Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 15. November 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2738 7. Wahlperiode 16.11.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Simone Oldenburg, Fraktion DIE LINKE Verwaltungsvorschrift zur Durchführung eines verbindlichen Projekttages „Volksbefragung - Wählen ab 16“ und ANTWORT der Landesregierung 1. Aus welchen Gründen wird das Thema „Volksbefragung“ als landesweiter Projekttag festgelegt, obwohl eine Rechtsgrundlage für eine Volksbefragung aktuell nicht ersichtlich ist? Die im Mai 2019 möglicherweise stattfindende Volksbefragung sowie die Kommunal- und Europawahlen bieten einen passenden Anlass, um im Rahmen eines Schulprojekttages Fragen der politischen Teilhabe und des Engagements aktualitätsbezogen zu diskutieren. Der Projekttag ist dabei nicht auf das Instrument einer etwaigen Volksbefragung begrenzt, sondern soll Wahlen, direktdemokratische Verfahren und andere Partizipationsinstrumente in einem ganzheitlichen Kontext auf Basis der Rahmenpläne behandeln. Die Aufgabe politischer Bildung in der Schule besteht unter anderem darin, Lernanlässe zu konzipieren, die den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, sich kontrovers mit der Bearbeitung politischer Themen auseinanderzusetzen. „Dabei wird stets der Bezug zur Erfahrungswelt und zu den Herausforderungen an die heutige sowie perspektivisch an die zukünftige Gesellschaft hergestellt.“ (Rahmenplan Fach Sozialkunde Sekundarstufe II). Drucksache 7/2738 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Es ist hierbei unerheblich, ob sich ein Thema auf kommunaler Ebene, Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene in einem Gesetzgebungsverfahren befindet. So führt das Kerncurriculum Sozialkunde in seinen Grundsätzen hinsichtlich Bildung und Erziehung unter anderem folgendes Ziel auf: Schülerinnen und Schüler „[…] setzen sich mit wissenschaftlichen, technischen, rechtlichen, politischen, sozialen, ökonomischen Entwicklungen auseinander, nutzen deren Möglichkeiten und schätzen Handlungsspielräume, Perspektiven und Folgen zunehmend sachgerecht ein. Sie gestalten Meinungsbildungsprozesse und Entscheidungen mit und eröffnen sich somit vielfältige Handlungsalternativen“. Die Diskussionen um die Einführung eines Wahlalters ab 16 finden seit Jahren statt, die damit verbundene unter Umständen stattfindende Volksbefragung stellt in besonderer Weise einen solchen Lernanlass dar, da Jugendliche hiervon direkt betroffen sind. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Verwaltungsvorschrift ist ausschließlich mit Blick auf die erforderliche Planungssicherheit für Schulen gewählt worden. 2. In welchen Fällen haben sich verpflichtende Projekttage an Schulen des Landes in der Vergangenheit mit Themen beschäftigt, die keine Rechtsgrundlage hatten oder sich in einem aktuellen Gesetzgebungsverfahren befanden? Landesweit verpflichtende Projekttage haben in den Schulen Mecklenburg-Vorpommerns bisher nicht stattgefunden. 3. Aus welchen Gründen informiert die Landesregierung die Öffentlichkeit darüber, dass am 26. Mai 2019 eine Volksbefragung zum Thema „Wahlalter mit 16“ stattfinden könnte, ohne dass eine Rechtsgrundlage für eine Volksbefragung besteht, und ohne dass der Landtag einen Beschluss zum Thema einer möglichen Befragung getroffen hat? a) Wie sieht die Landesregierung die Vereinbarkeit der Aussage mit den demokratischen Prinzipien der Gewaltenteilung, insbesondere zur Rolle des Parlaments im Verfahren einer Verfassungsänderung? b) Aus welchen Gründen geht die Landesregierung bereits im Vorfeld davon aus, dass der Landtag sowohl eine Verfassungsänderung zur Einführung einer Volksbefragung als auch das Thema der Befragung zum Wahlalter mit 16 Jahren beschließen wird? Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen und Parteien informieren im Rahmen des politischen Wettbewerbs frühzeitig und transparent über ihre politischen Vorhaben. Damit wird die Entscheidungsbefugnis des Parlaments weder präjudiziert noch grundsätzlich infrage gestellt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2738 3 Die Landesregierung verfolgt das politische Ziel einer Verfassungsänderung und hat dieses im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfes durch die Koalitionsfraktionen in den Landtag öffentlich kommuniziert. Im Falle eines entsprechenden Beschlusses des Landtages präferiert die Landesregierung den erstmaligen Einsatz einer qualifizierten Volksbefragung zum Thema „Wählen ab 16 Jahren“ sowie aus organisatorisch-praktischen Gründen zum Zeitpunkt der ohnehin stattfindenden Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai 2019. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass mit der Verwaltungsvorschrift vom 26. September 2018 die angewiesene Durchführung eines verbindlichen Projekttags „Volksbefragung - Wählen ab 16“ Tatsachen geschaffen werden und somit durch hoheitlich angewiesenen öffentlichen Druck auf die Willensbildung im Parlament eine Einflussnahme ausgeübt werden könnte? a) Wie bewertet die Landesregierung die Vereinbarkeit dieser Praxis mit den allgemeinen demokratischen Prinzipien, insbesondere der Gewaltenteilung? b) Wie bewertet die Landesregierung die Vereinbarkeit der Durchführung des verbindlichen Projekttages mit dem Neutralitätsgebot an Schulen, angesichts des laufenden Verfahrens zur Änderung der Verfassung als Vorhaben der Landesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen? Die Fragen 4, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Mit einem verbindlichen Schulprojekttag werden weder politische Entscheidungen vorweggenommen noch werden diese hierdurch beeinflusst. Eine Unvereinbarkeit mit dem Prinzip der Gewaltenteilung ist aus Sicht der Landesregierung in keiner Weise erkennbar. Bei der Durchführung des Schulprojekttages gelten sowohl für Lehrkräfte als auch für externe Bildungsträger, die an Schulen Projekte der politischen Bildung durchführen, die Grundsätze des sogenannten Beutelsbacher Konsenses. Der Konsens besagt, dass Schülerinnen und Schüler nicht indoktriniert oder in ihrer Meinungsbildung durch Vorgaben der Lehrkräfte überwältigt werden dürfen. Die Kontroversität gesellschaftlicher und politischer Debatten, die sich nicht zuletzt in den Haltungen der unterschiedlichen Parteien widerspiegelt, muss daher stets abgebildet werden. Im konkreten Falle beträfe dies zum Beispiel einerseits die Frage nach der Ausweitung von direktdemokratischen Verfahren sowie andererseits die Frage, ob bereits 16- und 17-Jährige an Landtagswahlen teilnehmen sollten. Der Schulprojekttag schafft lediglich Raum und Zeit, um diese Fragen ergebnisoffen behandeln zu können. Moderner Sozialkundeunterricht sollte zudem immer darauf angelegt sein, aktuelle politische Streitfragen aufzugreifen und deren Kontroversität im Sinne einer Vermittlung der Komplexität politischer Willensbildung darzustellen. Ein laufendes Gesetzgebungsverfahren bietet einen erhöhten Aktualitätsbezug, der im Unterricht als Lernanlass aufgenommen werden kann. Drucksache 7/2738 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Kann das Ziel einer Diskussion an den Schulen zum Thema „Wahlalter mit 16“ ausschließlich im Zusammenhang mit dem Instrument der Volksbefragung erreicht werden? a) Aus welchen Gründen kann ein Diskussionsprozess zum Thema „Wahlalter mit 16“ nicht isoliert an den Schulen behandelt und diskutiert werden? b) Warum muss das Thema zwingend im Rahmen eines verbindlichen Projekttages behandelt werden? Zu 5 und a) Das Streitthema „Einführung des Wahlalters ab 16 Jahren“, das bereits seit vielen Jahren immer wieder politisch debattiert wird, wird auch unabhängig von einer möglichen Volksbefragung in den Schulen behandelt. Die von der die Landesregierung tragenden Koalition, vorbehaltlich einer entsprechenden Entscheidung des Landtages, geplante Volksbefragung zu diesem Thema ist jedoch aufgrund der gegebenen Aktualität ein passender Bildungsanlass. Zur Analyse der aktuellen politischen Diskussionen und letztlich für die Urteilsbildung ist eine Verbindung zu weiteren Themenfeldern der Rahmenpläne herzustellen. Die Unterstützungsangebote des Projekttages stellen hierzu viele Möglichkeiten bereit. Zu b) Die Verbindlichkeit des Projekttages soll angesichts der aktuellen Herausforderungen, denen sich unsere Demokratie ausgesetzt sieht, insbesondere die Relevanz von politischer Bildung und Demokratiestärkung in Schulen insgesamt verdeutlichen. Die konkrete Ausgestaltung und thematische Schwerpunktbildung des Projekttages obliegt ausschließlich den Schulen selbst. Die Landeszentrale für politische Bildung hält hierfür unterschiedliche Unterstützungsangebote bereit. So können die Schulen zum Beispiel das bekannte Projekt „Juniorwahl“ durchführen oder finanzielle Unterstützung für eigene Projektideen erhalten.