Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. September 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2537 7. Wahlperiode 14.09.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Entwicklung des Fahrradtourismus in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurden drei touristische Analysen ausgewertet: Reiseanalyse der FUR: Träger der Reiseanalyse ist die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (FUR). Die Reiseanalyse ist eine deutschlandweite Befragung, die das Urlaubsreiseverhalten der deutschsprachigen Bevölkerung erfasst und beschreibt. Sie wird seit 1970 kontinuierlich jährlich erstellt und beruht auf der Auswertung von 7.500 persönlichen Interviews und 5.000 Online-Befragungen. ADFC-Radreiseanalyse: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) e. V. ist ein Verkehrsclub für Fahrradfahrer. Die Radreiseanalyse ist eine repräsentative Online-Befragung unter 8.700 Bundesbürgern (Gesamtbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren). Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus: Der Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus ist eine deutschlandweite Gästebefragung. Fast 6.000 Übernachtungsgäste (Urlauber und Geschäftsreisende) aus dem In- und Ausland wurden vor Ort (Face-to-Face-Befragung) zu ihrem Aufenthalt in gewerblichen Übernachtungsbetrieben und Privatquartieren befragt. Die Gästebefragung wird durch das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (dwif) durchgeführt. Drucksache 7/2537 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 1. Wie hat sich die Zahl der Kurzreisen (max. 2 Übernachtungen) von Radtouristen in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 bis 2017 entwickelt? Für den Bereich Radtourismus liegen keine empirischen Erhebungen zu Kurzreisen nach Mecklenburg-Vorpommern vor. Grundsätzlich ist laut Reiseanalyse der FUR festzustellen, dass sowohl das Volumen als auch der Marktanteil von Mecklenburg-Vorpommern an den inländischen Kurzreisen (zwei bis vier Tage Dauer) zwischen 2011 und 2017 zugenommen hat. So führten 2011 rund 3,64 Mio. Kurzreisen nach Mecklenburg-Vorpommern (Inlands-Marktanteil: 6,5 %). Sieben Jahre später belief sich das Volumen auf 4,39 Mio. Kurzreisen (Inlands-Marktanteil : 7,5 %). 2. Wie hat sich die Zahl der Reisen von Radtouristen insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 bis 2017 entwickelt? Hinweis: Eine gezielte flächendeckende Befragung von Radreisenden in Mecklenburg- Vorpommern fand in den letzten Jahren nicht statt. Sowohl der Qualitätsmonitor Deutschland- Tourismus als auch die Reiseanalyse der FUR lassen jedoch Rückschlüsse über das Radfahren während des Urlaubes in Mecklenburg-Vorpommern zu. Um Zeitreihen aufzustellen und Entwicklungen zu identifizieren, bedarf es allerdings einer Kontinuität in der Erhebung, die nur die Reiseanalyse der FUR bietet. Radfahren wird dort erst ab 2014 als Urlaubsaktivität erfasst. Als Radtouristen werden im Fortfolgenden diejenigen bezeichnet, die auf ihrer Haupturlaubsreise (ab 5 Tagen) nach Mecklenburg-Vorpommern unter anderem die Aktivität „Fahrradfahren “ sehr häufig oder häufig ausgeübt haben. Laut Reiseanalyse 2018 belief sich dieser Anteil im Jahr 2017 auf 33,7 %, das heißt ein Drittel aller Urlauber, die im Jahr 2017 in Mecklenburg-Vorpommern ihre Haupturlaubsreise verbrachten, sind währenddessen auch mit dem Fahrrad gefahren. Im Jahr 2014 betrug der Anteil dagegen 37,6 %. Aufgrund externer Einflüsse (beispielsweise Wetter) ist hier allerdings nicht zwangsläufig von einem rückläufigen Trend zu sprechen. So waren es im Jahr 2015 zwar mehr als 6 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2015 hat die Urlaubsaktivität „Fahrradfahren“ im Jahr 2017 aber wieder an Beliebtheit gewonnen. Anteil Radtouristen 2014 2015 2016 2017 MV: Urlaubsaktivität „Fahrradfahren“ 37,6 % 31,3 % 32,3 % 33,7 % Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2537 3 3. Wie hat sich der Anteil der Radtouristen ab 18 Jahre an der Gesamtbevölkerung in den Jahren 2011 bis 2017 entwickelt (bitte die Zahlen im Vergleich Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit angeben)? Auch in der Gesamtbevölkerung ist der Anteil laut Reiseanalyse zwischen 2014 und 2017 gesunken. Es zeigt sich allerdings, dass das Thema Radfahren in Mecklenburg-Vorpommern eine größere Rolle auf der Haupturlaubsreise spielt als in den übrigen Destinationen Deutschlands. Anteil Radtouristen 2014 2015 2016 2017 Deutschland (ohne Mecklenburg-Vorpommern) 26,2 % 20,0 % 26,1 % 23,3 % Mecklenburg-Vorpommern-Urlauber (s. o.) 37,6 % 31,3 % 32,3 % 33,7 % 4. Welche Erkenntnisse gibt es bezüglich der Zusammensetzung der Gruppe der Radtouristen (inländisch, ausländisch) in den Jahren 2011 bis 2017 (bitte in Prozent angeben)? Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Daten vor. 5. Welche Altersgruppen dominierten bei den Radtouristen in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 bis 2017? Das Durchschnittsalter der Radtouristen in Mecklenburg-Vorpommern liegt laut Reiseanalyse 2018 bei 45,9 Jahre. Ein eindeutiger Trend ist über die zurückliegenden vier Jahre nicht erkennbar . Jeder vierte Radtourist (25,0 %) ist zwischen 50 und 59 Jahre alt, gefolgt von den 30- bis 39-Jährigen (21,2 %) und 40- bis 49-Jährigen (20,8 %). Durchschnittsalter Radtouristen 2014 2015 2016 2017 Mecklenburg-Vorpommern 47,4 Jahre 46,2 Jahre 48,1 Jahre 45,9 Jahre Drucksache 7/2537 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. Welche Regionen in Mecklenburg-Vorpommern waren in den Jahren 2011 bis 2017 bei Radtouristen besonders beliebt? Die ADFC-Radreiseanalyse fragt die Beliebtheit in Bezug auf Radrouten ab. Dort sind die zumindest teilweise durch Mecklenburg-Vorpommern verlaufenden Routen des Elberadweges und Ostseeküstenradweges in den TOP 10 gelistet. Während der Elberadweg seit Jahren den ersten Platz behauptet, büßt der Ostseeküstenradweg an Beliebtheit ein. War er 2013 noch auf Rang 3 der beliebtesten Radfernwege Deutschlands, so steht er 2017 nur noch auf Platz 8. Eine differenzierte regionale Betrachtung liefert auch der Qualitätsmonitor Deutschland- Tourismus 2015/2016. Im Unterschied zur Reiseanalyse wird hier konkret die Urlaubsart Radfahrurlaub abgefragt. (Hinweis: Für den Qualitätsmonitor liegen allerdings keine durchgehenden Zeitreihen vor, sodass keine Entwicklung aufgezeigt werden kann. Zudem ist ein Vergleich mit Gesamt-Deutschland nicht möglich.) 22 % aller Mecklenburg-Vorpommern-Urlauber bezeichnen ihren Aufenthalt laut Qualitätsmonitor als Radfahrurlaub (Mehrfachnennungen möglich). Die Unterteilung nach Reiseregionen ergibt folgendes Bild: Region Radtouristen Anteil Radurlauber (Mehrfachnennungen möglich) Fischland-Darß-Zingst 37 % Usedom 25 % Mecklenburgische Seenplatte/Schweiz 23 % Vorpommern Festland 23 % Mecklenburgische Ostseeküste 18 % Rügen 18 % Westmecklenburg 13 % Demzufolge ist die Region Fischland-Darß-Zingst als Destination für einen Radurlaub beliebt, gefolgt von Usedom und der Mecklenburgischen Seenplatte/Schweiz sowie dem Festland Vorpommerns. 7. Wie hat sich die durchschnittliche Reisedauer von Radtouristen in Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 bis 2017 entwickelt (bitte die Zahlen im Vergleich Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit angeben)? Hinweis: Die Entwicklung der Reisedauer kann nur anhand von Daten aus der Reiseanalyse aufgezeigt werden. Der Radtourist wird daher hier wieder als Urlauber definiert, der „Fahrradfahren “ häufig oder sehr häufig während seiner Haupturlaubsreise in Mecklenburg- Vorpommern durchgeführt hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2537 5 Radtouristen verweilten laut aktueller Reiseanalyse im Jahr 2017 durchschnittlich 12,5 Tage in Mecklenburg-Vorpommern. Zu beachten ist, dass sich die Angaben auf die Haupturlaubsreise beziehen und daher die Aufenthaltsdauer grundsätzlich größer als in anderen Untersuchungen ausfällt. Sowohl die Entwicklung als auch der Vergleich mit dem übrigen Bundesgebiet zeigen keine großen Auffälligkeiten: Reisedauer Radtouristen 2014 2015 2016 2017 Deutschland (ohne Mecklenburg-Vorpommern) 12,8 Tage 12,6 Tage 12,4 Tage 12,2 Tage Mecklenburg-Vorpommern-Urlauber 12,4 Tage 11,5 Tage 12,4 Tage 12,5 Tage 8. Welche Verkehrsmittel nutzten Radtouristen in Mecklenburg- Vorpommern in den Jahren 2011 bis 2017 für die An- und Abreise (bitte nach Verkehrsmitteln getrennt und in Prozent angeben)? Hinweis: Da weder Entwicklung noch Vergleich zum Bundesgebiet abgefragt werden, ist der Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus aufgrund der größeren Fallzahl und schärferen Abgrenzung von Radtouristen (siehe Frage 6) das geeignete Instrument zur Untersuchung der Anreise-Verkehrsmittel. Eine Gegenüberstellung mit allen befragten MV-Urlaubern zeigt, dass Radtouristen in Mecklenburg-Vorpommern seltener den PKW, den Bus und die Bahn benutzen, dafür häufiger mit Wohnwagen/Wohnmobil oder dem Fahrrad anreisen. Dennoch bleibt der PKW auch für die Anreise der Radtouristen das wichtigste Verkehrsmittel. Verkehrsmittel für Anreise Radtouristen Gesamt PKW 69 % 73 % Motorrad 0 % 1 % Wohnwagen/Wohnmobil 16 % 10 % Bus 1 % 5 % Flugzeug 1 % 0 % Bahn 8 % 10 % Fahrrad 4 % 1 % Schiff/Fähre 0 % 1 % Die Zahl der nach Mecklenburg-Vorpommern per Bahn anreisenden Urlauber liegt erheblich unter dem Bundesdurchschnitt. Die Landesregierung setzt sich deshalb für häufigere Direktverbindungen des Fernverkehrs aus bundesdeutschen Quellmärkten wie Sachsen, Nordrhein- Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ein. Da der Schienenfernverkehr eigenwirtschaftlich betrieben wird, kann das Land das Angebot jedoch nicht Kraft seiner eigenen Bestellungen beeinflussen. Drucksache 7/2537 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Dies gilt ebenso für die von der Deutschen Bahn AG bereitgestellten Kapazitäten für den Transport von Fahrrädern bei der Anreise von Radtouristen mit eigenem Fahrrad. 9. Wie schätzt die Landesregierung die Infrastruktur für Radtouristen (Existenz und Zustand von Radwegen, Anreisemöglichkeiten per Bahn, sichere Abstellmöglichkeiten, Verfügbarkeit von Fahrrad Apps, Angebot an Verleihstationen) im Land Mecklenburg-Vorpommern aktuell ein? Die Infrastruktur für das Radfahren ist seit 1990 im Land erheblich verbessert worden. In Mecklenburg-Vorpommern stehen neun Radfernwege mit etwa 2.300 Kilometern Länge sowie 21 Rundrouten zwischen 100 und 400 Kilometern Länge zur Verfügung. Insgesamt können Radfahrer im Nordosten rund 5.100 Kilometer touristisch ausgeschilderte Radrouten und 1.900 Kilometer straßenbegleitende Radwege des überörtlichen Verkehrs nutzen. Die Landesregierung ist bestrebt, das radtouristische Angebot im Land weiter zu verbessern und wird auch in den kommenden Jahren einen Marketingschwerpunkt beim Radtourismus setzen. Bei Befahrungen von vier Radfernwegen haben der ADFC e. V. und der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. ein differenziertes Bild ermittelt. Während die ganz überwiegenden Streckenanteile unbeanstandet blieben, befindet sich danach im Schnitt ein Fünftel der Wege in einem schlechten Zustand. Ursache sind sowohl echte Lücken im Netz als auch vernachlässigte Radwege. Für Zustand und Erhaltung der Radwege ist der jeweilige Baulastträger verantwortlich. Das Land unterstützt jedoch den Bau von touristischen Radwegen. So wurden im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 13 Vorhaben bewilligt; Fördersumme ca. 10 Mio. EUR. Als herausragende Beispiele sind der Radweg Sassnitz-Königsstuhl mit Gesamtausgaben i. H. v. ca. 3,0 Mio. EUR und der Radfernweg Hamburg-Rügen im Abschnitt Schwerin mit Gesamtausgaben i. H. v. ca. 3,4 Mio. EUR zu nennen. 10. Wie soll sich der Radtourismus nach Auffassung der Landesregierung in den kommenden Jahren entwickeln? Welche Maßnahmen investiver, marketingtechnischer oder anderer Art will die Landesregierung umsetzen? Die weitere Entwicklung des Radtourismus mit seinen steigenden Anforderungen an Ausstattung und Infrastruktur wird in der Landestourismuskonzeption thematisiert. Diese befindet sich derzeit in der Verbandsanhörung. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2537 7 Für die Förderung des Neu- und Ausbaus touristischer Radwege in kommunaler Baulast stehen im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung im Zeitraum von 2017 bis einschließlich 2020 insgesamt 13,0 Millionen Euro zur Verfügung. Darüber hinaus werden auch der Neu- und Ausbau straßenbegleitender Radwege in kommunaler Baulast gefördert. Für diesen Förderzweck stehen seit 2014 jährlich 2,0 Mio. EUR zur Verfügung. Auch diese straßenbegleitenden Radwege können eine touristische Bedeutung haben. Für den Bau von straßenbegleitenden Radwegen an Landesstraßen stehen für die Jahre 2018 bis 2023 insgesamt 29,0 Millionen Euro zur Verfügung. Dieses sind weitgehend Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Mit diesen Mitteln werden die Radwege der Lückenschlussprogramme finanziert. Für die Erhaltung von Radwegen an Landesstraßen stehen pro Jahr 0,9 Millionen Euro zur Verfügung. Für Radwege an Bundesstraßen werden im Jahr 2018 etwa 9,0 Millionen Euro umgesetzt. Ein besonderes Augenmerk wird die Landesregierung auf die festgestellten Mängel bei Bau und Unterhaltung der touristischen Radfernwege richten. Sie wird gemeinsam mit der kommunalen Ebene und den Verbänden die bislang praktizierten Strukturen und Förderinstrumentarien auf Verbesserungsmöglichkeiten überprüfen. Die Einrichtung von kreisübergreifenden Koordinierungsgruppen wird am Beispiel des Radfernweges Berlin - Kopenhagen erprobt.