Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 14. Mai 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3525 7. Wahlperiode 15.05.2019 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Dr. Mignon Schwenke, Fraktion DIE LINKE Klärschlammverwertung in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung vom 27. September 2017 ist am 3. Oktober 2017 in Kraft getreten. Die bisherige Klärschlammverordnung enthielt ausschließlich Bestimmungen zur bodenbezogenen Klärschlammverwertung und damit zur Nutzung der Klärschlämme als Düngemittel. Kernstück der neuen Verordnung bildet die Pflicht zur Nutzung der Phosphorressource aus Klärschlämmen. Zugleich untersagt die Verordnung die direkte bodenbezogene Verwertung von Klärschlämmen aus Abwasserbehandlungsanlagen größer 100.000 Einwohnerwerte (zwölf Jahre nach Inkrafttreten) und aus Kläranlagen größer 50.000 Einwohnerwerte (15 Jahre nach Inkrafttreten). Bereits jetzt ist die Verwertung von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen stark eingeschränkt . Hintergrund sind Regelungen im Düngerecht. Damit ist der Bedarf an alternativen thermischen Verwertungskapazitäten weiter gestiegen. Entsprechende Entsorgungsangebote spiegeln diese Entwicklung durch gestiegene Preise wieder. Die Bundesregierung der 18. Wahlperiode hat in ihrem Koalitionsvertrag in Kapitel 4.2 „Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land“ unter dem Stichwort „Umwelt“ festgeschrieben , dass die Klärschlammausbringung zur Düngung beendet werden soll und die Rückgewinnung von Phosphor verpflichtend wird. Für die zukünftig gewollte Abkehr von der bodenbezogenen Klärschlammentsorgung hin zu einer thermischen Verwertung und Nutzung der Phosphorressource bestehen bundesweit noch nicht ausreichend Kapazitäten. Es ist daher von weiteren Preissteigerungen für die Entsorgung von Klärschlamm auszugehen. Drucksache 7/3525 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Die Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (Klärschlammverordnung - AbfKlärV) des Bundes ist am 27. September 2017 in Kraft getreten. Die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen führen zu einer starken Einschränkung der bisherigen Klärschlammverwertung. 1. Wie viele Gemeinschaftskläranlagen der Größenklassen 1 bis 5 werden in Mecklenburg-Vorpommern betrieben (bitte tabellarisch nach Größenklasse und Anzahl darstellen)? Größenklasse (Einwohnerwert) Anzahl GK 1 (< 1.000) 428 GK 2 (1.000 -5.000) 86 GK 3 (5.001 -10.000) 21 GK 4 (10.001-100.000) 47 GK 5 (> 100.000) 4 Quelle: Kommunale Abwasserbeseitigung in M-V - Lagebericht 2017 2. Wie viel Klärschlamm fällt in diesen Anlagen in Mecklenburg- Vorpommern pro Jahr an (bitte tabellarisch nach Größenklasse und Menge darstellen)? In Mecklenburg-Vorpommern wird eine Statistik zum Klärschlammanfall kommunaler Kläranlagen bezogen auf ihre Größenklasse gemäß Anhang 1 der Abwasserverordnung nicht geführt. In Rahmen der Bearbeitung der Studie „Zukunftsfähige Behandlung und Entsorgung von Klärschlamm in M-V“ (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg -Vorpommern/Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern , Dezember 2013) wurde ermittelt, dass bis zu circa 41.000 Tonnen (t) Trockensubstanz pro Jahr (TS/a) von 204 direkt entsorgenden Kläranlagen abgegeben wurden. Dabei wurde nach drei Größenklassen unterschieden. Etwas mehr als die Hälfte der Gesamtmenge wurde 2013 von nur zwölf großen Kläranlagen mit einem Klärschlammanfall von jeweils mehr als 1.000 t TS/a abgegeben. 37 % der Klärschlammmenge entfallen auf 43 mittlere städtische Kläranlagen mit einem Klärschlammanfall zwischen jeweils 100 bis 1.000 t TS/a. Demgegenüber stehen rund 150 kleinere Kläranlagen des ländlichen Raumes, die circa 11 % des Klärschlammaufkommens produzieren. 2017 betrug der Klärschlammanfall für die kommunalen Kläranlagen 33.125 t TS/a. Dabei kann von einer ähnlichen prozentualen Verteilung der Klärschlammmengen ausgegangen werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3525 3 3. Gibt es ein landesweites Klärschlammverwertungskonzept? Wenn nicht, wie unterstützt die Landesregierung die Kommunen bei der Entwicklung eigener Klärschlammverwertungskonzepte? Im Jahr 2013 wurde durch das damalige Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern und das damalige Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam eine Studie zur zukunftsfähigen Behandlung und Entsorgung von Klärschlamm in Mecklenburg-Vorpommern herausgegeben. Am Ende dieser Studie wurde im Ausblick bereits zu diesem Zeitpunkt den abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaften als Klärschlammerzeuger empfohlen, sich neben den Fragen der Energieeffizienzsteigerung und Kostenoptimierung auch der Überprüfung ihrer betrieblichen Klärschlammkonzepte hinsichtlich Entsorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu widmen. Ergänzend wurde vom damaligen Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus im Jahr 2015 eine Studie zur vertiefenden Untersuchung zu den technischen Möglichkeiten der thermischen Klärschlammverwertung in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht. Beide Studien sind auf der Internetseite des heutigen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit veröffentlicht . 2018 fand an der Universität Rostock ein Phosphordialog statt. Diese Veranstaltung der Deutschen Phosphorplattform unter Mitwirkung des Leibnitz-Wissenschaftscampus Phosphorforschung Rostock, des heutigen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt und des heutigen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit diente der Information über den aktuellen Sachstand bei der Phosphorrückgewinnung und gab Impulse für die Etablierung von Phosphorrückgewinnungsverfahren in Mecklenburg-Vorpommern. Darüber hinaus erfolgt auf Fachebene die regelmäßige Mitarbeit von Vertreterinnen und Vertretern der genannten Ministerien an den Treffen des Klärschlammnetzwerkes Mecklenburg- Vorpommern der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA). 4. Unterstützt die Landesregierung die Klärschlammkooperation Mecklenburg-Vorpommern GmbH zum Bau einer Klärschlammverwertungsanlage als Lösung für ihre Mitglieder? Wenn ja, wie erfolgt diese Unterstützung? Die Klärschlammkooperation Mecklenburg-Vorpommern (KKMV) wurde 2003 (formal 2012) nach BSE- und Maul- und Klauenseuche-Skandalen (MKS-Skandalen) mit dem Ziel gegründet, bei der Klärschlammentsorgung Kapazitäten zu bündeln, um so auf die angekündigten Restriktionen bei der künftigen landwirtschaftlichen Klärschlammentsorgung besser reagieren zu können. Die oberste Abfallbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern begleitet und unterstützt das Projekt der Klärschlammkooperation fachlich von Beginn an. Das Vorhaben der Kooperation steht im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Abfallwirtschaftspolitik gemäß dem Abfallbewirtschaftungsplan des Landes. Durch die kooperative Zusammenarbeit der Klärschlammerzeuger kann eine langfristige sichere und optimale Nutzung moderner Anlagen gewährleistet werden, die auf den Bedarf des Landes ausgerichtet sind. Drucksache 7/3525 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Durch das Projekt der KKMV werden regionale Wertschöpfungsketten zu einer Kreislaufwirtschaft geführt und nachhaltige Lösungen bei der Entsorgung von Klärschlamm in Mecklenburg -Vorpommern geschaffen. Dabei bietet die Lösung Entsorgungssicherheit, stellt sich wirtschaftlich dar und dient dem Ressourcenschutz durch die geplante innovative Nutzung des Phosphorgehaltes aus den Klärschlämmen. Das Phosphor-Recycling kann nach den Vorgaben der Klärschlammverordnung sowohl durch Rückgewinnung des Phosphors aus den Verbrennungsaschen als auch in Form der stofflichen Nutzung der Verbrennungsaschen selbst erfolgen. 5. Welche Planungen sind der Landesregierung bekannt, kommunal- und privatrechtlich organisierte Klärschlammverwertungsanlagen mit welchen Verwertungskapazitäten in Mecklenburg-Vorpommern zu errichten? KKMV: Die KKMV plant den Bau und Betrieb einer thermischen Mono-Verwertungsanlage für Klärschlamm mit einer Phosphor-Recycling-Option in Rostock. Die Anlage soll eine Gesamtkapazität von etwa 25.000 t Trockensubstanz (TS)/a (entspricht ~100.000 t Originalsubstanz (OS)/a) besitzen. Ein direkter Anschluss der Anlage an das Rostocker Fernwärmenetz ist geplant. Die Klärschlammasche bietet nach ersten Untersuchungen ein großes Phosphatpotential, welches durch geeignete weitere Aufbereitungsschritte in- oder außerhalb der Anlage genutzt werden könnte. EEW Energy from Waste Stavenhagen GmbH & Co. KG: Die EEW Energy from Waste Stavenhagen GmbH & Co. KG (ehemals Nehlsen Heizkraftwerke GmbH & Co. KG) plant in Stavenhagen unter Nutzung von Synergieeffekten zum bestehenden Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk eine Monoverbrennungsanlage für Klärschlamm, um die vom Gesetzgeber zukünftig geforderte Phosphatrückgewinnung aus der Asche zu ermöglichen. Strategisches Ziel ist die Marktplatzierung einer hochwertigen Verwertungsmöglichkeit für Klärschlämme inklusive der Herstellung einer für die Phosphatrückgewinnung geeigneten Asche mit mehr als 80% Phosphatrückgewinnung gemäß der Klärschlammverordnung. Die geplante Anlage soll aus einer Trocknungs- und Verbrennungsanlage für Klärschlamm bestehen und eine Kapazität von 160.000 t/a (Originalsubstanz) besitzen. HTCycle GmbH: In Vorpommern bemüht sich aktuell das Unternehmen HTCycle GmbH um die Schaffung eines Built and Operate Konzepts für die Behandlung der Klärschlämme aus mehreren Abwasserverbänden mit einer Klärschlammgesamtmenge von ca. 3.800 t TS. Im Gegensatz zur Monoverbrennung setzt HTCycle auf die hydrothermale Karbonisierung mit einer nachgeschalteten Aufbereitung der Festphase (Kohle) und Flüssigphase (Ablauge). Der partikulär als Phosphat gebundene Phosphor wird im Karbonisierungsschritt zu mehr als 95 % herausgelöst und fällt anschließend aus der Hydrokohle aus. Von dort wird er mit Säure abgelöst und kann anschließend als Calciumphosphat (CleanPhos-Verfahren) oder als Struvit (Hohenheimer Verfahren) gefällt werden. Dieses Verfahren wird noch nicht großtechnisch betrieben. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3525 5 Stadtwerke Güstrow: Über das laut Pressemitteilungen bekannt gewordene Ansinnen der Stadtwerke Güstrow, am Standort der ehemaligen Zuckerfabrik eine Klärschlammverbrennungsanlage errichten zu wollen, liegen der Landesregierung keine näheren Informationen vor. 6. Wie viel Prozent der anfallenden Klärschlämme aus Gemeinschaftskläranlagen können auch künftig als Wirtschaftsdünger auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden? Grundsätzlich können Klärschlämme aus Abwasserbehandlungsanlagen bis zu einer Ausbaugröße von 100.000 Einwohnerwerten bis 2029 und ab 2032 bis zu einer Ausbaugröße von 50.000 Einwohnerwerten auch bodenbezogen verwertet werden. Ob eine bodenbezogene Verwertung tatsächlich durchgeführt wird, ist aber sowohl von der Qualität der Klärschlämme als auch von den dafür zur Verfügung stehenden Flächen abhängig. Insofern kann eine prozentuale Angabe für die Zukunft nicht erfolgen. 7. Wie viel Prozent der anfallenden Klärschlämme müssen künftig anders verwertet werden? Für wie viel Prozent dieser Klärschlämme ist künftig eine Rückgewinnung von Phosphor vorgeschrieben? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Die Phosphor-Rückgewinnungspflicht ist ausschließlich an den Phosphorgehalt des Klärschlamms geknüpft. Gemäß den Vorgaben der Verordnung müssen die Klärschlammerzeuger den Phosphorgehalt im Jahr 2023 untersuchen und die Ergebnisse den zuständigen Behörden übermitteln. Daher hat die Landesregierung bisher noch keine Kenntnis über die einzelnen Gehalte an Phosphor in den Klärschlämmen aus Abwasserbehandlungsanlagen in Mecklenburg -Vorpommern. 8. Welche Methode der Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen bewertet die Landesregierung als Stand der Technik und kostengünstig umsetzbar? Sofern ein Klärschlamm ein Phosphorgehalt von 20 Gramm oder mehr je Kilogramm Trockenmasse enthält, besteht grundsätzlich die Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung. Drucksache 7/3525 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Der Klärschlammerzeuger hat dann den Klärschlamm - unmittelbar einer Phosphor-Rückgewinnung oder - einer thermischen Verwertung in einer Klärschlammverbrennungsanlage oder Klärschlamm- Mitverbrennungsanlage zuzuführen. Die Phosphor-Rückgewinnungspflicht aus der Verbrennungsasche oder die stoffliche Verwertung der Verbrennungsasche obliegt hierbei dem Betreiber der Verbrennungsanlage. Die Klärschlammverordnung enthält keine Vorgaben zu Verfahren der Phosphorrückgewinnung . Bei entsprechender Qualität der Verbrennungsaschen ist auch die stoffliche Verwertung dieser Aschen als Phosphor-Rückgewinnung beziehungsweise Phosphor-Recycling zulässig. Die Bewertung von Verfahren zur Nutzung der Phosphorreserve ist an unterschiedliche Randbedingungen geknüpft und kann nur im Einzelfall erfolgen. Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung von Verfahren noch nicht abgeschlossen. Die Übergangsfrist in der Verordnung erlaubt diesbezüglich den Verpflichteten, die weiteren Entwicklungen noch abzuwarten.