Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 11. Juli 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3811 7. Wahlperiode 15.07.2019 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Karen Larisch, Fraktion DIE LINKE Genetische Untersuchungen zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses zum Zwecke der Familienzusammenführung und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Im Visumverfahren zum Familiennachzug beziehungsweise in Fällen, in denen der Antragsteller sich bereits im Inland befindet, ist er nach § 82 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet, am Verfahren mitzuwirken, die seinen Antrag stützenden Umstände geltend zu machen und geeignete Nachweise beizubringen. Der Ausländer ist mithin verpflichtet, Angaben zu den aus seinem Lebensbereich stammenden Umständen zu machen, soweit diese behördlicherseits für das betreffende ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren eingefordert werden, weil sie dort nicht bekannt sind und sich auch nicht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht hätten aufdrängen müssen. Seine Angaben hat er mit geeigneten Nachweisen, soweit er sie erbringen kann, gegenüber der Behörde zu belegen. Die ihm gesetzlich auferlegte Mitwirkung hat der Ausländer unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, zuverlässig und wahrheitsgemäß zu erfüllen. Die Pflicht zur Darlegung bezieht sich - anlassbezogen - sowohl auf seine persönlichen Verhältnisse (zum Beispiel Identität, Staatsangehörigkeit und Alter, verwandtschaftliche Beziehungen, gesundheitliche Situation, wirtschaftliche und berufliche Lebensumstände) als auch auf seine persönlichen Lebensumstände im Herkunftsstaat. Darüber hinaus sind von dieser Pflicht auch die Vorlage und gegebenenfalls vorherige Beschaffung entscheidungserheblicher ausländischer Dokumente, erforderlichenfalls in deutscher Übersetzung, die Vorsprache bei der Vertretung des Herkunftsstaates, die Teilnahme an einer gesundheitlichen Untersuchung oder der Hinweis auf dem Ausländer bekannte Rechtsvorschriften seines Herkunftsstaates in jeglicher Hinsicht umfasst, die für das aufenthaltsrechtliche Verwaltungsverfahren von Relevanz sein können. Drucksache 7/3811 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 In den Fällen, in denen ein entscheidungserheblicher Nachweis der Abstammung nicht durch verlässliche Urkunden (es gibt nicht wenige Herkunftsstaaten, bei denen auf die Integrität staatlicher Urkunden nicht vertraut oder auf die inhaltliche Richtigkeit des Urkundeninhalts gebaut werden kann; in solchen Fällen können Abstammungsnachweise nicht durch Urkundsnachweis erfolgen) erbracht werden kann und begründete Zweifel an der Identität, Abstammung oder Familienzugehörigkeit nicht auf andere Weise ausgeräumt werden können, kann der Antragsteller darauf hingewiesen werden, dass er die weitere Möglichkeit hat, mittels eines freiwilligen DNS-Abstammungsgutachtens die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung nachzuweisen. Auf Grundlage des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) können genetische Untersuchungen zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses im Verfahren nach dem Pass- oder Personalausweisgesetz und im Verfahren der Auslandsvertretungen und der Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz durchgeführt werden. Das Gesetz sieht in Verfahren der Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden zahlreiche Ausnahmeregelungen vor (§ 17 Abs. 8 GenDG), die zulasten von Menschen gehen, die im Wege der Familienzusammenführung nach Deutschland ziehen wollen. 1. Auf Grundlage welcher Richtlinie bzw. rechtlichen Grundlage werden Gentests zum Zwecke der Familienzusammenführung in Mecklenburg -Vorpommern durchgeführt? Die Pflicht zur Darlegung der entscheidungserheblichen Tatsachen sowie des Nachweises der Abstammung kann sich, wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt, auch auf die Vorlage eines medizinischen Abstammungsgutachtens erstrecken, das auf der Grundlage eines freiwillig in Auftrag gegebenen DNS-Abstammungsnachweises gefertigt worden ist. Der Gesetzgeber hat diese Verwaltungspraxis mittlerweile legitimiert, indem er nach § 17 Absatz 8 Satz 1 des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) bestimmte Regelungen dieses Gesetzes für genetische Untersuchungen ausnimmt, die zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses im aufenthaltsrechtlich geregelten Verfahren des Familiennachzuges beigebracht werden. 2. Wie viele Familienzusammenführungen konnten in den Jahren 2015 bis 2019 in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich durchgeführt werden? Der Landesregierung liegen keine Angaben zu vollzogenen Familienzusammenführungen vor. Den nachfolgenden Übersichten ist zu entnehmen, wie viele Personen in Mecklenburg- Vorpommern mit einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zum genannten Stichtag aufhältig waren. Die Angaben sind dem Ausländerzentralregister entnommen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3811 3 Stichtag aufhältige Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen 31.12.2015 3.433 31.12.2016 4.241 31.12.2017 5.366 31.12.2018 5.454 31.05.2019 5.474 3. Welche ist die zuständige Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern zur Durchführung von Gentests im Rahmen der Familienzusammenführungen ? a) In welchen medizinischen Einrichtungen erfolgt die Diagnostik? b) Auf welcher Grundlage erfolgt die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Kliniken, sofern dies der Fall ist? Die Fragen 3, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Zuständigkeitsregelungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Gentests zum Nachweis der Abstammung sind in Mecklenburg-Vorpommern nicht ergangen. Es handelt sich in den hier relevanten Fallkonstellationen um freiwillig in Auftrag gegebene DNS-Abstammungsgutachten. Das Auftragsverhältnis besteht zwischen den Antragstellern und den jeweiligen Kliniken oder Instituten. 4. Wie viele Gentests mit dem Ziel der Familienzusammenführung wurden in den Jahren 2015 bis 2019 in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt (bitte nach Herkunftsländern unterscheiden)? Diese Angaben werden statistisch nicht erfasst. 5. Wie läuft das Verfahren zur Durchführung der Gentests zum Zwecke der Familienzusammenführung in Mecklenburg-Vorpommern ab? Zur praktischen Durchführung wurden die Ausländerbehörden der Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte befragt. Beispielhaft wurde folgendes Vorgehen mitgeteilt: Bestehen in einem Fall Zweifel an der Abstammung beziehungsweise kann diese nicht zweifelsfrei festgestellt werden (zum Beispiel bei Zweifeln an der Echtheit einer Geburtsurkunde), wird nach Rücksprache mit der zuständigen Auslandsvertretung die Einleitung eines Gentests gefordert, bevor eine abschließende Entscheidung ergeht. Drucksache 7/3811 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Die Referenzperson wird dann postalisch von der Ausländerbehörde benachrichtigt, dass zur zweifelsfreien Feststellung der Abstammung ein Gentest bei einem anerkannten Institut durchgeführt werden muss. Ein zertifiziertes Institut ist beispielweise das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald. Der Ausländer spricht dann beim Institut vor und lässt einen Mundschleimhautabstrich vornehmen. Nach Auswertung des Ergebnisses wird dieses an die Ausländerbehörde und die Auslandsvertretung im entsprechenden Heimatland übersandt. Nach Rücksprache mit der Botschaft erfolgt dann eine Entscheidung. 6. Wie sind die durchschnittlichen Bearbeitungszeiträume? Zur praktischen Durchführung wurden die Ausländerbehörden der Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte befragt. Beispielhaft wurde Folgendes mitgeteilt: Die durchschnittlichen Bearbeitungszeiträume liegen bei circa drei bis vier Monaten. Hiervon fallen allein circa zwei bis drei Monate für die Auswertung des Gentests beim Institut an. 7. Wie hoch sind die Kosten? a) Wer trägt die Kosten? b) Welche Möglichkeiten der Kostenübernahme oder Kostenerleichterung gibt es? Zur praktischen Durchführung wurden die Ausländerbehörden der Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte befragt. Die Kosten können variieren. Diese sind abhängig vom Institut, welches den Gentest durchführt und von der Anzahl der Personen. Bei der Universitätsmedizin Greifswald beispielweise kostet die Einleitung eines Gentests für die „klassische“ Konstellation (Mutter- Vater-Kind) 299 Euro. Es können noch zusätzliche Kosten für die Probeentnahme anfallen. Beim zuständigen Gesundheitsamt kostet eine Probeentnahme 25 Euro pro Person. Bei Probeentnahmen im Ausland können auch zusätzliche Kosten anfallen. Nach Auskunft der Universitätsmedizin Greifswald teilweise bis zu 150 Euro pro Person. Zu a) Die Kosten sind vom Ausländer selbst zu tragen. Es handelt sich um ein freiwillig in Auftrag gegebenes DNS-Abstammungsgutachten. Zu b) Fälle der Kostenerleichterung sind nicht bekannt. Eine rechtliche Grundlage für eine Kostenübernahme wird nicht gesehen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3811 5 8. Wie bewertet die Landesregierung die Praxis der Durchführung der Gentests zur Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse zum Zwecke Familienzusammenführung in Mecklenburg-Vorpommern? Die Abwicklung des Auftragsverhältnisses zwischen Klinik beziehungsweise Institut und Auftraggeber zur Erstellung eines freiwilligen DNS-Abstammungsgutachtens entzieht sich einer Bewertung durch die Landesregierung. 9. Wie bewertet die Landesregierung die mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Absatz 8 GenDG verankerten minderen Sonderrechte für in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer, die zum Zwecke der Familienzusammenführung ihre Familienangehörigen nach Deutschland nachholen möchten bzw. für Deutsche, die ihre ausländischen Familienangehörigen nach Deutschland nachziehen lassen wollen? Sofern in bestimmten Herkunftsländern der rechtlich notwendige Nachweis der Abstammung aufgrund eines nicht verlässlichen beziehungsweise nicht bestehenden Personenstands- und Urkundswesens erschwert beziehungsweise unmöglich ist und im Einzelfall begründete Zweifel an der Identität, Abstammung und Familienzugehörigkeit nicht anders ausgeräumt werden können, besteht für die Antragsteller die ihnen freigestellte Möglichkeit, ein genetisches Abstammungsgutachten in Auftrag zu geben, um die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Passes beziehungsweise der Erteilung eines Visums zum Familiennachzug dennoch in zuverlässiger Art nachzuweisen. Die Untersuchung, welche regelmäßig anhand eines Mundschleimhautabstrichs erfolgt, liegt im Interesse der Antragsteller. Der Speicheltest birgt keine gesundheitlichen Risiken. Die genetischen Proben der Antragsteller werden teilweise im Ausland genommen. Die Abstammungsuntersuchung wird ausschließlich in Deutschland vorgenommen. § 17 Absatz 8 GenDG nimmt unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Verfahrens nach dem Pass- und dem Personalausweisgesetz und des Verfahrens der Auslandsvertretungen und der Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz einzelne Regelungen des § 17, soweit dies erforderlich ist, aus oder trifft insoweit besondere Regelungen. Dies ist nach hiesiger Auffassung nicht zu beanstanden. § 17 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 GenDG schließt das Recht, das Untersuchungsergebnis nicht zur Kenntnis zu nehmen oder dessen Vernichtung zu verlangen, aus, da dem Antragsteller im Rahmen der genannten Verfahren notwendigerweise das Untersuchungsergebnis zur Kenntnis gebracht und entsprechend den einschlägigen Vorschriften aufbewahrt werden muss. § 17 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 GenDG modifiziert den Inhalt der Aufklärung. Zum einen wird die Verpflichtung zur Aufklärung über mögliche gesundheitliche Risiken ausgeschlossen . Hintergrund ist, dass die genetische Untersuchung an einem Mundschleimhautabstrich keine gesundheitlichen Risiken birgt. Drucksache 7/3811 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Zum anderen ist über die Möglichkeit, das Untersuchungsergebnis nicht zur Kenntnis zu nehmen oder dessen Vernichtung zu verlangen, nicht aufzuklären, da gemäß Satz 1 Nummer 1 diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. Erhalten bleibt die Aufklärungspflicht über die Umstände, die für die Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung bedeutsam sind (vorgesehene Verwendung des Schleimhautabstrichs, Zweck der genetischen Untersuchung, vorgesehene Verwendung des Untersuchungsergebnisses). Die für die Aufklärung verantwortliche Person hat in entsprechender Anwendung des § 9 Absatz 3 GenDG die Aufklärung zu dokumentieren. § 17 Absatz 8 Nummer 3 erklärt die zehnjährige Aufbewahrungsfrist für nicht anwendbar. Nach den allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist demnach das Ergebnis der Untersuchung zu vernichten, wenn es nicht mehr gebraucht wird, somit nach der abschließenden Entscheidung im Pass-, personenausweisrechtlichen beziehungsweise aufenthaltsrechtlichen Verfahren entsprechend den bestehenden Aufbewahrungsfristen. Gemäß § 17 Absatz 8 Satz 2 GenDG ist der Umfang der Aufklärung und der Einwilligung des Vertreters der nicht einwilligungsfähigen Person entsprechend Satz 1 Nummer 1 und 2 ausgestaltet. Gemäß Satz 3 besteht für die Aufklärung im Verfahren vor einer Auslandsvertretung kein zwingender Arztvorbehalt. Insoweit wird die besondere Situation berücksichtigt, dass an bestimmten Auslandsvertretungen - aufgrund örtlicher Gegebenheiten - nicht stets ein Vertrauensarzt bestimmt werden kann. Die im Interesse des Antragstellers eröffnete Möglichkeit, den Abstammungsnachweis durch ein genetisches Abstammungsgutachten zu erbringen, soll jedoch auch in diesem Fall gegeben sein. Gemäß Satz 4 können bei Verdacht auf eine Straftat trotz Widerrufs durch den Betroffenen die Daten zum Zwecke der Strafverfolgung übermittelt werden; die Vorschriften über die Vernichtung sind in diesem Fall nicht anzuwenden. Um zu gewährleisten, dass die Auslandsvertretung und die Ausländerbehörde zeitgleich Kenntnis vom Untersuchungsergebnis erhalten, muss die bereits gängige Mitteilungspraxis - gleichzeitige Mitteilung an den Betroffenen und die Auslandsvertretung /Ausländerbehörde - zum Gegenstand der Einwilligung gemacht werden. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass der Versuch, sich oder anderen durch unrichtige Angaben einen Aufenthaltstitel zu verschaffen (Straftat gemäß § 95 Absatz 2 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes), unerkannt bleibt. 10. Welche Handlungserfordernisse ergeben sich nach Auffassung der Landesregierung hinsichtlich der bestehenden Regelungen und der Durchführungspraxis? Nach Auffassung der Landesregierung ergeben sich keine Handlungserfordernisse.