Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 18. März 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3261 7. Wahlperiode 02.04.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Umgang mit Sanktionen, Mindest- und Tariflohn bei der Umsetzung des Teilhabechancengesetzes sowie dessen Finanzierung und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie groß ist der Spielraum der Arbeitsvermittler in den Jobcentern bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das neue Förderinstrument nach § 16i SGB II, insbesondere im Hinblick auf die Auslegung einer nur kurzfristigen Beschäftigung während des mindestens sechs- bzw. bei Behinderung oder Kindern im Haushalt fünfjährigen Hartz-IV-Bezuges? a) Inwieweit werden bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das neue Förderinstrument des § 16i SGB II konkrete Vermittlungshemmnisse vorgegeben? Womit wird gegebenenfalls das Weglassen von Vorgaben bezüglich der Vermittlungshemmnisse begründet? b) Auf welcher Grundlage erfolgt die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das neue Förderinstrument? c) Inwieweit werden Alleinerziehende oder Familien mit Kindern bei der Auswahl für die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 16e oder § 16i SGB II besonders berücksichtigt? Es handelt sich um einen vergleichsweisen großen Spielraum, der dezentral durch Ermessensausübung im konkreten Einzelfall auszufüllen ist. Besonders deutlich wird dies bei der Beurteilung der kurzzeitigen Tätigkeit. Hier hat der Bundesgesetzgeber bewusst auf zahlenmäßige Vorgaben verzichtet, um nicht eine inhaltliche Betrachtung der Umstände des Einzelfalls von vornherein auszuschließen. Drucksache 7/3261 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zu a) Für die Auswahl der Teilnehmer sind keine konkreten Vermittlungshemmnisse vorgegeben. Die Bundesregierung begründet dies im Gesetzentwurf vom 4. Oktober 2018 (Bundestagsdrucksache 19/4725) auf Seite 20 zu § 16i Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) damit, dass ein sehr langer Leistungsbezug ein geeigneter Indikator zur Bestimmung der arbeitsmarktfernen Zielgruppe ist, da er allein schon ein signifikantes Vermittlungshemmnis darstellt. Zu b) Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben in den §§ 16e und 16i SGB II. Vor einer Berücksichtigung im konkreten Einzelfall bedarf es nach dem grundsätzlichen Abgleich mit den persönlichen Fördervoraussetzungen weiterer persönlicher Gespräche, in denen gegebenenfalls auch unter Beteiligung des Arbeitgebers die konkrete Motivation und Eignung für ein Förderangebot mit den Beteiligten erörtert werden. Zu c) Es erfolgt keine besondere Berücksichtigung des genannten Personenkreises. Jedoch wird im Rahmen des § 16i SGB II durch die Leistungsbezugsdauer als Fördervoraussetzung sichergestellt, dass auch Personen erfasst werden, die aufgrund von Kinderbetreuungszeiten nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II nicht als arbeitslos geführt wurden. Das Regelinstrument steht demnach in besonderer Weise Personen mit Kindern, auch Alleinerziehenden, offen. 2. Inwieweit besteht beim Einsatz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in tarifgebundenen Unternehmen die Pflicht, einen Lohnkostenzuschuss in entsprechender Höhe der tariflichen Eingruppierung zu zahlen? a) Inwieweit besteht die Pflicht, im Rahmen des Lohnkostenzuschusses auch ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu fördern, zum Beispiel bei tarifgebundenen Unternehmen? Womit wird begründet , dass diese Gratifikationen gegebenenfalls nicht Bestandteil des Lohnkostenzuschusses sind? b) Inwieweit ist - sofern keine Tarifbindung des Unternehmens vorliegt - die Zahlung des aktuellen gesetzlichen Mindestlohnes vom ersten Tag an vorgeschrieben bzw. mit welcher Begründung gilt dies nicht? c) Inwieweit besteht für tarifgebundene Unternehmen die Möglichkeit , vormals Erwerbslose, abweichend von der Tarifbindung, auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns einzustellen? Die Höhe des Lohnkostenzuschusses ergibt sich aus dem Gesetzestext. Gemäß § 16e Absatz 2 Satz 2 SGB II bemisst sich der Zuschuss am zu berücksichtigenden Arbeitsentgelt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3261 3 Gemäß § 16i Absatz 2 Satz 2 SGB II bemisst sich der Zuschuss auf Grundlage des zu zahlenden Arbeitsentgelts, wenn der Arbeitgeber durch oder aufgrund eines Tarifvertrages oder nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zur Zahlung eines höheren Arbeitsentgeltes verpflichtet ist. Zu a) Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (unter anderem Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) ist nicht zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um einen Grundsatz des Arbeitsförderungsrechtes (vergleiche § 91 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)) zum Zwecke der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs und der Sicherstellung einheitlichen Verwaltungshandelns . Zu b) Gemäß § 16i Absatz 2 Satz 5 SGB II gilt der Ausschluss vom Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung gemäß § 22 Absatz 4 Satz 1 des Mindestlohngesetzes für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, nicht. Zu c) Das Teilhabechancengesetz enthält dazu keine Regelungen. 3. Inwieweit ist es zutreffend, dass die Jobcenter Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nach § 16i SGB II gefördert werden, jederzeit fristlos abberufen und in eine nicht geförderte Beschäftigung oder Qualifizierung zuweisen können? Womit wird dies gegebenenfalls begründet? Gemäß § 16i Absatz 6 Satz 1 SGB II soll die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer umgehend abberufen, wenn sie diese Person in eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung vermitteln kann oder die Förderung aus anderen Gründen beendet wird. Die Bundesregierung begründet dies im Gesetzentwurf vom 4. Oktober 2018 (Bundestagsdrucksache 19/4725) auf Seite 22 zu § 16i Absatz 6 SGB II damit, dass gewährleistet werden soll, dass Menschen nicht dauerhaft vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Die Abberufung wegen der Möglichkeit der Vermittlung in eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung ist Ausdruck der Nachrangigkeit der geförderten Beschäftigung gegenüber einer ungeförderten Beschäftigung sowie einer Ausbildung. Drucksache 7/3261 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 4. Inwieweit ist die Teilnahme an einer geförderten Beschäftigung nach § 16i SGB II freiwillig oder nicht freiwillig? a) Inwieweit ist es zutreffend, dass die Zuweisungsschreiben in die Maßnahme mit Rechtsfolgebelehrungen erstellt werden und also mit der Androhung von Sanktionen bewehrt sind? b) Womit wird dieses Vorgehen bzw. Verfahren begründet? Die Teilnahme an einer geförderten Beschäftigung nach § 16i SGB II ist nicht freiwillig ausgestaltet und entspricht damit dem Grundprinzip des „Förderns und Forderns“ im SGB II. Eine Abweichung davon würde zu Fehlanreizen und zur Ungleichbehandlung führen, zumal die konkrete Motivation und Eignung etwaiger Teilnehmer bei der Auswahlentscheidung durch die Jobcenter zu berücksichtigen sind. Zu a) Es ist zutreffend, dass die Zuweisungsschreiben in die Maßnahme mit Rechtsfolgenbelehrung erstellt werden und mit der Androhung von Sanktionen bewehrt sind. Zu b) Das Teilhabechancengesetz enthält keine Änderungen des Sanktionsrechtes. Für die neuen Instrumente gelten damit die bestehenden Sanktionsregelungen der §§ 31 ff. SGB II. 5. Inwieweit werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer verpflichtet, sich von einem durch das Jobcenter bestimmten Betreuer (Coach) anleiten zu lassen? Inwieweit ist die Ablehnung einer bestimmten Betreuungsperson möglich oder sanktionsbewehrt? Erfolgt die ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durch die gemeinsamen Einrichtungen selbst, liegt für die Kundin/den Kunden kein Meldezweck nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III vor. Folglich kann das Nichterscheinen nicht als Meldeversäumnis nach § 32 SGB II sanktioniert werden. Die Vorsprache in der gemeinsamen Einrichtung ist mit einer Maßnahmenteilnahme vergleichbar. Die Prüfung einer Pflichtverletzung hat nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II zu erfolgen. Die Regelungen zur Zumutbarkeit (§ 10 SGB II) sowie zur Prüfung einer Sanktion (§§ 31 ff. SGB II) sind zu berücksichtigen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3261 5 6. Warum werden bei einem langfristig angelegten Förderinstrument, wie dem neuen § 16i SGB II, keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung übernommen, was zur Folge hat, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Scheitern des Übergangs in ein reguläres Arbeitsverhältnis auch nach möglicherweise fünf Jahren geleisteter Arbeit im Rechtskreis SGB II verbleiben? Womit wird dieses Verfahren gegebenenfalls begründet? Die Bundesregierung begründet dies im Gesetzentwurf vom 4. Oktober 2018 (Bundestagsdrucksache 19/4725) auf Seite 23 zu § 16i SGB II damit, dass Drehtüreffekte im Leistungsbezug vermieden werden. Bei dem neuen Instrument des § 16i SGB II steht die Heranführung an eine längerfristige, ungeförderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Vordergrund. Ziel ist der mit der geförderten Beschäftigung verbundene Zugewinn an fachlichen und persönlichen Fähigkeiten und Qualifikationen, nicht dagegen der Aufbau neuer Versicherungsansprüche auf Arbeitslosengeld. Bestünde die Möglichkeit, solche aufzubauen, könnte dies zu Fehlanreizen bei der Aufnahme der geförderten Beschäftigung führen. 7. Wie setzt sich die Finanzierung des Lohnkostenzuschusses zur Förderung einer Beschäftigung nach § 16e und § 16i SGB II zusammen? a) Wie hoch ist der maximale Förderbetrag des Lohnkostenzuschusses nach § 16e und § 16i SGB II? b) Aus welchen Budgets werden die beschäftigungsbegleitende Betreuung und Qualifizierung oder die Freistellung des Betreuungspersonals im Unternehmen bzw. andere notwendige integrationsfördernde Maßnahmen finanziert? c) Inwieweit ist das zugesagte Budget in Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr ausreichend, um 150.000 langzeitarbeitslose Frauen und Männer zu fördern, wenn rein rechnerisch dafür je geförderter Person 555,55 Euro pro Monat zur Verfügung stehen? Zu 7 und b) Die Finanzierung der §§ 16e und 16i SGB II erfolgt über die allgemeinen Eingliederungsleistungen und bei § 16i zusätzlich über den Passiv-Aktiv-Transfer (PAT). Dazu gehört auch die Finanzierung der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung und bei § 16i SGB II auch die Qualifizierung sowie mögliche Praktika. Die Qualifizierung bei § 16e SGB II ist grundsätzlich über die Regelleistungen des SGB II beziehungsweise SGB III förderbar. Die Rechtskreiszuständigkeit ist dabei davon abhängig, ob während der Förderung nach § 16e SGB II weiterhin Hilfsbedürftigkeit besteht. Andere notwendige integrationsfördernde Maßnahmen bei § 16i SGB II sind gegebenenfalls nach einer Abberufung über das Regelinstrumentarium förderbar. Die Kosten für eine etwaige Freistellung des Bereuungspersonals in Unternehmen sind von den Unternehmen selbst zu tragen. Im Teilhabechancengesetz ist dafür kein Budget vorgesehen. Drucksache 7/3261 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Zu a) Die Festlegung eines maximalen Förderbetrages ist nicht erfolgt. Der Förderbetrag ist abhängig vom Förderinstrument, der Zuschusshöhe und ganz maßgeblich von dem zu berücksichtigenden Arbeitsentgelt. Nähere Regelungen sind in den §§ 16e und 16i SGB II enthalten. Zu c) Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen CDU, CSU und SPD der 19. Legislaturperiode sieht vor, den Eingliederungstitel in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II um insgesamt vier Milliarden Euro bis zum Jahr 2022 aufzustocken, um die Qualifizierung, Vermittlung und Reintegration von Langzeitarbeitslosen mit einem ganzheitlichen Ansatz voranzutreiben und Teilhabe am Arbeitsmarkt sowohl auf dem allgemeinen als auch auf einem sozialen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dieses Budget dient damit nicht lediglich der Umsetzung der neuen Förderinstrumente der §§ 16e und 16i SGB II. Die Bundesregierung hat im Gesetzesentwurf vom 4. Oktober 2018 (Bundestagsdrucksache 19/4725) auf den Seiten 2 und 3 Aussagen zu den Haushaltsausgaben getroffen. Die aus den Änderungen durch das Teilhabechancengesetz resultierenden tatsächlichen Ausgaben hängen von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, wie beispielsweise der Aufteilung in Förderungen nach §§ 16e und 16i SGB II, dem Zeitpunkt des Förderbeginns, den konkreten Förderkonditionen (Tariflohn, Mindestlohn, Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung), möglichen Abberufungen oder Abbrüchen, der Dauer der Förderung, einer Anrechnung von „Vorbeschäftigungen “ sowie der Inanspruchnahme von Qualifizierung und Praktika und lassen sich daher nicht genau beziffern. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme im Rahmen des vorhandenen Budgets verbleibt in der dezentralen Verantwortung der Jobcenter.