Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 18. September 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2539 7. Wahlperiode 20.09.2018 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Nikolaus Kramer, Fraktion der AfD Geschlechter in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, hat das Bundeskabinett am 15. August 2018 einen Gesetzentwurf zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben beschlossen. Dieser Gesetzentwurf kann über die Internet-Seite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/ 2018/08/geburtenregister.html) aufgerufen werden. In dem Entwurf wird bereits darauf hingewiesen, dass es weiteren Regelungsbedarf außerhalb des Personenstandsrechts geben wird, soweit Rechtsvorschriften an das somatische (auf den Körper bezogene) Geschlecht anknüpfen. Welche Rechtsbereiche damit in der Folge noch zu ändern sind und welche Auswirkungen dies gegebenenfalls auf das Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern haben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Das Bundeskabinett hat beschlossen, dass künftig die Bezeichnung „divers“ ins Geburtenregister eingetragen werden kann. Ferner heißt es: „Regelungen sowohl für inter- als auch für transsexuelle Personen sollen demnach in einem weiteren Gesetz unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erarbeitet werden (Tagesschau - Drittes Geschlecht soll amtlich werden).“ Drucksache 7/2539 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 1. Welche Gesamtkosten entstehen dem Land Mecklenburg- Vorpommern für die Umstellung von Software, Datenbanken und Dokumenten in Mecklenburg-Vorpommerns Behörden und Verwaltungen ? Dem Land Mecklenburg-Vorpommern können durch die Änderung des Personenstandsrechts Kosten für die Anpassung der Softwarelösungen in den Finanzämtern entstehen. Diese Anpassung erfolgt bundeseinheitlich im Vorhaben KONSENS, an dessen Finanzierung auch Mecklenburg-Vorpommern beteiligt ist. Die Änderungen werden aber, soweit sie nicht ohnehin im Rahmen des Budgets zur Softwarewartung abgedeckt sind, dem Land nur geringe Kosten verursachen. Die Kosten für die Anpassung von vorhandenen Softwarelösungen der kommunalen Fachund Registerverfahren in den Standesämtern können derzeit noch nicht beziffert werden, da die vorgesehene Änderung des Personenstandsgesetzes zunächst noch durch eine nachfolgende Änderung der Personenstandsverordnung zu untersetzen sein wird. Die Änderungen in der Software der Meldebehörden werden, soweit sie nicht ohnehin durch Verträge zur Softwarewartung abgedeckt sind, den Kommunen nur geringe Kosten verursachen. 2. Welche Geschlechter gibt es für die Landesregierung und seine einzelnen Ministerien? Welche Geschlechter werden bei künftigen Personalakten und Ausschreibungen in den einzelnen Ministerien verwendet? Die Landesregierung und die einzelnen Ministerien werden sich in dieser Frage wie bisher auch an das geltende Recht halten. 3. Was unterscheidet eine Person mit dem Eintrag „divers“ von einer männlichen Person? Was unterscheidet eine Person mit dem Eintrag „divers“ von einer weiblichen Person? Die Fragen werden zusammenhängend beantwortet. Der Eintrag „divers“ ist ausweislich des in der Vorbemerkung genannten Gesetzentwurfs der Bundesregierung für intersexuelle Menschen vorgesehen. Dieser Begriff beschreibt Menschen, deren Ausprägung der Geschlechtsmerkmale (also Chromosomen, Keimdrüsen, Hormone sowie die äußeren Geschlechtsorgane) nicht eindeutig ist. Bei Intersexuellen kommen gleichzeitig weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2539 3 Der Begriff bezieht sich damit auf angeborene Varianten der Geschlechtsentwicklung. Personen, die als männlich beziehungsweise als weiblich angesehen werden, weisen dagegen eine eindeutig männliche beziehungsweise weibliche Ausprägung der Geschlechtsmerkmale auf. 4. Welche Bedingungen muss ein Neugeborenes erfüllen, um als „divers“ ins Geburtenregister eingetragen werden zu können? Kann ein Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht offensichtlich zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall bislang ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen (§ 22 Abs. 3 PStG). Diese Kinder können zukünftig auch mit dem Eintrag „divers“ in das Geburtenregister eingetragen werden. Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist nachzuweisen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. 5. Liegen der Landesregierung wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass eine Kategorisierung von Kleinkindern in „divers“ Vorteile mit sich bringt? Könnte dies Nachteile für die Entwicklung des Kindes haben? Die Landesregierung geht mit dem Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 10. Oktober 2017 -1 BvR 2019/16-) davon aus, dass die geschlechtliche Identität als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dann zu schützen ist, wenn eine Person sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lässt, und dass es für diese Person einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt. Die Einführung einer dritten Geschlechtsbezeichnung, wie die Bundesregierung sie mit „divers“ in ihrem Gesetzentwurf vorsieht, ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet: Der Landesregierung liegen insbesondere die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 10. Oktober 2017 -1 BvR 2019/16-, Randziffern 5 und 9) genannten Stellungnahmen des Deutschen Ethikrats vom Februar 2012 und der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2015 vor. Die Landesregierung geht darauf aufbauend davon aus, dass die rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung der eigenen geschlechtlichen Existenz und Identität eine wesentliche Voraussetzung für die Fähigkeit zur Entwicklung eines gesunden Selbst- und Verantwortungsgefühls darstellt. Da der Gesetzentwurf der Bundesregierung für intersexuelle Personen keinen Zwang zur Eintragung als divers enthält, sind aus dieser Rechtslage Nachteile für die Entwicklung intersexueller Kinder nicht zu erwarten. Drucksache 7/2539 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. Sind neben Frauenquoten derzeit auch Quoten für Personen mit dem Eintrag „divers“ oder andere Bezeichnungen vorhergesehen? Wenn ja, welche Ministerien haben oder planen Quoten aufgrund eines etwaigen Geschlechts? Die Landesregierung plant derzeit nicht Quoten für Personen vorzusehen, die künftig im Personenstandsregister als divers verzeichnet sein werden. 7. Wie viele intersexuelle Personen leben in Mecklenburg-Vorpommern? a) Welche Abschätzungen liegen der Landesregierung vor, über den Wunsch dieser Personen Dokumente ändern zu lassen? b) Wie viele Intersexuelle sind nicht an einer Änderung des formal eingetragenen Geschlechts in Dokumenten interessiert? Wie viele intersexuelle Personen in Mecklenburg-Vorpommern leben, ist nicht bekannt, da dies statistisch nicht erfasst wird. Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 -1 BvR 2019/16- davon ausgegangen, dass in Deutschland rund 160.000 Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung leben. Hiervon identifiziere sich maximal ein Drittel nicht mit der im Geburtenregister beurkundeten Angabe zu ihrem Geschlecht und werde daher potenziell eine Änderungserklärung abgeben (rund 53.000). Es sei davon auszugehen, dass jährlich schätzungsweise 1.500 Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland geboren werden. Dies entspreche 0,19 % der etwa 792.000 Neugeborenen im Jahr 2016. Dem Bundesverfassungsgericht folgend kann angenommen werden, dass hiervon jährlich ein Drittel, also 500 Personen bundesweit, einen Antrag auf Geschlechts- und Vornamenswechsel stellen. Zu a) Wenn man diese Schätzungen zugrunde legt, ist anzunehmen, dass langfristig etwa 20 bis 30 der 500 in jedem Jahr zu erwartenden Anträge in Mecklenburg-Vorpommern gestellt werden. Zu b) Die Landesregierung folgt der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, wonach maximal ein Drittel der Betroffenen potenziell eine Änderungserklärung abgeben werde, sodass also mindestens zwei Drittel der Betroffenen dies voraussichtlich nicht tun werden.