Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 6. März 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/274 7. Wahlperiode 07.03.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Prof. Dr. Ralph Weber, Fraktion der AfD Bekämpfung der weiteren Ausbreitung von HIV-Infektionen und ANTWORT der Landesregierung Bei dem Versuch der Eindämmung einer weiteren Ausbreitung von HIV-Neuinfektionen kollidieren auf Grundrechtsebene die Rechte der von Eindämmungsmaßnahmen Betroffenen mit der staatlichen Schutzpflicht zur Infektionsbekämpfung zugunsten der Nichtinfizierten, kraft derer jeder Bürger von seinem Staat bei der Bedrohung wichtiger Güter, insbesondere von Leben und/oder körperlicher Unversehrtheit hinreichende Schutzvorkehrungen verlangen kann. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1987 das allein auf Aufklärung und Beratung setzende sogenannte HIV-Präventionskonzept der Bundesregierung grundsätzlich gebilligt. Dies wurde aber unter die ausdrückliche Maßgabe gestellt, dass sich dieses Konzept zu einer wirkungsvollen Eingrenzung der Zahl der Neuinfektionen als tauglich erweist. Angesichts der permanent steigenden Zahlen an HIV-Neuinfektionen1 im Bundesgebiet erscheint dieser Nachweis nicht nur nicht gelungen, sondern scheint die Unzulänglichkeit des alleinigen Aufklärungs- und Beratungskonzepts als gegeben. 1 EpidemiologischesBulletin Nr. 45/2016 www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2016/ Ausgaben/ 45_16.pdf (Stand: 21.02.2017). Drucksache 7/274 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 1. Wie hat sich die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Mecklenburg- Vorpommern in den Jahren seit 2010 entwickelt? Seit 2010 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 232 Neudiagnosen registriert. 2010 2011 2012 2013 2014 2015 24 30 27 49 61 41 Quelle: www.rki.de HIV/AIDS-Eckdaten in Deutschland und den Bundesländern, Stand: 14.11.2016. 2. Welche Gründe sieht die Landesregierung für die permanent steigenden Zahlen der bundesweiten Neuinfektionen trotz der alleinigen Präventionsstrategie durch Aufklärung und Beratung als maßgeblich an? Nach einer mehrjährigen Plateauphase mit relativ geringen Schwankungen der jährlich gemeldeten Neudiagnosen ist seit 2012 ein bundesweiter Anstieg der HIV-Neudiagnosen zu beobachten. Gründe für diesen Anstieg sind nachlassende individuelle Präventionsmaßnahmen durch verbesserte Therapieoptionen, Wandel im Sexualverhalten, neue Drogenkonsummuster und auch die zunehmende Mobilität innerhalb Deutschlands, Europas, aber auch weltweit. Darüber hinaus werden durch die verstärkte Nutzung von Testangeboten mehr Neuinfektionen diagnostiziert. 3. Durch welche Maßnahmen wird die Landesregierung im Rahmen der durch das IfSG zur Verfügung gestellten Mittel, insbesondere durch eine namentliche Meldung der HIV-Infizierten bei den Landesgesundheitsämtern und darauf gestützte Maßnahmen zur Aufdeckung und Unterbrechung von Infektionsketten, darauf reagieren? Die Landesregierung und der öffentliche Gesundheitsdienst werden ihre unter anderem auf § 19 des Infektionsschutzgesetzes und § 19 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst Mecklenburg-Vorpommern beruhende Präventionsarbeit in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und Prävention (BZgA) auf der Grundlage der Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts (RKI) fortsetzen. Die Einführung einer namentlichen Meldepflicht von HIV-Infizierten auf der Grundlage von § 15 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes hätte keinen Einfluss auf entsprechende Maßnahmen der Gesundheitsämter und würde keinen zusätzlichen Schutz bieten. Ergänzend wird auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Juli 1987 (1 BvR 842/87) insbesondere Ziffer 10 (zitiert nach juris) verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/274 3 4. Wie begründet die Landesregierung die Sonderbehandlung der HIV-Infektionen einerseits und der Infektionen mit Hepatitis B und C (HBV/HCV) andererseits angesichts nahezu gleicher Übertragungswege und im wesentlichen gleicher Verlaufscharakteristika? Die anfängliche sogenannte „Sonderbehandlung“ der HIV-Infektionen erfolgt so nicht mehr. Hepatitis B und C haben aufgrund ihrer Verbreitung, der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen und neuer Behandlungsmöglichkeiten sowohl national als auch international an Bedeutung gewonnen. HIV, Hepatitis B und C sowie andere sexuell übertragbare Infektionen haben vergleichbare Übertragungswege und treten in ähnlichen Gruppen verstärkt auf. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse bestärken daher den Ansatz, HIV nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit anderen sexuell und durch Blut übertragbaren Infektionskrankheiten zu betrachten. Mit Beschluss des Bundeskabinetts am 6. April 2016 wurde die Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen „BIS 2030 - Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorübergreifend“* veröffentlicht. Die neue Strategie beruht auf einem integrierten Ansatz. Das bedeutet, dass verschiedene Krankheitserreger aufgrund gleicher beziehungsweise ähnlicher Übertragungswege, gleicher Risikofaktoren und Betroffenengruppen gemeinsam adressiert werden. *http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/Publikationen/Praevention/ Broschueren/Strategie_BIS_2030_HIV_HEP_STI.pdf