Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 27. Mai 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3551 7. Wahlperiode 29.05.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Dr. Wolfgang Weiß, Fraktion DIE LINKE Munitionsbelastung im Küstenmeer - Auswirkungen auf Umsetzung des Landesraumentwicklungsprogramms und ANTWORT der Landesregierung 1. Welche Ergebnisse und Erkenntnisse ergab der im Fortschrittsbericht 2017 „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer“ genannte Rechercheauftrag des Landes an den Munitionsbergungsdienst über belastete Gebiete im Küstenmeer des Landes? Recherchen zu den Schießgebieten vor der gesamten Ostseeküste Mecklenburg- Vorpommerns ergaben kampfmittelbelastete Flächen mit einer Größe von 15.138,947 Quadratkilometern , in denen auf dem Meeresgrund mit dem Vorhandensein von Kampfmitteln aus den verschiedensten Schießübungen seit Gründung der Kaiserlichen Marine 1872 zu rechnen ist. Teilweise werden die Flächen noch immer von der heutigen Bundesmarine für „Artillerie- und Torpedoschießübungen“ genutzt. Diese Flächen sind in das Kampfmittelkataster des Munitionsbergungsdienstes Mecklenburg- Vorpommern übernommen und auf Grundlage von Kapitel 5.2 „Kategorisierung von kampfmittelverdächtigen und kampfmittelbelasteten Flächen“ der Arbeitshilfen Kampfmittelräumung (AH KMR) in die Kategorie 3 eingestuft worden: „Die festgestellte Kampfmittelbelastung stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefährdung dar. Sie ist zu dokumentieren . Bei Nutzungsänderungen und Infrastrukturmaßnahmen ist eine Neubewertung durchzuführen . Daraus kann sich ein neuer Handlungsbedarf ergeben.“ Diese in ihrer Dimension neuen Erkenntnisse und die erforderliche Aufnahme dieser Flächen in das Kampfmittelkataster haben weitreichende Folgen bei vorgesehenen Nutzungsänderungen . Drucksache 7/3551 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zuvor genehmigte Sandentnahmegebiete liegen gegebenenfalls in kampfmittelbelasteten Flächen, sodass die Problematik der im entnommenen Sand enthaltenen Kampfmittel Beachtung finden muss. Ebenso ist bei allen Genehmigungen für Infrastrukturmaßnahmen (zum Beispiel Offshore- Windparks, Ostseeleitungen) sowie deren Anbindung die nunmehr dokumentierte Kampfmittelbelastung zu berücksichtigen. Für die bisherige nicht bodeneingreifende Nutzung (zum Beispiel Schifffahrt, Fischerei) ergeben sich hingegen aktuell keine Einschränkungen. 2. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Erkenntnissen dieser Recherche bzw. aus jüngeren Berichterstattungen zu Munitionsbelastungen für die im Landesraumentwicklungsprogramm (LEP) ausgewiesenen marinen Vorbehaltsgebiete Rohstoffsicherung? a) Würden im Falle einer anzunehmenden Belastung die im LEP ausgewiesenen Flächen zur Rohstoffsicherung und -gewinnung entfallen bzw. das Kapitel dazu unwirksam werden? b) Würde eine detaillierte Untersuchung und etwaige Beräumung vor einem geplanten Abbau erfolgen bzw. welche Regelungen gibt es und sind in solchen Fällen einzuhalten? c) Welchen Einfluss haben Maßnahmen zum Aufsuchen und Bergen von Munition im Küstenmeer für einen geplanten Abbau etwa von Kies und Sand? Mit der Festlegung der Vorbehaltsgebiete Rohstoffsicherung werden die planerischen Voraussetzungen für die nachhaltige Rohstoffsicherung und -gewinnung geschaffen. Die Festlegungen beruhen auf dem Nachweis der Abbauwürdigkeit (Bewilligung nach § 8 Bundesberggesetz ). Zu a) Nein. Zu b) Für Sandentnahmen wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Munitionsbergungsdienst im Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz Mecklenburg-Vorpommern, dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg sowie dem Bergamt Stralsund ein Verfahren zur Vermeidung der Verbringung explosiver Kampfmittel an den Strand infolge Sandaufspülungen und zur Sicherstellung der Arbeitssicherheit auf Schiffen erarbeitet. Das Verfahren umfasst die vorsorgliche Sondierung potenzieller Abbauflächen (Vermeidung größerer Kampfmittel) sowie die Erstellung eines Gefahrenabwehrmanagementplans für die einzelnen Entnahmen mit mechanischer Separation (Aussieben) von Kampfmitteln geringerer Größe. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3551 3 Diese Vorgehensweise wird bei der Gewinnung von Sanden für Zwecke des Küstenschutzes und auch bei gewerblichen Vorhaben bereits seit mehreren Jahren erfolgreich angewendet. Zu c) Die in der Antwort zu Frage b) angegebene vorsorgliche Sondierung und die weiteren Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung sind Voraussetzung für die Zulassung von Betriebsplänen zur Entnahme von Sanden. Die Untersuchungen und Maßnahmen sind zeit- und kostenintensiv und müssen frühzeitig durchgeführt werden, um Flächen in ausreichender Größe für Sandentnahmen zur Verfügung zu haben. 3. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Erkenntnissen dieser Recherche bzw. aus jüngeren Berichterstattungen zu Munitionsbelastungen für die touristische Nutzung? 4. Welche Konsequenzen ergeben sich aus Erkenntnissen dieser Recherche bzw. aus jüngeren Berichterstattungen zu Munitionsbelastungen für die Fischerei? Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 dargelegt, bestehen für die nicht bodeneingreifende Nutzung aktuell keine Einschränkungen. 5. Welche Maßnahmen sind gegebenenfalls bereits vorgesehen oder werden bzw. sollen mit den anderen betroffenen Bundesländern und dem Bund abgestimmt, um die infolge des Durchrostens zunehmend durch austretenden Sprengstoff TNT und dessen Abbauprodukte vorhandenen Auswirkungen auf Meeresorgansimen einzudämmen bzw. zu verhindern? Entsprechende Maßnahmen sind derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgesehen. Abstimmungen mit anderen Bundesländern und dem Bund finden dazu aktuell nicht statt. Die in jüngerer Vergangenheit medienwirksam veröffentlichten Forschungsergebnisse zu Auswirkungen von Trinitrotoluol (TNT) oder von chemischen Kampfstoffen auf Meeresorganismen beziehen sich auf bekannte Munitionsversenkungsgebiete nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen das Auftreten von Giftstoffen aufgrund der sehr großen Kampfmittelmengen als am wahrscheinlichsten gilt. Drucksache 7/3551 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Solche Kampfmittelmengen mit einem derartigen Gefahrenpotential sind vor der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns nicht bekannt. Dies wird gestützt durch in den recherchierten Schießgebieten separierte Munitionsreste, bei denen es sich lediglich um Granatsplitter und Bruchstücke der Granathüllen beziehungsweise um komplette nicht detonierte Granaten mit allenfalls geringem Korrosionsgrad handelte.