Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. September 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2531 7. Wahlperiode 14.09.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Simone Oldenburg, Fraktion DIE LINKE Nachteilsausgleich bei Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsstörungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie erklärt die Landesregierung, dass bei Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen im zieldifferenten gemeinsamen Unterricht folgender Vermerk auf den Zeugnissen enthalten ist: „Die Schülerin/der Schüler wurde sonderpädagogisch gefördert und hat die Anforderungen des Rahmenplans in folgenden Unterrichtsfächern … nicht erfüllt.“, aber die Verwaltungsvorschrift zur „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder im Rechnen“ in Punkt 6.2 besagt, „Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs ist in den Zeugnissen nicht zu vermerken.“? 2. Wie begründet die Landesregierung die unterschiedlichen Verfahren, die in Frage 1 dargestellt worden sind? Die Fragen 1 und 2 werden zusammenhängend beantwortet. Im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts werden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen oder geistige Entwicklung in einzelnen oder in allen Unterrichtsfächern zieldifferent unterrichtet. Diese Schülerinnen und Schüler arbeiten aufgrund ihrer intellektuell eingeschränkten Möglichkeiten mit individuellen Lernzielen am gleichen Unterrichtsgegenstand wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Drucksache 7/2531 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Sie müssen und können jedoch nicht die gleichen Lernziele und Lernergebnisse erreichen wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Im Vordergrund des Unterrichts stehen die gemeinsamen Lernerfahrungen. Dies wird durch Maßnahmen der Binnendifferenzierung sowie der äußeren Differenzierung auf der Grundlage eines individuellen Förderplanes unter Anwendung des Rahmenplanes für den Förderschwerpunkt Lernen beziehungsweise geistige Entwicklung gewährleistet. Die Schülerinnen und Schüler erhalten im Sinne der Zeugnisklarheit und -wahrheit einen Zeugnisvermerk, der darauf hinweist, dass in den benannten Unterrichtsfächern bestimmte Leistungen unter Anwendung des Rahmenplanes für den Förderschwerpunkt Lernen beziehungsweise geistige Entwicklung erreicht wurden. Der vollständige Zeugnisvermerk lautet wie folgt: „Die Schülerin/Der Schüler wurde sonderpädagogisch gefördert und hat die Anforderungen des Rahmenplanes in folgenden Unterrichtsfächern nicht erfüllt: *. Sie/Er ist hier nach den Regelungen der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung unterrichtet und bewertet worden. Es erfolgte eine zieldifferente Beschulung im Gemeinsamen Unterricht.“ *. Hier sind die jeweiligen Unterrichtsfächer aufzuführen. Der Nachteilsausgleich dagegen dient der Kompensation der durch eine Beeinträchtigung entstehenden Nachteile und stellt keine Bevorzugung der Schülerinnen und Schüler mit pädagogischem oder sonderpädagogischem Förderbedarf gegenüber den Mitschülerinnen und Mitschülern dar. Formen des Nachteilsausgleichs sind zum Beispiel die Gestaltung einer Sitzordnung für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler, sodass sie in die Klasse blicken können (U-Form) beziehungsweise für sehgeschädigte Schülerinnen und Schüler, sodass sie das Tafelbild gut erkennen können (vordere Sitzreihe). Auch die Reduzierung des Schreibaufwandes und stattdessen die Übergabe des Tafelbildes in Kopie ist eine Form des Nachteilsausgleichs für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem oder pädagogischem Förderbedarf. Durch den Nachteilsausgleich sollen möglichst gleiche äußere Bedingungen für die Erbringung der von allen Schülerinnen und Schülern geforderten Leistung sichergestellt werden. Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen werden mittels Nachteilsausgleich in die Lage versetzt, vergleichbar mit allen anderen ihr vorhandenes Leistungsvermögen zu zeigen. Die konkreten Maßnahmen im Einzelfall richten sich nach der Eigenart und Schwere der jeweiligen Beeinträchtigung und sind im individuellen Förderplan festzuschreiben. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich folgt aus dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Chancengleichheit (Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz). Eine Bemerkung, dass ein Nachteilsausgleich gewährt wurde, ist unzulässig und erfolgt daher auf dem Zeugnis nicht. Dies trifft sowohl auf die Gewährung des Nachteilsausgleichs für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf als auch für Schülerinnen und Schüler mit pädagogischem Förderbedarf zu. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2531 3 3. Wie begründet die Landesregierung, dass auf dem Zeugnis ebenfalls nicht erscheint, dass bei einer Schülerin/bei einem Schüler eine LRS/ Dyskalkulie förmlich anerkannt wurde? 4. Wie begründet die Landesregierung, dass auf den Zeugnissen nicht die förmliche Anerkennung einer LRS/Dyskalkulie einer Schülerin/eines Schülers erscheint, aber Punkt 7.4 der Verwaltungsvorschrift „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, im Rechtschreiben oder im Rechnen“ unter „Vermerke“ folgende Formulierung ermöglicht: „Die Rechtschreibleistung ist nicht in der Deutschnote und/oder Englischnote enthalten.“? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Ein Vermerk auf dem Zeugnis zu einer förmlich anerkannten LRS beziehungsweise zu einer festgestellten Dyskalkulie würde dem verfassungsrechtlich verankerten Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung widersprechen (Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz). Ein derartiger Vermerk über den entsprechenden Förderschwerpunkt erscheint somit im Übrigen auch nicht auf dem Zeugnis von Schülerinnen und Schülern mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf, die im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts beschult werden. Lediglich bei Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung ist ein Vermerk auf dem Zeugnis zulässig und erforderlich (siehe hierzu auch die Ausführungen in der Antwort zu den Fragen 1 und 2). Nummer 7.4 der Verwaltungsvorschrift „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen, im Rechtschreiben oder im Rechnen“ vom 20. Mai 2014 lautet: „Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung gemäß Nummer 7.1 sind in den Zeugnissen unter „Vermerke“ zu benennen.“ Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung sind im Rahmen einer begründeten Einzelfallprüfung zulässig, wenn die Leistungen über einen Zeitraum von mindestens einem halben Schuljahr überwiegend mit mangelhaft oder ungenügend beurteilt wurden. Ein vollständiges Aussetzen der Note ist nicht zulässig. Als Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung gelten: a) Verzicht auf eine Bewertung der Lese- und/oder Rechtschreibleistung im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen während der Förderphase unter Anwendung des pädagogischen Ermessensspielraumes, b) stärkere Gewichtung der mündlichen Leistungen im Bereich des Lesens und Rechtschreibens vornehmlich im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen, c) Bewertung der erbrachten Leistung unter dem Aspekt des erreichten individuellen Lernstandes mit pädagogischer Würdigung von Anstrengung und Lernfortschritt, d) individuelle Bewertung von Teilbereichen für einen begrenzten Zeitraum. Drucksache 7/2531 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Jegliche Formen des Abweichens von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsbewertung im Primarbereich und im Sekundarbereich I und II sind durch die Klassenkonferenz unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten beziehungsweise der volljährigen Schülerin oder des volljährigen Schülers jährlich neu zu bestimmen. 5. Wie beurteilt die Landesregierung, dass ungeachtet der Regelungen, die in Frage 1 vermerkt worden sind, auf Zeugnissen folgender Satz erscheint: „… wurde im Fach … zieldifferent unterrichtet.“? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.