Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2876 7. Wahlperiode 18.12.2018 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Situation des Täter-Opfer-Ausgleichs in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung 1. Inwieweit sind in den Vollzugsgesetzen des Landes Restorative Justice- Maßnahmen (u. a. Täter-Opfer-Ausgleich oder Opfer-Empathie-Training ) geregelt? Wie erfolgt die konkrete Umsetzung? Die Restorative Justice ist in § 9 Absatz 1 Nummer 20 des Strafvollzugsgesetzes Mecklenburg- Vorpommern und in den §§ 3 Absatz 1, 11 Absatz 3 Nummer 20 des Jugendstrafvollzugsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern geregelt und ist regelmäßiger Bestandteil der Fortbildungen für Bedienstete des Justizvollzuges. Im Rahmen der Vollzugs- und Eingliederungsplanung werden Möglichkeiten und konkrete Maßnahmen des Tatausgleiches einschließlich eines möglichen Täter-Opfer-Ausgleiches mit dem Gefangenen besprochen. Die im Vollzugs- und Eingliederungsplan festgeschriebenen Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der Bereitschaft des Gefangenen und gegebenenfalls des Opfers durchgeführt. Drucksache 7/2876 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. Inwieweit werden die Gesamtfallzahlen jeweils für den Jugend-Täter- Opfer-Ausgleich und Erwachsenen-Täter-Opfer-Ausgleich einheitlich erfasst? a) Wie viele Täter-Opfer-Ausgleich-Verfahren wurden jeweils im Jugend-Täter-Opfer-Ausgleich und Erwachsenen-Täter-Opfer- Ausgleich jährlich seit 2013 bearbeitet? b) Durch wen beziehungsweise durch welche Stelle wurden die jeweiligen Verfahren initiiert? c) Wie stellt sich die Deliktstruktur des Täter-Opfer-Ausgleichs dar? Zu 2 Der Generalstaatsanwalt erfasst die Gesamtfallzahlen für den Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) im Erwachsenenstrafrecht im Rahmen der finanziellen Vergütung der Einzelverträge. Die Finanzierung des Täter-Opfer-Ausgleiches im Jugendstrafrecht liegt in der Zuständigkeit der Träger der Jugendhilfe. Zu a) 2013 2014 2015 2016 2017 1. Halbjahr 2018 Erwachsenenstrafrecht 244 125 200 170 116 57 Jugendstrafrecht * 214 188 148 130 92 56 * Im Bereich des Jugendstrafrechtes kommen zu den angegebenen Fällen noch einige wenige Fälle hinzu, bei denen der TOA direkt von den Jugendgerichten angeordnet wird. Zu b) Die Durchführung eines von der Justiz finanzierten Täter-Opfer-Verfahrens im Erwachsenenstrafrecht setzt den Abschluss eines Einzelvertrages des jeweiligen rahmenvertraglich gebundenen Trägers mit dem Generalstaatsanwalt voraus. Diesem Einzelvertrag geht ein Auftrag der Staatsanwaltschaft oder des Gerichtes voraus. In der Praxis werden die Aufträge in aller Regel von der Staatsanwaltschaft erteilt und nur in wenigen Einzelfällen vom Gericht. Zu c) Die Bandbreite der Delikte, die zu einer Zuweisung zu einem Täter-Opfer-Ausgleich führen, reicht von Taten mit meist geringerer Schwere, wie beispielsweise Ehrverletzungsdelikte, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, über Vermögensdelikte, wie Diebstahl, Betrug und Erpressung, bis hin zu Körperverletzungsdelikten und sexuellem Missbrauch. Regelmäßig wurden den Mediatorinnen und Mediatoren des Täter-Opfer-Ausgleiches auch Fälle zugewiesen, denen Delikte mittleren Schweregrades, wie beispielsweise gefährliche Körperverletzungstaten, zugrunde lagen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2876 3 3. Wie wird gewährleistet, dass das Angebot Täter-Opfer-Ausgleich für Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene flächendeckend und nach den bundesweiten Täter-Opfer-Ausgleich-Standards entsprechend vorgehalten wird? Es stehen gegenwärtig insgesamt zehn verschiedene Träger über Rahmenverträge zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleiches im Erwachsenenstrafrecht zur Verfügung. Der im Landgerichtsbezirk Schwerin tätige Caritasverband für das Erzbistum Hamburg e. V. (vormals Caritas Mecklenburg e. V.) hat seinen Sitz in Schwerin und unterhält Fachdienststellen in Wismar, Grevesmühlen, Parchim, Ludwigslust, Hagenow und Boizenburg. Die drei im Landgerichtsbezirk Rostock ansässigen Träger, und zwar der Balance of Power e. V., der Verein zur Resozialisierung Phönix e. V. und die Gemeinschaft für soziale Therapie und Pädagogik, Luisenstraße e. V., unterhalten jeweils eine Geschäftsstelle in Rostock. Die im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg ansässigen drei Träger haben Standorte in Waren, Stavenhagen, Neustrelitz (AWO Vielfalt Mecklenburgische Seeplatte gGmbH) und Torgelow (AWO Kreisverband Uecker-Randow e. V., Volkssolidarität Kreisverband Uecker-Randow e. V.). Die Staatsanwaltschaft Stralsund kann in ihrem Landgerichtsbezirk auf drei Träger zurückgreifen , die ihren Sitz in Grimmen (Sozialbetreute Hilfen e. V.), Stralsund (Verbund für soziale Projekte e. V.) beziehungsweise Rügen (Kinder-, Jugend- und Familienhilfe e. V.) haben. Die Einhaltung von Qualitätsstandards wird durch die Richtlinie zur Förderung des Täter- Opfer-Ausgleiches im allgemeinen Strafrecht vom 25. September 2000 sowie durch die Rahmenverträge, die zwischen dem Generalstaatsanwalt und den freien Trägern abgeschlossen werden, sichergestellt. 4. Liegt eine Finanzierung vor, wenn Opfer sowie Täter von sich aus Wiedergutmachungsdienste in Anspruch nehmen wollen? a) Wie wird gewährleistet, dass die Selbstmelder Zugang zu qualifizierten Mediatoren haben? b) Inwieweit ist die Zuweisung durch justizielle Auftraggeber Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Wiedergutmachungsdienste? Die Fragen 4, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Drucksache 7/2876 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Wollen die Beteiligten aus eigener Initiative einen Täter-Opfer-Ausgleich im Erwachsenenstrafrecht durchführen, können sie hierzu jederzeit mit einem geeigneten Träger Kontakt aufnehmen. Soll die Finanzierung des Täter-Opfer-Ausgleiches im Erwachsenenstrafrecht durch die Justiz erfolgen, setzt dies einen Einzelauftrag durch Staatsanwaltschaft oder Gericht voraus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antwort auf Frage 2 b) verwiesen. Für den Täter-Opfer-Ausgleich im Jugendstrafrecht ist der zuständige Träger der Jugendhilfe zu kontaktieren. 5. Welche spezielle Ausbildung/Qualifikation ist erforderlich bzw. wird angeboten, um die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleich-Standards zu gewährleisten? Werden konzeptionelle Grundlagen von den Täter-Opfer-Ausgleich- Institutionen erwartet? Die notwendigen Ausbildungen beziehungsweise Qualifikationen der eingesetzten Mitarbeiter sind im Rahmenvertrag festgelegt. Gleiches gilt für Fortbildungsmaßnahmen, die jährlich nachzuweisen sind. Als qualifizierte Konfliktberaterinnen und Konfliktberater gelten vornehmlich Diplom-Sozialarbeiterinnen und Diplom-Sozialarbeiter sowie Diplom-Sozialpädagoginnen und Diplom-Sozialpädagogen, die eine zusätzliche Qualifikation in den Bereichen Strafrecht , Kriminologie, Strafverfahrensrecht, Zivilrecht und Viktimologie erworben haben und über ein ausreichendes Maß an Berufs- und Lebenserfahrung verfügen. Als geeignet gelten ebenfalls Volljuristinnen und Volljuristen sowie Personen mit einer anderen abgeschlossenen geisteswissenschaftlichen Hochschulausbildung oder mit einer pädagogischen Fachschulbeziehungsweise Fachhochschulausbildung, soweit sie jeweils eine qualifizierte Zusatzausbildung als Konfliktberaterin und Konfliktberater (Mediatorin/Mediator) erworben haben. Die Konfliktberaterinnen und Konfliktberater haben sich regelmäßig über den aktuellen Entwicklungsstand des Täter-Opfer-Ausgleiches zu informieren, zum Beispiel durch Teilnahme an der zweijährlichen Fachkonferenz „TOA-Forum“ oder über den Bezug des Rundbriefes „TOA Infodienst“, und die Reflexion der eigenen Arbeit durch Supervision zu gewährleisten. Die gegenwärtig rahmenvertraglich gebundenen Träger haben ihre Konzepte sowie die Qualifikationen ihrer eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seinerzeit gegenüber dem Justizministerium vorgelegt. 6. Werden Erhebungen zur Sicherung der Ergebnisqualität bei den Täter- Opfer-Ausgleich-Institutionen durchgeführt? In Auswertung der von den Trägern mit der Abrechnung jeder einzelnen Fallzuweisung eingereichten Fallberichte werden die Ergebnisse statistisch erfasst, insbesondere, ob der Täter- Opfer-Ausgleich erfolgreich durchgeführt wurde oder woran dies gescheitert ist. Rückmeldungen zu den Ergebnissen des Täter-Opfer-Ausgleiches und zur Qualität der Fallberichte erfolgen zudem durch die Staatsanwaltschaften. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2876 5 7. Ist der Täter-Opfer-Ausgleich regelmäßiger Bestandteil der Ausbildung bei der Landespolizei und den Rechtsreferendaren? Wenn ja, wie sieht der Umfang des Angebots aus? Der Täter-Opfer-Ausgleich ist für den Bereich der Landespolizei regelmäßig Bestandteil der Ausbildung und des Studiums und dort wie folgt verankert: In der Ausbildung wird im Fach Polizeidienstkunde die Möglichkeit des „Täter-Opfer- Ausgleiches“ erläutert. Im Studium wird in zwei Modulen auf die Thematik eingegangen: Im Modul 13 - Rechtsgrundlagen IV Der „Täter-Opfer-Ausgleich“ wird im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung angesprochen, nach § 136 der Strafprozessordnung (Erste Vernehmung) ist der oder die Beschuldigte gegebenenfalls auf den Täter-Opfer-Ausgleich hinzuweisen. Darüber hinaus ist die einschlägige Vorschrift des § 46a des Strafgesetzbuches (Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung ) Gegenstand dieser Ausbildungseinheit. Im Modul 14 - Kriminalwissenschaften Mit diesem Modul werden die Studierenden befähigt, Formen des Umganges mit Opfern zu entwickeln, und lernen, die Opfer umfassend über die Rechte im Strafverfahren zu informieren. Die Bedeutung des Täter-Opfer-Ausgleiches im Rahmen der Straftatenbearbeitung wird dabei deutlich. Der Täter-Opfer-Ausgleich aus Perspektive der Täter ist ebenfalls Bestandteil des Moduls. Bestandteil der Ausbildung der Rechtsreferendare ist eine Strafrechtsstation, die regelmäßig bei der Staatsanwaltschaft durchgeführt wird. Dort werden den Referendaren zu Ausbildungszwecken Akten zur Bearbeitung zugewiesen. Dies umfasst alle in der Praxis vorkommenden Fälle, also auch Fälle, in denen die Eignung für einen Täter-Opfer-Ausgleich zu prüfen ist. Die in der Referendarausbildung tätigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben ihrerseits Nummer 3 der Richtlinie zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleiches im allgemeinen Strafrecht vom 25. September 2000 zu beachten, die den folgenden Wortlaut hat: „Der zuständige Staatsanwalt soll in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeit prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigten und Verletzten zu erreichen. In geeigneten Fällen soll er darauf hinwirken. Dabei sollen Anregungen, die von der Polizei, den Verteidigern oder anderen Verfahrensbeteiligten gegeben werden, berücksichtigt werden.“ Drucksache 7/2876 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 8. Wie werden die Täter-Opfer-Ausgleich-Mediatorinnen und Mediatoren bei den Jugendämtern, Gerichtshilfen, Behörden und freien Trägern in der Bezahlung eingestuft und vergütet? Der Täter-Opfer-Ausgleich wird in Mecklenburg-Vorpommern sowohl im Erwachsenen- als auch im Jugendstrafbereich ausschließlich durch freie Träger beziehungsweise Träger der freien Jugendhilfe unter Einbindung des örtlich zuständigen Jugendamtes durchgeführt. Im Bereich des allgemeinen Strafrechtes werden zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleiches Einzelverträge auf der Grundlage eines Rahmenvertrages zwischen dem Generalstaatsanwalt im Auftrag des Justizministeriums und den freien Trägern abgeschlossen. Der Rahmenvertrag regelt unter anderem die inhaltliche Ausgestaltung des Täter-Opfer-Ausgleiches (Leistungsbeschreibung , Anforderungsprofil an die den Täter-Opfer-Ausgleich durchführenden Personen) sowie die Kosten. Gezahlt wird eine erfolgsunabhängige Fallpauschale. Die Eingruppierung und Vergütung der Mediatorinnen und Mediatoren bei den freien Trägern wird dort in eigener Verantwortung vollzogen. Nach den Rückmeldungen der kommunalen Ebene werden unterschiedliche Gehälter gezahlt. Die Vergütung reicht von E 10 bis S 14. Die Mediatorinnen und Mediatoren arbeiten in der Regel nur mit einem geringen Stundenanteil im Täter-Opfer-Ausgleich und sind überwiegend in der ambulanten Jugendhilfe tätig (zum Beispiel Familienhilfe, Erziehungsbeistand).