Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 17. Juli 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3814 7. Wahlperiode 18.07.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE Wahlbeteiligung von Menschen mit einer Vollbetreuung und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Für die Beantwortung der Kleinen Anfrage Fragen 2 bis 5 wurden die Kommunen um Stellungnahme gebeten. Die Ergebnisse der Umfrage wurden bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage berücksichtigt. Zahlenangaben wurden von den Kommunen nur teilweise mitgeteilt, sodass Schätzungen vorgenommen wurden. Am 10. April 2019 wurde die Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes zur Abschaffung des Wahlrechtsausschlusses von Menschen, die in allen Angelegenheiten betreut werden, beschlossen. Dem Beschluss des Landtages ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. Januar 2019 vorangegangen, der die Wahlrechtsausschlüsse unter anderem von Menschen in Vollbetreuung für verfassungswidrig erklärte. Am 26. Mai 2019 konnten Menschen in einer Vollbetreuung anlässlich der Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern erstmals von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Drucksache 7/3814 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 1. Wie wurden die Kommunen vonseiten der Landesregierung, der Landesbehörden und der Landeswahlleitung bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Kommunalwahl mit Blick auf die Gruppe der wahlberechtigten Menschen mit einer Vollbetreuung unterstützt? Neben der Verwaltungsvorschrift zur Vorbereitung und Durchführung von Wahlen nach dem Landes- und Kommunalwahlgesetz - LKWG M-V vom 17. Januar 2019 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern - GVOBl. M-V - Seite 18), welche auch Hinweise für Wahlvorstände zur Unterstützung von Wählerinnen und Wählern durch eine Hilfsperson bei der Ausübung des aktiven Wahlrechts enthält, wurden speziell für die Umsetzung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes Mecklenburg-Vorpommern durch das Ministerium für Inneres und Europa Hilfestellungen für die Kommunen in Form von Runderlassen vom 11. April 2019 und vom 30. April 2019 gegeben. Mit Schreiben vom 2. Mai 2019 wurden zudem die Betreuungsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte, der Integrationsförderrat Mecklenburg-Vorpommern und das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern über die Teilnahme von betreuten Personen an den Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 informiert. Im Rahmen der Sitzungen bei der Landeswahlleiterin in Vorbereitung der Wahlen am 26. Mai 2019 wurden parallel die Kreiswahlleiter über die neue Rechtslage und deren praktische Umsetzung unterrichtet. Soweit Betreuer, Kommunen oder Wahlleiter mit Fragen an das Ministerium für Inneres und Europa zur Beteiligung von Menschen mit einer Vollbetreuung an den Wahlen herantraten, wurden diese telefonisch oder per E-Mail beraten. 2. Inwiefern wurden die Kommunen dabei unterstützt, Wahlbenachrichtigungen , Wahlunterlagen, Wahlverfahren und Wahllokale barrierefrei zu gestalten? Die Verwaltungsvorschrift zur Vorbereitung und Durchführung von Wahlen nach dem Landes- und Kommunalwahlgesetz - LKWG M-V vom 17. Januar 2019 (GVOBl. M-V Seite 18) enthält ergänzend zu den Bestimmungen in § 29 Absatz 4 der Landes- und Kommunalwahlordnung Mecklenburg-Vorpommern Hinweise zur Barrierefreiheit (Nummer 3.3.1 barrierefreie Wahlräume bei Wahlbenachrichtigung und Wahlbekanntmachung, Nummer 8.9.1 barrierefreie Einsicht in das Wählerverzeichnis in Bekanntmachung der Gemeindewahlbehörde , Nummer 8.9.2 Kontaktdaten, wo Wahlberechtigte Informationen über barrierefreie Wahlräume und Hilfsmittel für die Stimmabgabe erhalten können, sodass Menschen mit Behinderungen im Vorfeld der Wahlhandlung leicht Informationen zum Beispiel über Stimmzettelschablonen und Tonträger mit Wahlinformationen erhalten können). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3814 3 Blinden und sehbehinderten Wahlberechtigten wurden in Mecklenburg-Vorpommern zur Europawahl 2019 erneut Stimmzettelschablonen zur Verfügung gestellt. Der Blinden- und Sehbehinderten-Verein Mecklenburg-Vorpommern e. V. hat insgesamt 506 Wahlhilfepakete mit Stimmzettelschablonen und einer Audio-CD an Blinde und Sehbehinderte versandt. Nach Auskunft des Vereins hat sich dies bewährt. Dem Blinden- und Sehbehinderten-Verein Mecklenburg-Vorpommern e. V. wurden durch die Landeswahlleiterin Musterstimmzettel für die Herstellung der Schablonen zur Verfügung gestellt. Bei Bedarf wurden die Kommunen lösungsorientiert beraten und ihnen die notwendige Hilfestellung gegeben. Ansprechpartner standen im Ministerium für Inneres und Europa, bei der Landeswahlleitung und bei den Landkreisen zur Verfügung. Einige Landkreise teilten mit, es habe dort keine Anfragen zur Unterstützung gegeben. 3. In welcher Form und wie aktiv ist die Wahlkommission vorgegangen, damit Vollbetreute von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können? Eine Wahlkommission gibt es für Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Vermutlich ist hier die Gemeindewahlbehörde gemeint, welche die Wahlleitung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt. Es wird auf die nachfolgenden Antworten verwiesen. 4. In welcher Form wurden die wahlberechtigten Menschen in einer Vollbetreuung über ihr Wahlrecht informiert und für die Durchführung der Wahl vorbereitet bzw. dabei unterstützt? a) Inwiefern wurden Wahlbenachrichtigungen und Wahlunterlagen barrierefrei versandt? b) Inwiefern fand eine gezielte Ansprache und Unterstützung der neu Wahlberechtigten statt, ihre Rechte zu kennen und wählen zu können? c) In welchem zeitlichen Abstand vor der Wahl wurden die wahlberechtigten Menschen mit einer Vollbetreuung informiert? Die wahlberechtigten Menschen in einer Vollbetreuung wurden von den Gemeindewahlbehörden - ebenso wie alle anderen Wahlberechtigten - über ihr Wahlrecht durch die Übersendung der Wahlbenachrichtigung und durch die öffentliche Bekanntmachung der Wahl informiert. In einigen Kommunen wurden persönliche Anschreiben versandt. Kontakt bestand auch zu Betreuern und Pflegeinrichtungen. Drucksache 7/3814 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Zu a) Die Wahlbenachrichtigungen wurden teilweise in A4-Format in Briefen versandt, um sie übersichtlicher gestalten zu können. Einige Kommunen haben darauf hingewiesen, dass sie die Wahlbenachrichtigungen in leicht verständlicher Sprache mit einfachem Satzbau verfasst haben. In vielen Kommunen gab es barrierefreie Wahlräume. Die Wahlbenachrichtigungen enthielten in diesen Fällen entsprechende Hinweise. Zu b) Neben persönlichen Anschreiben erfolgte auf Anfrage von Betreuern oder Betreuten eine Beratung. Zu c) Die wahlberechtigten Menschen mit Vollbetreuung wurden nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes am 18. April 2019 durch Zustellung der Wahlbenachrichtigung bis spätestens 22. Tag vor der Wahl (4. Mai 2019) informiert. 5. Wie viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern hatten auf Grundlage des geänderten Gesetzes erstmalig das Recht, an der Kommunalwahl teilzunehmen? Schätzungsweise 1.000 Menschen hatten in Mecklenburg-Vorpommern am 26. Mai 2019 auf Grundlage des geänderten Landes- und Kommunalwahlgesetzes erstmalig das Recht an der Kommunalwahl teilzunehmen. 6. Wie viele Menschen mit einer Vollbetreuung machten bei der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 von ihrem Wahlrecht Gebrauch und gaben ihre Stimme ab (bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten unterscheiden sowie in absoluten und prozentualen Zahlen darstellen )? a) Wie viele von ihnen haben per Briefwahl gewählt? b) Wie viele von ihnen wählten in einem Wahllokal? Die Fragen 6, a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Diese Zahlen werden aus Gründen des Datenschutzes sowie zur Wahrung des Wahlgeheimnisses statistisch nicht erfasst. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3814 5 7. Welche Änderungen der rechtlichen Grundlagen und der Wahlverfahren strebt die Landesregierung an, um die Barrierefreiheit bei Wahlen zu erreichen bzw. voranzubringen? a) Welche Rolle spielen dabei digitale Medien? b) Wie steht die Landesregierung zum Einsatz mobiler Wahlteams in stationären Einrichtungen? c) Inwiefern kommen in Mecklenburg-Vorpommern bereits digitale Verfahren sowie mobile Wahlunterstützung für die Durchführung von Wahlen zum Einsatz? Maßgeblich für Änderungen im Landes- und Kommunalwahlrecht und deren praktische Umsetzung sind insbesondere Vorgaben aus dem politischen Raum, praktische Erfahrungswerte und Anpassungen an das Bundeswahlrecht. Anpassungen an das Bundeswahlrecht erfolgen regelmäßig auch mit Blick auf eine Harmonisierung des Wahlrechts wegen der regelmäßig stattfindenden verbundenen Wahlen (zum Beispiel Europa- und Kommunalwahlen ). Die Vorgaben des Maßnahmeplans der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [hier: Recht auf Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Artikel 29 in Verbindung mit Artikel 9)] werden weiter beachtet und umgesetzt. Bei einer nächsten Novellierung der landesrechtlichen Vorschriften werden die geltenden Regelungen insbesondere mit Blick auf die bundesrechtlichen Vorschriften zum Wahlrecht für Betreute einer erneuten Prüfung zu unterziehen sein. Zu a) Soweit aktuell bestehende Möglichkeiten für die Nutzung digitaler Medien aufgrund neuer technischer Lösungen sowohl rechtssicher als auch praktikabel ergänzt werden können, wird dies Anlass für eine weitere Prüfung hinsichtlich einer Aufnahme in das Wahlrecht sein. So wurde zum Beispiel die Beantragung des Wahlscheins und der Wählbarkeitsbescheinigung per E-Mail sowie die Verwendung von personalisierten QR-Codes auf den Wahlbenachrichtigungsschreiben für die Wahlscheinbeantragung im Internet eingeführt, um die Wahlvorbereitungen für die Bürgerinnen und Bürger durch Nutzung moderner Technik einfacher zu gestalten. Zu b) Nach § 12 Absatz 6 der Landes- und Kommunalwahlordnung können bei Bedarf zum Beispiel für Altenheime oder Krankenhäuser, aber auch für abgelegene Ortsteile bewegliche Wahlvorstände gebildet werden. Hierfür wird vor Ort ein eigener Wahlraum eingerichtet und der Wahlvorstand geteilt. Ein Teil des beauftragten Wahlvorstandes ist dann für mindestens eine Stunde vor Ort, und die Bewohner der Einrichtung oder des Ortsteils können in dieser Zeit mit dem vorher beantragten Wahlschein an der Wahl teilnehmen. Der Einsatz sogenannter „fliegender Wahlurnen“ ist aus Gründen der Wahrung des Wahlgeheimnisses nicht vorgesehen, da bei einer Abstimmung außerhalb der Wahlkabine eine Beeinflussung der wahlberechtigten Personen zu befürchten ist. Drucksache 7/3814 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Die Landesregierung hält die Bildung beweglicher Wahlvorstände für einen guten Weg, um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Wahlteilnahme zu erleichtern, stellt aber fest, dass diese Möglichkeit von den Wahlleitungen kaum genutzt wird. Zu c) Digitale Verfahren kommen bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern bereits zum Einsatz. Rechtlich ist zum Beispiel der Weg eröffnet, einen Wahlschein mit Briefwahlunterlagen bei der Gemeindewahlbehörde per E-Mail zu beantragen. Von dieser Möglichkeit machen viele Kommunen Gebrauch. Auch die Verwendung von QR-Codes vereinfacht die Beantragung von Briefwahlunterlagen. Die personalisierten QR-Codes können auf den Wahlbenachrichtigungsschreiben verwendet werden, um die Wahlberechtigten im Internet auf das Wahlportal der Kommune zu leiten, wo sich ein mit ihren Adressdaten vorausgefüllter Wahlscheinantrag öffnet. Mobile Wahlunterstützung gab es teilweise in Form von Fahrdiensten zum Wahlraum. Bewegliche Wahlvorstände, die für mindestens eine Stunde während der Wahlzeit Einrichtungen oder Ortschaften aufsuchen, deren Wahlberechtigte den Wahlraum nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen aufsuchen können, wurden nur wenig gebildet und eingesetzt. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen a) und b) verwiesen.