Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 5. Juli 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3727 7. Wahlperiode 08.07.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE Arbeits- und Kostenaufwand bei der Verfolgung von Cannabis-Delikten und ANTWORT der Landesregierung 1. In wie vielen Fällen wurden zwischen den Jahren 2014 und 2018 Ermittlungen wegen des Besitzes, des Verkaufs, der Produktion oder der Anpflanzung von Cannabis Anzeigen aufgenommen und wie verteilen sich diese auf die Dienststellen der Polizei in Mecklenburg- Vorpommern (bitte nach Jahren und Dienststellen aufschlüsseln)? Für die Jahre 2014 bis 2018 wurde in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) die nachfolgende Anzahl von Fällen im Zusammenhang mit Cannabisprodukten erfasst. In der PKS werden Straftaten auch den Landkreisen und kreisfreien Städten zugeordnet. Eine Darstellung der Straftaten bezogen auf alle Dienststellen der Polizei des Landes Mecklenburg -Vorpommern erfolgt nicht. Anzahl erfasster Fälle 2014 2015 2016 2017 2018 Schwerin 309 156 267 300 296 Rostock 296 504 502 595 911 LK Ludwigslust-Parchim 422 427 325 357 452 LK Nordwestmecklenburg 193 186 270 360 325 LK Rostock 230 213 265 291 366 LK Vorpommern-Greifswald 319 314 385 365 390 LK Mecklenburgische Seenplatte 643 612 583 634 660 LK Vorpommern-Rügen 366 344 427 591 482 gesamt 2.778 2.756 3.024 3.493 3.882 Drucksache 7/3727 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. In wie vielen Fällen wurden zwischen den Jahren 2014 und 2018 Menschen wegen des Besitzes, des Verkaufs, der Produktion oder der Anpflanzung von Cannabis in Mecklenburg-Vorpommern verurteilt? Wie viele Verfahren wurden eingestellt (Strafbefehle, Einstellungen, Freiheitsstrafen, Strafarrest, Geldstrafe etc.; bitte jeweils darstellen)? Eine statistische Erhebung zu diesen Daten erfolgt bei den Staatsanwaltschaften/Gerichten nicht. Für den Erhebungszeitraum von 2014 bis 2018 erfasst die Statistik insgesamt 30.901 Ermittlungsverfahren, die in den Sachgebieten zum Tatvorwurf Betäubungsmittelkriminalität geführt wurden. Eine differenziertere Erfassung zu Verfahren, die wegen Besitzes, Verkaufes oder der Herstellung von Cannabis geführt wurden, erfolgt nicht. Insoweit müsste im Rahmen einer händischen Auswertung jedes einzelne Verfahren im Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellung ausgewertet werden. Die diesbezüglichen Akten müssten zur Beantwortung sämtlicher Fragen einzeln in mehreren Behörden durchgesehen werden. Die Beantwortung der Frage würde demnach insgesamt einen Aufwand begründen, der schon mit der aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Voprpommern folgenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht zu vereinbaren wäre. 3. In wie vielen Fällen wurden zwischen den Jahren 2014 und 2018 jeweils Ersatzfreiheitsstrafen angedroht oder verhängt? Wie hoch war die durchschnittliche Dauer (bitte nach Tagen aufschlüsseln )? Eine statistische Erfassung erfolgt hierzu nicht, sodass eine Beantwortung der Fragestellung nicht möglich ist. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Welche einzelnen Arbeitsschritte auf Seiten von Polizei und Justiz fallen im Durchschnitt bei der Verfolgung eines Cannabis-Delikts an, wenn beispielsweise ein Konsument in Mecklenburg-Vorpommern im Besitz eines Joints oder eines Tütchens mit Cannabis von der Polizei auf offener Straße bemerkt wird, bis hin zum Ende des Verfahrens? Bei derartigen Sachverhalten werden durch die Polizei folgende Arbeitsschritte durchgeführt: - Identitätsfeststellung, - Durchsuchung der Person und der mitgeführten Sachen, - Abfrage polizeilicher Erkenntnisdateien, - Bei einschlägigen Vorstrafen, gegebenenfalls Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft, - Belehrung als Beschuldigter/Tatverdächtiger im Ermittlungsverfahren, - Sicherstellung Beweismittel, Fertigung einer Niederschrift, Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3727 3 - Anzeige gemäß § 29 Absatz 1 beziehungsweise § 29 Absatz 1 Satz 3 des Betäubungsmittelgesetzes , - Anbieten von rechtlichem Gehör, - Durchführung eines Drogenvortestes, - Fertigung eines Test- und Wiegeberichtes, - Abgabe des Verfahrens und der sichergestellten Betäubungsmittel an die Staatsanwaltschaft , Zusätzliche Maßnahmen können in Einzelfällen unter anderem sein: - Zeugenvernehmung, - Umfeld-Ermittlungen, - Erkennungsdienstliche Behandlung, - Information an Führerscheinstelle, - Kriminaltechnische Untersuchung. Bei Kindern und Jugendlichen: - Information und Hinzuziehung der Eltern/Erziehungsberechtigten, - Verständigung Jugendamt/Jugendhilfeeinrichtungen. Bei ausländischen Tatverdächtigen: - Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten. Vonseiten der Justiz lässt sich eine generalisierende Beschreibung der Aufgabenschritte bei der Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht abgeben. Jedes Verfahren ist einzelfallbezogen zu bearbeiten, wobei der damit verbundene jeweilige Arbeitsaufwand sich nicht generalisieren lässt. Die Sach- und Verfahrensleitung durch die Staatsanwaltschaft erstreckt sich demzufolge unter anderem auf die Ermittlungsführung in Form von Ermittlungsersuchen und Anweisungen an die Ermittlungspersonen über die rechtliche Bewertung der ermittelten Erkenntnisse bis hin zur Bewertung der Abschlussentscheidung in Form eines entsprechenden Bescheides, eines Strafbefehls oder einer Anklage. Drucksache 7/3727 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Wie hoch schätzt die Landesregierung den durchschnittlichen Arbeitsaufwand zur Bearbeitung eines polizeilichen Ermittlungsvorgangs eines Cannabis-Delikts (Fallbeispiel siehe Frage 4) in Mecklenburg- Vorpommern bis zur Abgabe an die zuständige Staatsanwaltschaft ein? a) Wie hoch schätzt die Landesregierung den durchschnittlichen Arbeitsaufwand zur Bearbeitung eines Cannabis-Delikts (Fallbeispiel siehe Frage 4) in Mecklenburg-Vorpommern nach Abgabe der Polizei bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ein? b) Wie hoch schätzt die Landesregierung den durchschnittlichen Arbeitsaufwand zur Bearbeitung eines Cannabis-Delikts (Fallbeispiel siehe Frage 4) in Mecklenburg-Vorpommern nach Abgabe der Staatsanwaltschaft an die zuständigen Gerichte ein? Zu 5 Der durchschnittliche Arbeitsaufwand bei Sachverhalten, für ein Fallbeispiel wie in Frage 4 beschrieben, wird seitens der Landespolizei eher als gering eingeschätzt. Für eine überschlägige Schätzung des durchschnittlichen Arbeitsaufwandes in der Strafjustiz kann lediglich an die Grundsätze des Personalbedarfsberechnungssystems angeknüpft werden. Danach fließen die Eingänge in Betäubungsmittelverfahren sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei den Amtsgerichten in sogenannte „Produkte“ ein und werden mit Basiszahlen (= Anzahl der Minuten, die durchschnittlich für die Bearbeitung der Geschäftsvorfälle in diesem Produkt ermittelt wurden) berücksichtigt. Zu a) Bei den Staatsanwaltschaften ist für die „Verbrechen und Vergehen nach dem BtMG, für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht“ dementsprechend eine gesonderte standardisierte Bewertung mit 550 Minuten vorgesehen. Die „Sonstigen Betäubungsmittelverfahren“ (Fallbeispiel zu Frage 4) werden ebenfalls gesondert und standardisiert mit jeweils 58 Minuten in der Personalbedarfsberechnung berücksichtigt. Zu b) Bei den Amtsgerichten kann auf der Grundlage der Personalbedarfsberechnung keine Einschätzung zum durchschnittlichen Arbeitsaufwand zur Bearbeitung eines Cannabis-Delikts nach Abgabe der Staatsanwaltschaft abgegeben werden, weil die dort zur Personalbedarfsberechnung genutzten Datenbestände nicht nur BtM-Delikte erfassen, so dass sich eine spezifische Bewertung des durchschnittlichen Arbeitsaufwandes für solche Verfahren (Fallbeispiel zu Frage 4) nicht seriös anstellen lässt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3727 5 6. Wie hoch schätzt die Landesregierung den durchschnittlichen Arbeitsaufwand zur Bearbeitung eines Cannabis-Delikts (Fallbeispiel siehe Frage 4) in Mecklenburg-Vorpommern auf Seiten der Polizei ein, wenn nach Abschluss der Justiz eine Geldstrafe auferlegt und in der Folge nicht gezahlt wurde und in der Folge eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden muss? Der durchschnittliche Arbeitsaufwand zur Realisierung von Ersatzfreiheitsstrafen bezogen auf das in Frage 4 aufgeführte Fallbeispiel wird seitens der Landespolizei eher als gering eingeschätzt. Grundsätzlich ist der Arbeitsaufwand jedoch einzelfallabhängig. Zu berücksichtigen ist in jedem Einzelfall das Verhalten des Verurteilten und dessen Mitwirkung im Verfahren. Im Rahmen der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe sind für die Sachbearbeitung folgende Arbeitsschritte erforderlich: - Eingang des örtlichen Haftbefehls bei den zuständigen Kriminalkommissariaten, - Erfassung der erforderlichen Daten in den polizeilichen Datensystemen. - Bei höherer Strafandrohung wird der Sachverhalt durch die Kriminalkommissariate, Bereich Fahndung, realisiert. Bei geringer Strafandrohung wird der Haftbefehl an die Polizeireviere weitergeleitet und dort vollstreckt. - Aufsuchen der/des Beschuldigten an der Wohnanschrift, bei Nichtantreffen beziehungsweise bei Personen ohne festen Wohnsitz erfolgen Aufenthalts- und Wohnortermittlungen, - Bei Antreffen der/des Beschuldigten hat diese/dieser die Möglichkeit, die auferlegte Geldstrafe zu zahlen oder es erfolgt die Verbringung in eine Justizvollzugsanstalt, - Ist eine Zahlung der Geldstrafe nicht möglich, kann, in Absprache mit der Staatsanwaltschaft , die Zahlung in Ableistung von Arbeitsstunden umgewandelt oder auch eine Ratenzahlung vereinbart werden. - Abschließende Löschung/Deaktivierung der Personenfahndung. 7. Auf welche Höhe beziffert die Landesregierung die durchschnittlichen Sachkosten zur Bearbeitung eines Cannabis-Delikts (Fallbeispiel siehe Frage 4) in Mecklenburg-Vorpommern vom Beginn bis Ende eines Verfahrens bei Polizei und Justiz in Mecklenburg-Vorpommern ein? Welche Kosten fallen im Schnitt für eine Tetrahydrocannabinol- Gehaltsbestimmung an? Die Sachkosten zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren bei der Landespolizei werden statistisch nicht erfasst. Eine Angabe zu durchschnittlichen Sachkosten zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren bezogen auf das in Frage 4 aufgeführte Fallbeispiel ist somit nicht möglich. Drucksache 7/3727 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Die Bestimmung des Tetrahydrocannabinolgehaltes erfolgt vorrangig im Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern. Je durchgeführter Untersuchung fallen reine Sachkosten für Verbrauchsmittel an. Hinzu kommen Personalkosten, Kosten für vor- und nachbereitende Arbeitsschritte und Gerätekosten. Eine differenzierte Aussage zu Gesamtkosten für eine Untersuchung kann mithin nicht getroffen werden. 8. In wie vielen Fällen fanden zwischen den Jahren 2014 und 2018 jeweils Hausdurchsuchungen oder „freiwillige Wohnungsbegehungen “ mit Einverständnis des Mieters wegen Konsums, des Verkaufs, der Produktion oder der Anpflanzung von Cannabis in Mecklenburg-Vorpommern statt (bitte nach Jahren und Dienststellen aufschlüsseln)? Eine statistische Erfassung der zur Beantwortung dieser Fragestellung erforderlichen Daten erfolgt nicht. Insoweit wären zur Beantwortung der Frage sämtliche Verfahren, die mit dem Tatvorwurf des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz im Erhebungszeitraum geführt wurden, händisch auszuwerten. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 9. Wie steht die Landesregierung grundsätzlich zur Forderung der Legalisierung von Cannabis bzw. der Entkriminalisierung (bitte Antwort begründen)? 10. Hat die Landesregierung einmal geprüft, welche Möglichkeiten in Mecklenburg-Vorpommern bestehen, ein Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis an Volljährige in Mecklenburg- Vorpommern umzusetzen? a) Welches Ergebnis erbrachte die Prüfung? b) Wann und wie wird sich die Landesregierung für die Umsetzung eines Modellprojektes zur kontrollierten Freigabe von Cannabis an Volljährige in Mecklenburg-Vorpommern engagieren? c) Wenn nicht, warum nicht? Die Fragen 9 und 10, a), b) und c) werden zusammenhängend beantwortet. Die Möglichkeiten eines Modellprojektes zur kontrollierten Freigabe von Cannabis an Volljährige in Mecklenburg-Vorpommern sind seitens des für Gesundheit zuständigen Ministeriums nicht geprüft worden, da aus suchtpräventiver Sicht eine kontrollierte Freigabe von Cannabis abgelehnt wird. Zum einen sind, wie die im Jahr 2016 publizierte Studie „The health and social effects of nonmedical cannabis use“ der World Health Organization (WHO) (https://www.who.int/substance_abuse/publications/cannabis/en/) aufzeigt, die gesundheitlichen Gefahren und Folgen des Konsums von Cannabis recht erheblich. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3727 7 Zum anderen lassen die Erfahrungen mit der mangelnden Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen bei der Abgabe von Alkohol und Tabakerzeugnissen an Minderjährige besorgen, dass es bei einer Freigabe von Cannabis an Volljährige zu einem unkontrollierten Konsum von Cannabis bei Minderjährigen kommen könnte. Da ausweislich der vorgenannten Studie der WHO besonders bei Jugendlichen die negativen Folgen eines regelmäßigen Cannabiskonsums und die daraus resultierende Suchtgefährdung weitaus stärker ausgeprägt sind als bei Erwachsenen, erscheint eine restriktive Handhabung auch aus Jugendschutzgesichtspunkten heraus naheliegend.