Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 19. Februar 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3039 7. Wahlperiode 22.02.2019 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Situation des Täter-Opfer-Ausgleichs in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Situation des Täter-Opfer-Ausgleichs in Mecklenburg-Vorpommern“ (Drucksache 7/2876) ergeben sich Nachfragen. 1. Worin liegt nach Ansicht der Landesregierung der deutliche Rückgang der Inanspruchnahme des Täter-Opfer-Ausgleichs seit 2013 begründet? Der Rückgang der Fallzahlen im Täter-Opfer-Ausgleich ist auf vielfältige Faktoren zurückzuführen . In den meisten Fällen wird der Täter-Opfer-Ausgleich von den Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft angeordnet. Dies setzt voraus, dass im Einzelfall genügend Anhaltspunkte dafür sprechen, dass eine Einigung zwischen dem Täter und den geschädigten Personen über einen von dem Täter zu leistenden Ausgleich zustande kommen könnte und die Beteiligten dem Täter-Opfer-Ausgleich zustimmen. Dabei ist seit Jahren ein Rückgang derjenigen Ermittlungsverfahren zu beobachten, die einen geeigneten Sachverhalt für den Täter- Opfer-Ausgleich aufweisen. Dies hat seine Ursache in einer sich verändernden Struktur der Straftaten. Die Zunahme von Straftaten, die zum Beispiel über das Internet oder sonstige Telekommunikationsmittel begangen werden, zieht nach sich, dass zwischen den Beteiligten oft große räumliche Entfernungen liegen, die bereits aus logistischen Gründen dem Täter-Opfer- Ausgleich entgegenstehen. Zahlreiche Straftaten wie beispielsweise die illegale Einreise oder viele Betäubungsmitteldelikte haben auch gar kein personifiziertes Opfer, sodass ein Täter- Opfer-Ausgleich nicht in Betracht kommt. Drucksache 7/3039 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zudem werden die Beteiligten zunehmend bereits im polizeilichen Ermittlungsverfahren von Verteidigern oder Rechtsbeiständen vertreten, was oft dazu führt, dass sie von ihrem Recht Gebrauch machen, keinerlei Angaben zu machen. Umgekehrt werden bei entsprechend juristisch beratenen Geschädigten häufig Erwartungshaltungen geweckt, die auf eine vollständige finanzielle Wiedergutmachung beziehungsweise die Erfüllung anderer zivilrechtlicher Ansprüche abzielen und zu den oftmals prekären wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschuldigten in Widerspruch stehen. Die Bereitschaft der geschädigten Person zum Täter-Opfer-Ausgleich nimmt hierdurch ab. Im Übrigen wünschen sich auch immer mehr Geschädigte ausdrücklich eine Sanktionierung des Beschuldigten durch die Gerichte. 2. Wie viele der durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleich-Verfahren waren letztlich erfolgreich? Im Bereich des Erwachsenenstrafrechts waren erfolgreich* nicht erfolgreich* im Jahr 2013 103 121 im Jahr 2014 71 94 im Jahr 2015 84 42 im Jahr 2016 110 57 im Jahr 2017 68 40 im Jahr 2018 38 8 * Nicht erfasst sind die Verfahren, die im Zeitpunkt der jeweiligen statistischen Abfrage noch nicht beendet waren. Im Bereich des Jugendstrafverfahrens, in dem der Täter-Opfer-Ausgleich im Zuständigkeitsbereich der Träger der Jugendhilfe finanziert wird, werden Statistiken über die erfolgreich abgeschlossenen Verfahren nur von den Landkreisen geführt. Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurden alle Landkreise und kreisfreien Städte um Auskunft gebeten. Die Landeshauptstadt Schwerin, die Landkreise Rostock, Ludwigslust-Parchim und Mecklenburgische Seenplatte haben folgende Zahlen mitgeteilt: 2013 kreisfreie Stadt/ Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 10 5 5 Ludwigslust-Parchim* * Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat keine Zahlen geliefert und geht unter Berücksichtigung von jährlichen Schwankungen von einer Erfolgsquote von circa 60 bis 65 Prozent aus. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3039 3 2014 kreisfreie Stadt/Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 12 8 4 Mecklenburgische Seenplatte 30 24 6 2015 kreisfreie Stadt/Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 4 3 1 Mecklenburgische Seenplatte 39 17 22 2016 kreisfreie Stadt/Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 1 0 1 Mecklenburgische Seenplatte 48 28 20 2017 kreisfreie Stadt/Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 1 1 0 Mecklenburgische Seenplatte 38 23 15 2018 kreisfreie Stad/Landkreise Täter-Opfer- Ausgleiche Gesamt davon erfolgreich abgeschlossen davon nicht erfolgreich abgeschlossen Landeshauptstadt Schwerin 1 1 0 Mecklenburgische Seenplatte 45* 22 22 Landkreis Rostock 6 keine Angabe durch den Landkreis * In 2018 wurde am Regionalstandort Neustrelitz 1 Täter-Opfer-Ausgleich als ungeeignet angesehen und deshalb an die Staatsanwaltschaft zurückgegeben. Drucksache 7/3039 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 3. Welche konkreten Straftaten lagen den in der Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage (Drucksache 7/2876) genannten Verfahren jeweils zugrunde? Wie hoch ist ihr Anteil an den Verfahren, in denen ein Täter-Opfer- Ausgleich theoretisch möglich ist? Der Justiz liegt kein statistisches Material über die für jedes einzelne Verfahren jeweils zugrundeliegende Straftat vor. Für den angefragten Zeitraum müssten daher sämtliche der 1.740 Verfahren manuell ausgewertet werden, um Kenntnisse zu den betreffenden Delikten zu erlangen. Eine händische Auswertung der Akten wäre mit unzumutbaren Aufwand verbunden, der schon mit der aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg- Vorpommern folgenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht zu vereinbaren wäre. Generell kann jedoch die Aussage getroffen werden, dass die meisten Verfahren, in denen ein Täter-Opfer-Ausgleich durchgeführt wurde, Straftaten aus dem Bereich der leichteren bis mittelschweren Kriminalität zugrunde lagen, wie zum Beispiel Körperverletzungs- und Beleidigungsdelikte , Bedrohungen sowie Sachbeschädigungen. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist grundsätzlich nicht auf bestimmte Deliktsarten beschränkt. Er ist in jedem Verfahren und in jedem Verfahrensstadium möglich, sofern jedenfalls ein Beschuldigter und ein Geschädigter bekannt sind. Anhand der jeweils jährlich bei den Staatsanwaltschaften in Mecklenburg-Vorpommern eingehenden Ermittlungsverfahren lässt sich der erfragte Anteil wie folgt bestimmen: 0,48 Prozent für das Jahr 2013, 0,33 Prozent für das Jahr 2014, 0,35 Prozent für das Jahr 2015, 0,28 Prozent für das Jahr 2016, 0,2 Prozent für das Jahr 2017 und 0,23 Prozent für das erste Halbjahr 2018. Diese Zahlen enthalten allerdings auch die Verfahren, in denen kein Täter beziehungsweise kein Geschädigter bekannt ist. 4. Der Rückgang der Inanspruchnahme des Täter-Opfer-Ausgleichs seit 2013 lässt vermuten, dass das Ziel von entsprechenden Richtlinien aus dem Jahr 2000, wonach der Täter-Opfer-Ausgleich gefördert werden sollte, nicht erreicht wurde. a) Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung vor diesem Hintergrund? b) Ist eine Evaluierung der Richtlinien geplant? c) Sind weitere Maßnahmen vorgesehen? Zu a) Den mit der Frage 4. unterstellten Rückschluss, das Ziel der Richtlinien sei nicht erreicht worden, vermag die Landesregierung im Hinblick auf die vielfältigen Gründe für den Rückgang der Fälle (siehe Antwort zu Frage 1) nicht zu ziehen. Daher beurteilt die Landesregierung die Entwicklung der Verfahren mit Täter-Opfer-Ausgleich allein vor dem Hintergrund der unter Frage 1 mitgeteilten Gründe. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3039 5 Zu b) Eine Evaluierung der Richtlinien zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs im allgemeinen Strafrecht ist gegenwärtig nicht geplant. Zu c) Weitere Maßnahmen sind ebenfalls gegenwärtig nicht vorgesehen.