LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN 7. Wahlperiode Drucksache 7/3193 13.03.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Dr. Gunter Jess, Fraktion der AfD Ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Greifswald und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Kleine Anfrage bezieht sich auf einen Artikel der Ostsee-Zeitung. Hierzu weist die Landesregierung darauf hin, dass die Universität Greifswald bisher nicht an das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege herangetreten ist, um ihre Ur- und frühgeschichtliche Sammlung abzugeben. Aufgrund der Schließung des Lehrstuhls für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Greifswald hat nunmehr die ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Greifswald ihre Bedeutung für die Universität verloren. Aus diesem Grund soll diese Sammlung nunmehr an das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege übergeben werden. Es wird in Aussicht gestellt, die Sammlung in Schwerin oder Rostock museal aufzubereiten und auszustellen. Damit werden regional-historische und museale, touristisch verwertbare Ausstellungsstücke der Region Vorpommern entzogen (OZ - Geht Greifswalder Sammlung nach Mecklenburg?). 1. Welchen Charakter hat die ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität? Die vor- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Greifswald hat als eine der frühesten Sammlungen ‚vaterländischer Alterthümer‘ eine hohe Bedeutung für das Fach der Vor- und Frühgeschichte. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. März 2019 beantwortet. Drucksache 7/3193 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Sie ist ein Zeugnis früher wissenschaftlicher Betätigung in Pommern, ihren Sammlungsbeständen nach jedoch von überregionaler Bedeutung. Der Ausbau der Sammlung erfolgte nach den Erfordernissen des Lehrbetriebes. Der Kern der Sammlung ist daher der einer Lehrsammlung mit Originalen aus Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Mittelalter und Neuzeit. Der Bestand der Sammlung erlitt am Ende des Zweiten Weltkrieges schmerzliche Verluste, sodass der mengenmäßig größere Teil der Objekte Grabungsfunde aus stadt- und lokalhistorischen Grabungen durch Universitätsangehörige nach 1945 sind, die keinen großen Schauwert besitzen, aber zu Datierungszwecken und als Materialbeispiele für die archäologische Dokumentation von Belang sind. 2. Welche Fundstücke der Sammlung gelten als besonders bedeutsam? Von den über zehntausend Fundstücken der Sammlung können mehrere Hundert als wissenschaftlich bedeutsam angesehen werden aufgrund ihres hohen Alters, ihrer Vollständigkeit beziehungsweise Unversehrtheit, ihrer Fundumstände, ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Fundkomplex oder ihrer Interpretation als Leitform einer bestimmten Epoche. Verschiedene Beispiele dazu sind (keine vollständige Liste): - die Knaufhammeraxt von Rügen (Neolithikum, ungefähr 3.000 vor Christus), - das Bronzeschwert der Art Wildon von Wietzow aus der Tollense (Bronzezeit, ungefähr 1200 vor Christus), - Urnen, Beigaben und Leichenbrandreste des Gräberfeldes von Wilmshagen (vorrömische Eisenzeit, erste Jahrhunderte vor Christus), - die Maskenfibel von Menzlin (Wikingerzeit, um 900 nach Christus, ausgestellt im Pommerschen Landesmuseum), - Fundkomplex der slawischen Burg Arkona, unter anderem ein Schwertfragment (Slawenzeit, ungefähr 10. bis 11. Jahrhundert nach Christus, ausgestellt im Pommerschen Landesmuseum). 3. Inwieweit ist die Sammlung bereits für eine museale oder anders geartete Präsentation für Wissenschaft oder interessierte Öffentlichkeit aufbereitet? Die Sammlung ist in ihrer Grundanlage als Lehrsammlung konzipiert. Sie beinhaltet deshalb überwiegend ausgewählte Funde aus Grabungen und Begehungen, die in der Lehre als gute Belegstücke für Datierungsübungen und Materialbestimmungen dienen können. Die für die Region Vorpommern und Greifswald auch museal attraktiven Objekte sind bereits in die vorund frühgeschichtliche und mittelaltergeschichtliche Dauerausstellung des Pommerschen Landesmuseums als Leihgaben integriert. Es besteht kein Grund, diese Leihverträge zu kündigen. Der größere Teil der Sammlung besteht jedoch aus Grabungsfunden aus der Zeit nach 1945, die für die wissenschaftliche Forschung von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind, aber keinen Schauwert für Laien besitzen, zum Beispiel Keramikscherbenkomplexe verschiedenster Zeitepochen beziehungsweise -stufen. 2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3193 4. Welche Möglichkeiten wurden erwogen und gegebenenfalls geprüft, um die ur- und frühgeschichtliche Sammlung für die Region Vorpommern, d. h. gegebenenfalls auch für touristische Zwecke, nutzbar zu machen? Eine sehr gute Auswahl an Exponaten aus der Vor- und Frühgeschichtlichen Sammlung der Universität Greifswald ist in Dauerausstellungen des Pommerschen Landesmuseums integriert. Sie illustrieren für an der Geschichte Greifswalds und Pommerns interessierte Touristen und Einheimische menschliche Lebenswelten aus schriftlosen Kulturen und dem Mittelalter. Ausgesprochene ikonische Exponate wie etwa das Stralsunder Wikingergold befinden sich nicht in der Sammlung, denn es wurden bei den universitären Forschungen in der Regel eher typische als exzeptionelle Stücke für die Lehre geborgen. 5. Welche Pläne gibt es, um die weiteren musealen Schätze der Universität Greifswald (z. B. Anatomie u. a.) in geeigneter Weise für die Region nutzbar zu machen und interessierten Besuchern zu präsentieren? Lediglich die Kustodie der Universität Greifswald verwaltet museale Schätze. Darunter befinden sich die bekannten Schenkungen Ernst Bogislaws von Croy: Bildteppiche und die Rektoreninsignien. Diese Kunstwerke werden schon seit Jahren als hochrangigste Exponate im Pommerschen Landesmuseum dauerhaft präsentiert und inhaltlich vermittelt. Die Universität Greifswald ist Gründungsmitglied des Pommerschen Landesmuseums, und somit sind ihre Sammlungen dort in hohem Maße präsent. Das Pommersche Landesmuseum seinerseits ist ausdrücklich eine Lehrstätte der Universität Greifswald. Weitere museale Schätze der Kustodie sind ihre Bestände an Gelehrtenporträts mehrerer Jahrhunderte. Diese Werke sind überall in Räumen der Universität aufgehängt oder aufgestellt. Die Kustodie führt jährlich ungefähr 350 öffentliche und privat buchbare Führungen durch ihre historischen Räume und Gebäudeanlagen durch. Hierbei werden unterhaltsam Informationen zur Universitäts-, Stadt- und Wissenschaftsgeschichte gegeben. Dieses Vermittlungsangebot zählt zu den touristischen Höhepunkten der Region. Die zahlreichen anderen wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Greifswald enthalten keine musealen Schätze, sondern wissenschaftliches Belegmaterial aus Jahrhunderten Forschungsgeschichte und Lehre. Aus ethischen Gründen werden beispielsweise medizinische Sammlungen mit menschlichen Überresten nur für einen begrenzten Personenkreis zugänglich gehalten, wohingegen Pläne bestehen, einen medizinhistorischen Forschungs- und Sammelschwerpunkt zur medizinischen Versorgung in der DDR in Zukunft einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Universität Greifswald wendet zudem seit Jahren erhebliche Mittel auf, um ihre wissenschaftlichen Objektbestände digital zu erfassen, zu erschließen und im Internet sichtbar und recherchierbar zu machen. Die derzeit bevorzugte Plattform ist neben anderen Internetauftritten und Fachportalen die Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern, die es ermöglicht, hochauflösende Bilddigitalisate anzubieten und zudem Verknüpfungen mit zugehörigen Erstveröffentlichungen wie auch Forschungsdaten anzubieten. 3 Drucksache 7/3193 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Die Universität Greifswald ist der stärkste Zulieferer dieser technisch ausgeklügelten landesweiten Plattform. Die Leiterinnen und Leiter der wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Greifswald verstehen es gemäß den entsprechenden Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum Umgang mit Sammlungsgut an den Universitäten als eine ihrer Kernaufgaben, interessante Bestände der Öffentlichkeit zu vermitteln und physisch in bestem Zustand zu erhalten. Die Sammlung Vorgeschichtlicher Altertümer ist in Teilen über das Sammlungsportal der Universität (http://wissenschaftliche-sammlungen.uni-greifswald.de/) einsehbar und weist 642 Objekte aus. 4