Der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 17. Januar 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/2989 7. Wahlperiode 21.01.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Christoph Grimm, Fraktion der AfD Notfallpläne des Landes im Falle eines Blackouts und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Für den Begriff „Blackout“ gibt es keine Legaldefinition. Insofern wird dieser Begriff insbesondere im Zusammenhang mit der Elektrizitätswirtschaft immer wieder falsch verwendet. Oftmals wird er in den Medien auch bei gewöhnlichen Stromausfällen gebraucht. In der Fachwelt dagegen spricht man bei einem „Blackout“ von einer Großstörung. Im Sinne der Beantwortung der folgenden Fragen wird die Landesregierung unter einem „Blackout“ einen plötzlichen überregionalen , länderübergreifenden und länger andauernden (> 12 Stunden) Stromausfall verstehen . Entscheidend dabei ist, dass auch andere kritische Infrastrukturen betroffen sein werden. Zur Beantwortung der Fragen 1 und 2 wurde die Bundestagsdrucksache 19/1104 vom 7. März 2018 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Marc Bernhard, Dr. Heiko Heßenkemper, Dr. Bruno Hollnagel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/738 - Versorgungssicherheit in Deutschland in Zeiten der Energiewende“ herangezogen. 1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung derzeit, um einen Blackout in der Stromversorgung zu verhindern? Deutschland hat eines der sichersten Stromversorgungssysteme der Welt. Drucksache 7/2989 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Die durchschnittliche Dauer von Versorgungsunterbrechungen je Letztverbraucher, der sogenannte SAIDI-Wert, lag 2017 in Deutschland bei 15,14 Minuten (2016 - 12,80 Minuten) und damit deutlich niedriger als in vergleichbaren Industriestaaten. In Mecklenburg-Vorpommern lag der SAIDI-Wert 2017 bei 13,18 Minuten (2016 - 15,74 Minuten). Die Wahrscheinlichkeit für einen größeren Stromausfall in Deutschland ist nach Aussage der Bundesregierung sehr gering. Aus verschiedenen Studien ist bspw. bekannt, dass die Versorgungsicherheit am Strommarkt aktuell oberhalb von 99,99 Prozent liegt. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für einen sicheren Netzbetrieb nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bei den Übertragungsnetzbetreibern (§ 13 Abs. 1 EnWG). Zur Sicherstellung der Transportfähigkeit der Netze und der Stromversorgung stehen den Übertragungsnetzbetreibern verschiedene Reserven zur Verfügung, die regelmäßig an den Bedarf angepasst werden (Regelleistung, Netzreserve , Abschaltbare Lasten, Sicherheitsbereitschaft, perspektivische Kapazitätsreserve). Dennoch kann eine Großstörung im elektrischen Netz niemals zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Dessen ist sich auch die Landesregierung bewusst. So wurden 2013 in einem Vorschlag des Landesenergierates zur Erarbeitung des Energiekonzepts Mecklenburg-Vorpommern unter anderem auch Überlegungen zu landesspezifischen Lösungsansätzen bei einem großflächigen Stromausfall dringend empfohlen. Als Ergebnis dieser Diskussionen wurde im Juni 2015 unter Federführung des heutigen Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern (Energieministerium) die Arbeitsgruppe „Systemstabilität und Energiekrisenvorsorge M-V“ bestehend aus hiesigen Behörden, Netzbetreibern, Energieversorgern und Kraftwerksbetreibern gegründet. In dem Zusammenhang hat das Energieministerium die Universität Rostock beauftragt, eine „Studie zur Erarbeitung eines Grobkonzeptes für den Netzwiederaufbau nach einem großflächigen Stromausfall mittels lokaler Inselnetzstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“ zu erarbeiten. Die Studie soll im zweiten Halbjahr 2019 vorliegen. 2. Welche Notfallpläne existieren seitens der Landesregierung für den Fall eines Blackouts in der Stromversorgung? 3. Welche Gegenmaßnahmen würde die Landesregierung kurz-, mittelund langfristig einleiten, wenn ein Blackout in der Stromversorgung tatsächlich eintritt? Die Fragen 2 und 3 werden zusammenhängend beantwortet. Eine länger andauernde Großstörung der Stromversorgung hätte weitreichende Auswirkungen auf alle kritischen Infrastrukturen und Lebensbereiche der Bevölkerung, sodass bei einem derartigen Ereigniseintritt die Wiederherstellung der Stromversorgung nicht isoliert betrachtet werden sollte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in einem solchem Fall der Katastrophenfall ausgerufen würde. Nach § 3 Absatz 2 des Gesetzes über den Katastrophenschutz in Mecklenburg-Vorpommern (Landeskatastrophenschutzgesetz - LKatSG M-V) haben die Katastrophenschutzbehörden die Aufgabe, Katastrophen vorzubeugen und abzuwehren. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2989 3 Sie leiten und koordinieren die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz mit anderen fachlich zuständigen Behörden und übertragen ihnen spezielle damit verbundene Aufgaben, insbesondere Maßnahmen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (§ 3 Absatz 2, Satz 2 Nr. 8 LKatSG M-V). Ferner sieht das geltende Energierecht im EnWG und im Energiesicherungsgesetz (EnSiG) verschiedene Maßnahmen vor, mit denen auf einen angespannten Zustand des elektrischen Systems beziehungsweise Versorgungsstörungen reagiert werden muss. Sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist, sind die Betreiber der Übertragungsnetze dementsprechend berechtigt und verpflichtet, die Gefährdung oder Störung zu beseitigen durch netzbezogene Maßnahmen, marktbezogene Maßnahmen sowie durch zusätzliche Reserven (§ 13 Absatz 2 EnWG). Lässt sich eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems durch Maßnahmen nach § 13 Absatz 1 EnWG nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen, so sind die Betreiber der Übertragungsnetze im Rahmen der Zusammenarbeit nach § 12 Absatz 1 berechtigt und verpflichtet, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen den Erfordernissen eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des Übertragungsnetzes anzupassen oder diese Anpassung zu verlangen. Reichen die Maßnahmen nach § 13 Absatz 2 EnWG nach Feststellung eines Betreibers von Übertragungsnetzen nicht aus, um eine Versorgungsstörung für lebenswichtigen Bedarf im Sinne des § 1 EnSiG abzuwenden, muss der Betreiber von Übertragungsnetzen gemäß § 13 Absatz 8 EnWG unverzüglich die Bundesnetzagentur (BNetzA) unterrichten. In solchen Fällen einer drohenden oder bereits eingetretenen weitreichenden Versorgungsstörung und bei Gefährdung der Deckung des „lebenswichtigen Bedarfs“ (§ 1 EnSiG in Verbindung mit § 13 Absatz 8 EnWG) geht die Verantwortung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) in eine staatliche Steuerungsverantwortung über. Entsprechend sieht § 4 Absatz 3 EnSiG vor, dass die BNetzA die Rolle eines „Bundeslastverteilers" übernimmt. 4. Wie und in welchem Zeitraum kann das Stromnetz im Bereich des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz nach einem Blackout wieder hochgefahren werden? Der Landesregierung ist bekannt, dass 50 Hertz in Zusammenarbeit mit anderen Netzbetreibern und unter Mitwirkung der Universität Rostock verschiedene Varianten zu einem Netzwiederaufbau nach Störungen mit und ohne Spannungsvorgabe in ihrer Regelzone erarbeitet hat. Aufgrund verschiedenster Rahmenbedingungen bei einer Großstörung sowie derer komplexen Wechselwirkungen beim Netzwiederaufbau können seitens der Landesregierung keine Zeitangaben bis zur Wiederherstellung der Stromversorgung benannt werden. Drucksache 7/2989 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Welche Kraftwerke in Mecklenburg-Vorpommern werden als systemrelevant eingestuft und sind im Fall eines Blackouts schwarzstartfähig? a) Welche Kraftwerke sind davon noch aktiv am Netz? b) Mit welcher Auslastung? Die Fragen 5, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Nach Kenntnisstand der Landesregierung gibt es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit keine systemrelevanten Kraftwerke. Kraftwerksbetreiber sind verpflichtet, dem ÜNB und der BNetzA geplante vorläufige oder endgültige Stilllegungen von Kraftwerken mindestens 12 Monate vorher anzuzeigen (§ 13b Abs. 1 EnWG). Der ÜNB prüft unverzüglich, ob es sich dabei um systemrelevante Kraftwerke handelt. Das ist der Fall, wenn eine dauerhafte Stilllegung des Kraftwerks mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems führt, die auch nicht durch angemessene andere Maßnahmen beseitigt werden kann. Erkenntnisse über schwarzstartfähige Kraftwerke in Mecklenburg-Vorpommern liegen der Landesregierung ebenfalls nicht vor. Gleichwohl ist der Landesregierung das Projekt „KickStarter - Netzwiederaufbau unter Einsatz von stationären Großbatteriespeichern in Kombination mit EEG-Anlagen und nicht schwarzstartfähigen Gas- und Dampfkraftwerken“ in Schwerin bekannt. In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt haben die WEMAG, die Energieversorgung Schwerin GmbH & Co. Erzeugung KG sowie die Universität Rostock unter Koordination des Batterieherstellers Younicos AG einen praktischen Netzwiederaufbau- und Inselbetriebsversuch zwischen einem Batteriespeicher und einem Gas- und Dampfturbinen Kraftwerk simuliert. Ferner beinhalten die Windenergieanlagenprojekte „Pth Groß Schwaß“ und „RH2PTG“ geplante Versuchsreihen zur Schwarzstartfähigkeit von Windenergieanlagen, welche die Universität Rostock jeweils begleiten würde. Die Startfähigkeit des Steinkohlekraftwerkes Rostock soll im Rahmen der Inbetriebnahme Combined Grid Solution/Kriegers Flak (2019) (CGS) nachgewiesen werden. Mit dem geplanten Interkonnektor CGS besteht nach erfolgreicher Inbetriebnahme die Möglichkeit, das Kraftwerk mittels Offshorewindstrom aus dem spannungslosen Zustand anzufahren. Da das Kraftwerk seinen Strom ausschließlich ins Übertragungsnetz einspeist, dient es jedoch nicht in erster Linie der unmittelbaren Versorgung Mecklenburg-Vorpommerns. Weitergehende Erkenntnisse zur Schwarzstartfähigkeit hiesiger Kraftwerke sowie zur möglichen Schwarzstartfähigkeit von EEG-Anlagen erwartet die Landesregierung von der unter Frage 1 genannten Studie. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/2989 5 6. Welche Alternativen wird die Landesregierung zur Sicherung der Stromversorgung vorhalten, wenn nach einem kompletten Kohleausstieg alle schwarzstartfähigen Kraftwerke vom Netz genommen wurden? Kohlekraftwerke sind thermische Kraftwerke, welche aufgrund ihres hohen Eigenenergiebedarfes zum Anfahren aus dem „Kaltstart“ in der Regel nicht als schwarzstartfähig einzustufen sind. Alternativen zur Sicherung der Stromversorgung in Mecklenburg-Vorpommern nach einer Großstörung werden in der unter Frage 1 genannten Studie untersucht.