Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 18. März 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/331 7. Wahlperiode 20.03.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Enrico Komning, Fraktion der AfD Sicherheit im Atomzwischenlager Lubmin und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Das Ministerium für Inneres und Europa als zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde teilt die in Medienberichten vertretene Auffassung nicht, wonach das Zwischenlager Nord gegen terroristische Angriffe nicht ausreichend geschützt sei. Das Zwischenlager Nord ist funktionell aufgeteilt in das Transportbehälterlager (Aufbewahrung von CASTOR-Behältern in der Halle 8) und das Abfalllager (Zwischenlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle in den Hallen 1 bis 7). Das Transportbehälterlager besitzt eine Genehmigung nach dem Atomgesetz; das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (ehemals Bundesamt für Strahlenschutz) ist die Genehmigungsbehörde, atomrechtliche Aufsichtsbehörde ist das Ministerium für Inneres und Europa. Das Abfalllager besitzt eine Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung; hier ist das Ministerium für Inneres und Europa sowohl Genehmigungs- als auch Aufsichtsbehörde. Drucksache 7/331 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 In verschiedenen Medienberichten wurde dargestellt, dass die Bedingungen im atomaren Zwischenlager in Lubmin nicht ausreichen, um den dort gelagerten Atommüll ausreichend vor terroristischen Angriffen zu schützen.1 In Drucksache 6/5898 führte die Landesregierung aus, dass der Bund als alleiniger Eigentümer der Firma Energiewerke Nord mit dem Finanzministerium als Gesellschafter für die Lagerung des Atommülls zuständig ist. Bereits seit dem Jahr 2011 sind von dieser Stelle erhöhte Kosten für ein neues Sicherungskonzept gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter geltend gemacht worden. 1. Welche radioaktiven Abfälle werden zurzeit in Lubmin gelagert [bitte Ursprungsort angeben und nach starker Radioaktivität (Castor Behälter) sowie Abfällen mit mittlerer und schwacher Radioaktivität aufschlüsseln; dazu jeweils die Menge in üblicher Bezeichnung als Stück, in Kilogramm oder in Kubikmetern angeben]? Im Transportbehälterlager des Zwischenlagers Nord lagern hochradioaktive Abfälle in Behältern des Typs CASTOR®. Eingelagert sind insgesamt 74 CASTOR®-Behälter mit insgesamt 584,5 Megagramm (Mg) Kernbrennstoff. Im Einzelnen: Anzahl CASTOR®-Typ Herkunft 6 440/84 Kernkraftwerk Rheinsberg 56 440/84 Kernkraftwerk Greifswald 3 KRB-MOX Kernkraftwerk Greifswald 4 KNK Kompakte Natriumgekühlte Kernreaktoranlage (KNK) und Forschungsschiff Otto Hahn 5 HAW 20/28 Verglasungseinrichtung Karlsruhe (VEK) Sonstige radioaktive Abfälle lagern am Standort Lubmin/Rubenow im Abfalllager des Zwischenlagers Nord, in der Landessammelstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die Bestandteil des Zwischenlagers Nord ist, und in dem Kernkraftwerk Greifswald. Die radioaktiven Abfälle stammen überwiegend aus den Rückbauprojekten der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg, in geringem Umfang auch von Dritten. Der Bestand ist jeweils zum Stichtag 31. Dezember vom Betreiber fortzuschreiben und bis zum 31. März des Folgejahres der zuständigen Behörde vorzulegen. Der Bestand zum Zeitpunkt 31.12.2015 ist nachfolgenden Tabellen zu entnehmen: Abfalllager Zwischenlager Nord Rohabfälle und vorbehandelte Abfälle Masse Feste Abfälle, anorganisch 3.771,3 Mg Feste Abfälle, organisch 2,2 Mg Flüssige Abfälle, anorganisch 6,0 Mg Mischabfall 3,1 Mg Strahlungsquellen 1,4 Mg Summe 3.784,0Mg 1 Vgl. Ostsee Zeitung vom 23.12.2016; vgl. Nordkurier vom 25.01.2017. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/331 3 Konditionierte Abfallprodukte Anzahl Volumen 200-l-Fass 10.717 2.894 m³ 280-l-Fass 34 13 m³ 400-l-Fass 114 59 m³ 570-l-Fass 18 14 m³ Summe: 10.883 2.979 m³ Endlagergebinde Anzahl Volumen Betonbehälter Typ I 56 67 m³ Container Typ IV 19 141 m³ Container Typ IV (Typ KfK) 480 3.427 m³ Gussbehälter Typ II 13 17 m³ Summe: 568 3.652 m³ Landessammelstelle Mecklenburg - Vorpommern Rohabfälle und vorbehandelte Abfälle Masse Feste Abfälle, anorganisch 1,4 Mg Summe: 1,4 Mg Kernkraftwerk Greifswald Rohabfälle und vorbehandelte Abfälle Masse Feste Abfälle, anorganisch 126,4 Mg Feste Abfälle, organisch 26,7 Mg Flüssige Abfälle, anorganisch 268,3 Mg Flüssige Abfälle, organisch 6,1 Mg Mischabfälle 212,3 Mg Summe: 639,9 Mg Konditionierte Abfallprodukte Anzahl Volumen 200-l-Fass 475 128 m³ Summe: 475 128 m³ Drucksache 7/331 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 2. Findet eine Überprüfung des Inhaltes und der Deklaration des radioaktiven Abfalls, das der Gewerbeaufsicht des Landes unterfällt, statt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Gewerbeaufsicht des Landes ist nicht zuständig. Für alle kerntechnischen Anlagen am Standort Lubmin/Rubenow, also auch für das Zwischenlager Nord, ist das Ministerium für Inneres und Europa zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde. Im Rahmen dieser Aufsicht überwacht das Ministerium für Inneres und Europa unter Hinzuziehung unabhängiger Sachverständiger auch die ordnungsgemäße Deklaration der radioaktiven Abfälle. Es gab bisher keine Beanstandungen. 3. Wie hoch ist die durchschnittliche radioaktive Strahlung im Zentrum des Lagers bzw. an der Stelle mit der größten Konzentration der Abfälle und der höchsten Radioaktivität? In beiden Bereichen des Zwischenlagers Nord (Transportbehälterlager, Abfalllager) ist ein sogenannter Kontrollbereich nach Strahlenschutzverordnung eingerichtet. Für die Gammaortsdosisleistung an Gebinden ist festgelegt, dass diese 100 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde) in zwei Meter Abstand nicht überschreiten darf. In weiten Teilen des Zwischenlagers Nord wird dieser Wert deutlich unterschritten. Nur an wenigen Punkten im Zwischenlager Nord (z. B. in direkter Nähe der eingelagerten Reaktordruckgefäße) liegen die Werte im Bereich des Grenzwertes von 100 µSv/h, überschreiten ihn aber nicht. Für Personen, die in Kontrollbereichen tätig werden, gelten spezielle Verhaltens- und Überwachungsregeln. Aufgrund des in der Strahlenschutzverordnung vorgeschriebenen Minimierungsgebotes und der Vorgaben aus den Betriebsvorschriften dürfen sich Personen in der Nähe der höchsten Strahlenbelastung im Zwischenlager Nord nur kurzzeitig aufhalten. Die im Kontrollbereich tätigen Personen werden messtechnisch durch Dosimeter (amtliche Dosimeter und zusätzliche Betriebsdosimeter) auf die Einhaltung der Grenzwerte aus der Strahlenschutzverordnung überwacht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/331 5 4. Wie hoch ist die geschätzte radioaktive Strahlung im Fall einer Zerstörung von 50 % der eingelagerten Behältnisse (bitte auflisten anhand der Kategorien schwacher, mittlerer und starker radioaktiver Abfall)? 5. Für den Fall einer Zerstörung von 50 % der eingelagerten Behältnisse, wie groß ist - ohne Beachtung einer Flugbahn von radioaktiven Teilstücken durch die Einwirkung einer Explosion - der Strahlungsradius? 6. Bis zu welcher Entfernung können im Fall einer Zerstörung von 50 % der eingelagerten Behältnisse Strahlungskrankheiten der Kategorie LD 100/14 (Latente Dosis 100 Todesfälle nach 14 Tagen) auftreten? Die Fragen 4, 5 und 6 werden zusammenhängend beantwortet. In den Genehmigungsverfahren für das Zwischenlager Nord wurden zu unterstellende Störfälle und Szenarien einschließlich sogenannter auslegungsüberschreitender Ereignisse sowie die daraus resultierenden Auswirkungen untersucht. Welche Arten von Störfällen und Szenarien dabei zu unterstellen sind, ist bundeseinheitlich vorgeschrieben. Keiner der zu unterstellenden Störfälle und Szenarien führt zu einer Zerstörung von 50 Prozent der eingelagerten Behältnisse. Daher können zu den in den Fragen 4 bis 6 beschriebenen Szenarien keine Aussagen getroffen werden. Bei allen zu unterstellenden Störfällen für das Zwischenlager Nord werden die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten. Die Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Absturzes eines Verkehrsflugzeuges einschließlich des Typs A 380 auf das Zwischenlager Nord wurden ebenfalls untersucht. Die maximal zu erwartenden radiologischen Auswirkungen sind so gering, dass der Richtwert zur Einleitung von Katastrophenschutzmaßnahmen zur Evakuierung weit unterschritten wird. 7. Welche Sicherheitsvorkehrungen bestehen zur Verhinderung eines unbefugten Eindringens von Personen über den Landweg (insbesondere bei Anwendung von Gewalt mit Schienenfahrzeugen auf den vorhandenen Gleisen oder per LKW)? 8. Welche Sicherheitsvorrichtungen bestehen gegen das unbefugte, gewaltsame Eindringen, Entwenden und Wegschaffen von radioaktivem Material über den angrenzenden Kanal auf die Ostsee? Drucksache 7/331 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 9. Welche Abwehrmöglichkeiten sind vorhanden, um Einwirkungen durch Luftfahrzeuge auszuschließen? a) Gibt es Vorkehrungen, durch welche sichergestellt ist, dass sich unbefugt annähernde Luftfahrzeuge durch den Einsatz von Luftabwehrmitteln an der Auslösung einer Explosion im Zwischenlager Lubmin gehindert werden können? b) Inwieweit bestehen Sicherheitsvorkehrungen gegen eine missbräuchliche Benutzung des circa sieben Kilometer entfernt liegenden Flugplatzes Peenemünde? Die Fragen 7, 8 und 9 werden zusammenhängend beantwortet. Alle kerntechnischen Anlagen in Deutschland und somit auch das Zwischenlager Nord sind umfassend gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter geschützt beziehungsweise gesichert. Ein integriertes Sicherungs- und Schutzkonzept verzahnt staatliche und betreiberseitige Maßnahmen und orientiert sich an einer Vielzahl unterschiedlicher Szenarien. Diese Szenarien werden regelmäßig zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, den atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden sowie den Innenbehörden des Bundes und der Länder, dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, den Sicherheitsbehörden des Bundes und sonstigen Sicherheitsexperten abgestimmt und basieren auf aktuellen Erkenntnissen. Deutschland erfüllt damit auch die internationalen Verpflichtungen und die Empfehlungen der Internationalen Atomenergiebehörde. Zu den Sicherungsmaßnahmen gehören auch Maßnahmen gegen die unberechtigte Entwendung von radioaktiven Stoffen, das gewaltsame Eindringen und die Einwirkung mittels Schienenfahrzeuges und LKW. Zur Verhinderung der Entwendung von Flugzeugen von Flughäfen besteht ein umfangreiches Regelwerk. Auch der Betreiber des Flughafens Peenemünde obliegt der Verantwortlichkeit zur Einhaltung dieser Vorschriften.