Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2647 7. Wahlperiode 17.10.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Verfahrenslaufzeiten an den Gerichten 2016 und 2017 und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer an den Gerichten in Mecklenburg-Vorpommern (ordentliche Gerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit ) in den Jahren 2016 und 2017 entwickelt (bitte für die jeweiligen Jahre und Gerichte separat angeben)? Wie viele Verfahren dauerten a) weniger als ein Jahr? b) zwischen ein und zwei Jahren? c) länger als zwei Jahre? Die Beantwortung der Frage 1 erfolgt entsprechend der Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Drucksache 7/163 nicht je Gericht (zum Beispiel alle einzelnen Amtsgerichte), sondern je Gerichtsart sowie gegebenenfalls je Verfahrensart. Verfahrensdauer der erledigten Verfahren in Monaten Gerichtszweig 2016 2017 AG Zivilsachen 5,8 5,5 AG Familiensachen 8,1 9,1 AG Strafsachen 4,0 4,1 AG Bußgeldsachen 5,5 5,2 LG Zivilsachen I. Instanz 11,6 12,5 LG Zivilsachen Berufungen 9,9 8,9 LG Strafsachen I. Instanz 8,2 7,6 LG Strafsachen Berufungen 4,0 4,0 OLG Zivilsachen Berufungen 19,0 19,4 Drucksache 7/2647 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Verfahrensdauer der erledigten Verfahren in Monaten Gerichtszweig 2016 2017 OLG Familiensachen Beschwerden 8,5 7,1 OLG Strafsachen Revisionen 0,7 0,8 OLG Bußgeldsachen Rechtsbeschwerden 0,6 0,7 Verwaltungsgerichte* 18,9 13,6 Oberverwaltungsgericht** 24,1 14,5 Sozialgerichte* 21,4 20,7 Landessozialgericht** 27,4 28,2 Arbeitsgerichte* 3,8 3,8 Landesarbeitsgericht** 7,9 6,9 Finanzgericht* 20,1 20,0 Quelle: Statistisches Landesamt * nur Klagen/Hauptverfahren/Urteilsverfahren ** nur Berufungen AG = Amtsgericht LG = Landgericht OLG = Oberlandesgericht Zu a), b) und c) Von den erledigten Verfahren waren anhängig Gerichtszweig 2016 2017 AG Zivilsachen a) weniger als ein Jahr 15.420 13.824 b) zwischen ein und zwei Jahren 1.572 1.274 c) länger als zwei Jahre 460 393 AG Familiensachen a) weniger als ein Jahr 9.351 8.608 b) zwischen ein und zwei Jahren 1.780 1.880 c) länger als zwei Jahre 698 918 AG Strafsachen a) weniger als ein Jahr 11.775 12.022 b) zwischen ein und zwei Jahren 468 536 c) länger als zwei Jahre 118 114 AG Bußgeldsachen a) weniger als ein Jahr 8.374 8.674 b) zwischen ein und zwei Jahren 858 517 c) länger als zwei Jahre 31 43 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2647 3 Von den erledigten Verfahren waren anhängig Gerichtszweig 2016 2017 LG Zivilsachen I. Instanz a) weniger als ein Jahr 2.971 2.684 b) zwischen ein und zwei Jahren 822 800 c) länger als zwei Jahre 631 630 LG Zivilsachen Berufungen a) weniger als ein Jahr 598 660 b) zwischen ein und zwei Jahren 206 180 c) länger als zwei Jahre 50 38 LG Strafsachen I. Instanz a) weniger als ein Jahr 184 187 b) zwischen ein und zwei Jahren 22 26 c) länger als zwei Jahre 23 14 LG Strafsachen Berufungen a) weniger als ein Jahr 742 708 b) zwischen ein und zwei Jahren 36 32 c) länger als zwei Jahre 3 4 OLG Zivilsachen Berufungen a) weniger als ein Jahr 247 280 b) zwischen ein und zwei Jahren 240 261 c) länger als zwei Jahre 224 229 OLG Familiensachen Beschwerden a) weniger als ein Jahr 446 328 b) zwischen ein und zwei Jahren 86 57 c) länger als zwei Jahre 51 20 OLG Strafsachen Revisionen a) weniger als ein Jahr 114 107 b) zwischen ein und zwei Jahren 0 0 c) länger als zwei Jahre 0 0 OLG Bußgeldsachen Rechtsbeschwerden a) weniger als ein Jahr 244 268 b) zwischen ein und zwei Jahren 0 0 c) länger als zwei Jahre 0 0 Verwaltungsgerichte* a) weniger als ein Jahr 2.002 2.960 b) zwischen ein und zwei Jahren 1.274 923 c) länger als zwei Jahre 1.365 820 Oberverwaltungsgericht** a) weniger als ein Jahr 91 311 b) zwischen ein und zwei Jahren 39 54 c) länger als zwei Jahre 87 123 Drucksache 7/2647 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Von den erledigten Verfahren waren anhängig Gerichtszweig 2016 2017 Sozialgerichte* a) weniger als ein Jahr 4.161 4.228 b) zwischen ein und zwei Jahren 3.577 3.243 c) länger als zwei Jahre 4.550 4.095 Landessozialgericht** a) weniger als ein Jahr 229 212 b) zwischen ein und zwei Jahren 157 148 c) länger als zwei Jahre 410 312 Arbeitsgerichte* 1 a) weniger als ein Jahr 6.568 6.183 b) länger als 1 Jahr 283 310 Landesarbeitsgericht**1 a) weniger als ein Jahr 329 289 b) länger als 1 Jahr 40 24 Finanzgericht* a) weniger als ein Jahr 213 222 b) zwischen ein und zwei Jahren 97 87 c) länger als zwei Jahre 158 162 Quelle: Statistisches Landesamt 1 Bei den Arbeitsgerichten und bei dem Landesarbeitsgericht wird die Verfahrensdauer statistisch nur nach „bis 12 Monate“ und „mehr als 12 Monate“ differenziert und hier entsprechend ausgewiesen. * nur Klagen/Hauptverfahren/Urteilsverfahren ** nur Berufungen 2. Woraus resultiert nach Ansicht der Landesregierung die Entwicklung der Verfahrensdauer bei den einzelnen Gerichtsbarkeiten und Gerichten in Mecklenburg-Vorpommern? Wie aus der Beantwortung von Frage 1 ersichtlich, hat sich die Verfahrensdauer in den einzelnen Gerichtsbarkeiten und in den einzelnen Verfahrensarten unterschiedlich entwickelt. Hinsichtlich der Jahre 2015 und früher wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Drucksache 7/163 Bezug genommen. Im Bereich der Strafverfahren lässt sich keine wesentliche Änderung erkennen. Die Verfahrensdauer ist auf niedrigem Niveau weitgehend konstant. Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit (Zivilsachen bei den Amtsgerichten, Landgerichten und bei dem Oberlandesgericht) hat sich die Verfahrensdauer unterschiedlich entwickelt. Während die Verfahrensdauer in Zivilsachen bei den Amtsgerichten auf niedrigem Niveau konstant und bei den Landgerichten in Berufungssachen rückläufig ist, ist sie bei den Landgerichten in erstinstanzlichen Zivilsachen und beim Oberlandesgericht in Berufungssachen angestiegen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2647 5 Ursache für den Anstieg der Verfahrensdauer ist unter anderem eine gestiegene Komplexität der Verfahren. Bei den Landgerichten kam eine zusätzliche Belastung durch eine personelle Verstärkung der Strafkammern im Hinblick auf zunehmend komplexe Strafverfahren hinzu. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit konnte durch die zeitnahe personelle Verstärkung dem ebenfalls zu verzeichnenden Anstieg der Eingangszahlen, insbesondere im Asyl-Bereich, erfolgreich entgegengewirkt werden. Die durchschnittliche Verfahrensdauer konnte deutlich verkürzt werden. In der Sozialgerichtsbarkeit ist es in der Vergangenheit infolge einer hohen Anzahl an Verfahrenseingängen zu einem erheblichen Bearbeitungsrückstand gekommen, da die erforderliche personelle Verstärkung erst mit zeitlichem Verzug erfolgen konnte. Die Bestandssituation an den Sozialgerichten konnte inzwischen deutlich verbessert werden. Infolge haben sich auch die Verfahrenslaufzeiten bei den Sozialgerichten im betrachteten Zeitraum reduziert. Die Anzahl der erstinstanzlichen Verfahren hat ferner auch zu einem deutlichen Anstieg der Rechtsmittelverfahren bei dem Landessozialgericht geführt, was ebenfalls mit einem Anstieg der Bestände und der Verfahrensdauer einherging. Für die kleinen Gerichtsbarkeiten (Arbeitsgerichtsbarkeit und Finanzgericht) und für die Familiengerichte lässt sich keine eindeutige Tendenz feststellen, weshalb eine Beurteilung der Entwicklung nicht möglich erscheint. Der beim Finanzgericht in den vergangenen Jahren zu verzeichnende Anstieg der Verfahrensdauer konnte gestoppt werden. 3. Wie viele Verzögerungsrügen nach § 198 GVG wurden in den Jahren 2016 und 2017 in Mecklenburg-Vorpommern erhoben? a) Gegenüber welchen Gerichten wurden Verzögerungen gerügt? b) Wie lang war die Verfahrensdauer zum Zeitpunkt der Rüge? c) Was war der Gegenstand des Verfahrens? Die Fragen 3, a), b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Mit Frage 3 werden statistische Daten zur Anzahl von Verzögerungsrügen erbeten, die von der Landesregierung nur teilweise erhoben werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 wurden die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes zunächst gebeten, vierteljährlich über die Anzahl von Verzögerungsrügen und Entschädigungsklagen zu berichten. Diese Berichtspflicht wurde im Januar 2013 aufgehoben, da nach einer Entscheidung des Ausschusses für Justizstatistik ab dem 1. Januar 2013 die Entschädigungsverfahren im Rahmen der bundeseinheitlichen Justizgeschäftsstatistiken erhoben werden. Eine statistische Erhebung von Verzögerungsrügen ist in den Statistik-Anordnungen nicht vorgesehen. Drucksache 7/2647 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Auch aus den Fachanwendungen der ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften lässt sich die Zahl der Verzögerungsrügen nicht ermitteln, weshalb nachfolgend ausschließlich die Verzögerungsrügen in der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit angegeben werden können: Gericht Anzahl Verzögerungsrügen 2016 2017 Oberverwaltungsgericht Greifswald 7 10 Verwaltungsgericht Greifswald 5 4 Verwaltungsgericht Schwerin 6 8 Finanzgericht Greifswald - 2 Landessozialgericht Neubrandenburg 106 62 Sozialgericht Neubrandenburg 281 112 Sozialgericht Rostock 8 5 Sozialgericht Schwerin 28 18 Sozialgericht Stralsund 29 10 Justiz MV insgesamt 470 231 Dauer des Verfahrens bis zur Rüge Anzahl bis 6 Monate 45 > 6 bis 12 Monate 80 > 12 bis 24 Monate 217 > 24 bis 36 Monate 184 > 36 bis 48 Monate 103 > 48 Monate 72 Justiz MV insgesamt 701 Die weit überwiegende Zahl der Verzögerungsrügen in der Sozialgerichtsbarkeit betraf Verfahren in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende (465), der Rentenversicherung (68), der Krankenversicherung (37), der Arbeitsförderung (25), des Sozialhilferechtes (21) und der Unfallversicherung (17). In der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind die Verzögerungsrügen weitgehend gleichmäßig auf verschiedene Sachgebiete verteilt. 4. Wie viele Entschädigungsklagen gemäß § 198 Abs. 5 GVG wurden in den Jahren 2016 und 2017 erhoben? Wie viele Urteile sind bisher ergangen (bitte die Gerichtsbarkeit, die jeweiligen Gerichte, die Höhe der Entschädigung und Erfolg der Klagen angeben)? Anhand der Justizgeschäftsstatistiken lassen sich zu der Anzahl der erhobenen Entschädigungsklagen folgende Angaben machen (GVG - Gerichtsverfassungsgesetz): Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2647 7 Klagen auf Entschädigung nach § 201 Absatz 1 GVG Gericht 2016 2017 Oberlandesgericht 15 17 Oberverwaltungsgericht 2 4 Landessozialgericht 33 41 Landesarbeitsgericht 0 0 Justiz MV insgesamt 50 62 Den amtlichen Justizgeschäftsstatistiken lassen sich Angaben zum Ausgang der Entschädigungsverfahren nicht entnehmen. Daher basieren die nachfolgenden Daten für die Jahre 2016 und 2017 auf Berichten der Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte zu einzelnen abgeschlossenen Verfahren: Gerichtsbarkeit Anzahl der Urteile davon (teilweise) erfolgreich Höhe der gezahlten Entschädigung in Euro (einschließlich Zahlungen ohne Urteil) Sozialgerichtsbarkeit 12 6 48.540 Ordentliche Gerichtsbarkeit 8 5 8.320 Verwaltungsgerichtsbarkeit 5 2 1.800 Arbeitsgerichtsbarkeit 0 0 0 Finanzgerichtsbarkeit 0 0 0 5. Wie schätzt die Landesregierung die weitere Entwicklung der Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer in Mecklenburg- Vorpommern zukünftig ein? Woraus resultiert diese Einschätzung? Eine diesbezügliche Prognose ist nicht möglich. Der deutliche Rückgang der Verzögerungsrügen in der Sozialgerichtsbarkeit könnte für einen Rückgang der Entschädigungsklagen sprechen. 6. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen bzw. wird sie ergreifen, damit es zukünftig zu keinen überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Mecklenburg- Vorpommern kommt (bitte die Maßnahmen mit Umsetzungsstand und jeweiliger Auswirkung einzeln auflisten)? Die weitaus meisten Entschädigungsklagen betrafen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Zur Unterstützung der Sozialgerichtsbarkeit beim Abbau der Bestände und zur Beschleunigung der Verfahren ist daher zuletzt innerhalb des Stellenplans des Geschäftsbereiches des Justizministeriums eine weitere Verstärkung vorgenommen worden. Drucksache 7/2647 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 8 Es sind bereits im Jahr 2015 fünf Stellen der Besoldungsgruppe R1 aus dem Kapitel 0902 (ordentliche Gerichte und Staatsanwaltschaften) zur Ernennung von Proberichterinnen und Proberichtern an den Sozialgerichten kapitelübergreifend genutzt worden. Diese Planstellen sind mit dem Haushalt 2016/2017 in die Sozialgerichtsbarkeit (Kapitel 0907) verlagert worden. Die Sozialgerichte verfügen damit für einen auf fünf Jahre angelegten Zeitraum über eine deutlich über dem eingangsbezogenen Bedarf liegende Stellenausstattung. Mit dieser personellen Verstärkung gelingt es den Sozialgerichten seither, ihre Bestände rasch und deutlich zu reduzieren. Im Zeitraum von 2015 bis Ende 2017 konnten die Bestände von über 20.000 Verfahren auf ca. 15.600 Verfahren reduziert werden. Es ist daher zu erwarten, dass innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre das Bestandsproblem der Sozialgerichte behoben sein wird und die Verfahrenslaufzeiten wieder auf einen vertretbaren Wert zurückgehen werden. Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt konnte im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit dem starken Anstieg der Verfahrenseingänge im Jahr 2015 durch personalwirtschaftliche Maßnahmen zeitnah begegnet werden. Die Verwaltungsgerichte wurden in 2015 und 2016 um insgesamt 16 Richterinnen und Richter verstärkt, darunter sieben Richterinnen und Richter auf Zeit. Hierdurch ist es gelungen, eine Rückstandssituation wie in der Sozialgerichtsbarkeit zu verhindern und die Verfahrenslaufzeiten deutlich zu reduzieren. Zudem haben die Koalitionsparteien vereinbart, mit Wirkung zum 1. Januar 2019 23 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte einzurichten. Die zusätzlichen Stellen sollen dazu beitragen, eine zügige Abarbeitung der Verfahren und eine Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. 7. Sind der Landesregierung Maßnahmen anderer Bundesländer bekannt bzw. bestehen gegebenenfalls länderübergreifende Koordinatoren? Falls ja, welche? Die Situation in den anderen Bundesländern ist sehr unterschiedlich. Der Landesregierung liegen hierzu keine umfassenden Kenntnisse vor. Eine länderübergreifend einheitliche Handhabung des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird durch die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte gewährleistet.