbare Ermittlung der beitragsfähigen Kosten beinhaltet. 5. Was versteht die Landesregierung hinsichtlich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen unter dem in § 7 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes gebrauchten Begriff „bevorteiltes Grundstück“? Woran wird insbesondere der Vorteil gesehen? Für den durch eine Straßenbaumaßnahme ausgelösten grundstücksbezogenen Sondervorteil sind zwei Merkmale entscheidend: zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Ortsstraße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit gleichzustellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist; zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Den Eigentümern von Flächen, bei denen beide Voraussetzungen vorliegen, kommt der Straßenausbau in einer Weise zugute, die sie aus dem Kreis der sonstigen Straßenbenutzer heraushebt. Dieser landesrechtliche Sondervorteil legt insoweit eine rechtliche Verwandtschaft mit dem bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht nahe, als auch im Erschließungsbeitragsrecht der beitragsrelevante Sondervorteil letztlich in der Möglichkeit wurzelt, vom eigenen Grundstück aus - und nicht nur als Teilnehmer am allgemeinen Verkehr - die abgerechnete Anbaustraße in Anspruch nehmen zu können. Drucksache 7/2433 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. In welcher Weise wird im Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen berücksichtigt, wenn Grundstückseigentümer in Eigenleistung Auffahrten, Gehwegplatten und Teilstücke von Straßen geschaffen haben? Für von Grundstückseigentümern in Eigenleistung erbrachte Arbeiten an einer öffentlichen Straße (zum Beispiel im Bereich des Gehweges) ist eine Beitragserhebung ausgeschlossen, da der Gemeinde insoweit kein beitragsfähiger Aufwand entsteht. Haben Grundstückseigentümer in der Vergangenheit Eigenleistungen an einer öffentlichen Straße erbracht, die aktuell insgesamt (auf ganzer Länge und mit allen Teileinrichtungen) Gegenstand einer beitragsfähigen Erneuerung ist, bleibt kein Raum für eine beitragsmindernde „Anrechnung“ der in der Vergangenheit erbrachten Eigenleistungen auf die aktuelle Beitragsforderung . Eine derartige Aufrechnung einer konkret entstandenen Beitragspflicht mit Kostenforderungen des Beitragspflichtigen ist nur möglich bei unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen. Dies trifft auf die in Rede stehenden Eigenleistungen nicht zu. Im Übrigen können in einer Beitragskalkulation, die Voraussetzung ist für eine Beitragsheranziehung und die sich auf eine aktuell durchgeführte beitragsfähige Straßenbaumaßnahme bezieht, ausschließlich die durch diese Baumaßnahme entstandenen Kosten berücksichtigt werden. Eine Beitragsheranziehung geht somit immer auf die konkret für eine bestimmte Straßenbaumaßnahme entstandenen Kosten zurück. Eine Einbeziehung von Kosten oder Leistungen, die irgendwann einmal für diese Straße erbracht wurden, kann deshalb für aktuelle beitragsfähige Straßenbaumaßnahmen nicht in Betracht kommen. 7. Inwiefern wird im Zuge der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen berücksichtigt, dass durch ein Aufsuchen von öffentlich stark frequentierten Einrichtungen der beanspruchten Straße ein höherer Abnutzungsgrad zu verzeichnen ist, infolgedessen die Erneuerung der Straße in kürzeren Intervallen erfolgen muss? § 7 Absatz 1 Satz 3 KAG M-V verlangt, dass die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind. Das heißt innerhalb der Gruppe der durch eine Straße bevorteilten Grundstücke hat die Beitragsbemessung nach dem Ausmaß der zu erwartenden (wahrscheinlichen) Inanspruchnahme der Anlage zu differenzieren. Die durch eine Straßenbaumaßnahme ausgelösten Vorteile können aufgrund ihrer Grundstücksbezogenheit auch nur mit Hilfe grundstücksbezogener Verteilungsmaßstäbe bestimmt werden. Ein Verteilungsmaßstab ist vorteilsgerecht, wenn er gewährleistet, dass die Höhe des anteilig vom Grundstückseigentümer zu übernehmenden Aufwandes dem Ausmaß der Vorteile entspricht, die sein Grundstück im Verhältnis zu den anderen bevorteilten Grundstücken hat. Der Maßstab muss so beschaffen sein, dass auf diejenigen Grundstücke, die verhältnismäßig große Vorteile haben, entsprechend hohe Beiträge entfallen, während die Eigentümer der Grundstücke mit nur geringen Vorteilen relativ niedrige Beiträge zahlen. Der Vorteil liegt dabei in der Möglichkeit, die ausgebaute Verkehrsanlage in Anspruch zu nehmen. Auf Grundstücksnutzungen, die einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auslösen, muss demnach ein entsprechend höherer Beitrag entfallen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2433 5 Anerkannte Anknüpfungspunkte für die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahmemöglichkeit einer ausgebauten Anlage sind die Art und der Umfang der zugelassenen baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, die in der satzungsrechtlichen Praxis häufig mit Hilfe des sogenannten Vollgeschossmaßstabes abgebildet werden. Der satzungsrechtliche Vollgeschossmaßstab , wonach sich die Beitragshöhe nach der Grundstücksgröße, der Nutzungsart und nach der Zahl der Vollgeschosse berechnet, ist sowohl für das Erschließungsbeitragsrecht als auch für das Ausbaubeitragsrecht sachlich gerechtfertigt und ein geeignetes, den gesetzlichen Vorgaben genügendes Instrument bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes. Der als Bestandteil des Verteilungsmaßstabes zu regelnde Artzuschlag resultiert aus dem dem Vorteilsprinzip innewohnenden Differenzierungsgebot. Er trägt den Verschiedenheiten in der Art der baulichen oder sonst beitragserheblichen Nutzung Rechnung. Gewerbliche und dem Gewerbe vergleichbare Nutzungsarten schöpfen regelmäßig aufgrund des durch sie typischerweise verursachten verstärkten Ziel- und Quellverkehrs aus einer Straße einen größeren Vorteil als eine Wohnnutzung. Von dem Begriff „Gewerbe“ im Sinne einer grundstücksbezogenen Artzuschlagsbestimmung werden über die gewerbliche Nutzung im Sinne des Gewerbe- und Gewerbesteuerrechts hinaus auch solche Nutzungen erfasst, die der gewerblichen Nutzung im engeren Sinne darin ähnlich sind, dass sie wie diese eine im Vergleich zur Wohnnutzung deutlich intensivere Inanspruchnahme der Anbaustraßen auslösen. Demnach gewährleistet insbesondere die satzungsrechtliche Artzuschlagsregelung, dass Grundstücksnutzungen, denen ein erhöhter Ziel- und Quellverkehr zuzurechnen ist, einen entsprechend höheren Anteil an den beitragsfähigen Kosten zu übernehmen haben.