Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 19. Juli 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3839 7. Wahlperiode 23.07.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE „Feindesliste“ der mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppierung „Nordkreuz“ und ANTWORT der Landesregierung Im Rahmen der am 28. August 2017 durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen gegen Mitglieder des „Nordkreuz“-Netzwerkes wegen des Verdachts auf Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erklärte der Generalbundesanwalt: „Darüber hinaus sollen die Beschuldigten den von ihnen befürchteten Krisenfall als Chance gesehen haben, Vertreter des politisch linken Spektrums festzusetzen und mit ihren Waffen zu töten. Zu dieser Personengruppe sollen die Beschuldigten eine Liste mit Namen und weiteren Personalien angelegt haben.“ (https:// www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=19&newsid= 728) Am 6. September 2017 erhielt das Landeskriminalamt Mecklenburg- Vorpommern (LKA M-V) seitens des Bundeskriminalamtes (BKA) Asservatskopien, aus denen unter anderem eine umfangreiche Sammlung personengebundener Daten von vermeintlich politischen Gegnerinnen und Gegnern des rechten Nordkreuz-Netzwerkes hervorgingen (vgl. Drucksache 7/3003). Auf Antrag wurde der Innen- und Europaausschuss des Landtages am 10. Januar 2019 darüber informiert, dass in der oben benannten Datensammlung zu potenziellen Anschlagszielen bei 27 Personen zusätzlich Meldedaten handschriftlich ergänzt wurden. 1. In welcher Form und gegebenenfalls unter welcher Maßgabe übermittelte das BKA dem LKA Kopien von Asservaten, die bei den oben genannten Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellt wurden? 2. Zu welchem Zeitpunkt hatte welche Behörde des Landes Kenntnis darüber, dass bei mindestens 27 Personen die Meldedaten handschriftlich erfasst wurden? 3. Aus welcher Quelle stammen nach Kenntnis der Landesregierung die Meldedaten, welche zu mindestens 27 Personen handschriftlich ergänzt wurden? Drucksache 7/3839 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 4. Wurde dem LKA durch das BKA empfohlen, Personen, deren Daten in der Materialsammlung verzeichnet waren, über diesen Umstand zu informieren beziehungsweise diese dafür zu sensibilisieren? a) Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt erfolgte diese Empfehlung? b) Wer hat seitens der Landesbehörden wann entschieden, dieser Empfehlung nicht zu folgen? Die Fragen 1 bis 4 werden zusammenhängend beantwortet. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt ein Ermittlungsverfahren gegen Jan Hendrik H. und Haik J. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Strafgesetzbuch (StGB). Mit den Ermittlungen wurde das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt. Im Zusammenhang mit diesem Ermittlungsverfahren wurden dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern (LKA M-V) am 6. September 2017 vom BKA aus dem Gesamtasservatenbestand der im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen vom 28. August 2017 sichergestellten Beweismittel, Kopien beziehungsweise gescannte Dokumente von insgesamt sechs Asservaten/Vorabsichtungen in drei gleichlautenden Schreiben elektronisch übersandt. Die E-Mail enthielt den Hinweis, dass die Kopien und die Gefährdungsbewertung des BKA mit der Bitte um Kenntnisnahme, Lageeinschätzung und Prüfung der Durchführung von gefahrenabwehrenden Maßnahmen in eigener Zuständigkeit übermittelt werden. Einerseits wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die anliegenden Kopien beziehungsweise Inhaltswiedergaben der Asservate nur zu polizeiinternen Zwecken im LKA M-V genutzt werden dürfen, eine Weitergabe an andere Dienststellen wurde im Hinblick auf die im BKA geführten Ermittlungen im Verfahren des Generalbundesanwaltes ausdrücklich nicht gestattet. Andererseits wurde vom BKA angeregt, sämtliche Betroffenen in eigener Zuständigkeit in geeigneter Weise zu kontaktieren, obwohl Gefährdungsaspekte eher ausgeschlossen wurden. Die Anregung beschränkte sich nicht auf eine bestimmte Teilmenge. Eine weitere Durchsuchungsmaßnahme im oben genannten Verfahren führte das BKA am 23. April 2018 sowie weitere Zeugenvernehmungen im Zeitraum vom 24. bis 28. Juni 2019 durch. Mit Schreiben vom 6. September 2017 teilte das BKA dem LKA MV mit, dass ein Tatverdächtiger mindestens zu 27 Personen, die in den Asservaten aufgeführt sind, in den Monaten Februar und März 2017 entsprechende Abfragen im Einwohnermeldesystem des Landes Mecklenburg-Vorpommern tätigte und - vorbehaltlich einer kriminaltechnischen Vergleichsuntersuchung - diese Daten handschriftlich in die Materialsammlung eingefügt hat. Vor dem Hintergrund der vom BKA geforderten Einschränkung informierte das LKA MV am 6. September 2017 das Ministerium für Inneres und Europa mündlich über den Inhalt der E-Mail des BKA, die vorliegende Gefährdungsbewertung sowie Inhalt und Struktur der als Anlagen übersandten Materialsammlungen der Beschuldigten J. und H. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3839 3 Eine - nur unter den oben genannten Einschränkungen mögliche - Öffentlichkeitsarbeit beziehungsweise Sensibilisierung erfolgte durch Pressemitteilungen des Ministeriums für Inneres und Europa vom 28. August 2017 sowie vom 14. September 2017. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sämtliche personenbezogenen Daten, die sich in der Materialsammlung der Beschuldigten fanden und einen möglichen oder tatsächlichen Bezug nach Mecklenburg-Vorpommern auswiesen, erst durch entsprechende umfangreiche Ermittlungen des BKA, auch mit Unterstützung des LKA M-V, zu verifizieren waren beziehungsweise sind. Das BKA kam bereits mit oben genannten Schreiben vom 6. September 2017 zu der Auffassung, dass Gefährdungsaspekte für diese Personen eher ausgeschlossen sind. Dieser Auffassung schloss sich auch das LKA M-V an. Eine Information an die Personen war insofern aus gefahrenabwehrenden Gründen nicht erforderlich. Eine solche Information hätte im Rahmen der Mitteilung und Befragung zu sachverhaltsbezogenen Gefährdungen nur im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwaltes durch das BKA erfolgen können. Die dafür erforderlichen Erkenntnisse aus dem Verfahren lagen und liegen den Polizeibehörden des Landes M-V nicht vor. Da keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Gefahrenabwehrlage für die in den übermittelten Datensätzen insgesamt benannten Personen aus Mecklenburg-Vorpommern bestanden (und bis dato nach wie vor auch nicht bestehen), hatten die Landespolizei und das Ministerium für Inneres und Europa im Ergebnis eine Ansprache der benannten Personen für nicht erforderlich gehalten. 5. Erfolgte zwischen Bundes- und Landesbehörden eine Abstimmung hinsichtlich der Sprachregelung zur oben genannten Datensammlung, welche bereits als mögliche Feindes- beziehungsweise Todesliste öffentlich diskutiert wurde? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Es gibt die weitgehend einheitliche Einschätzung, dass das (reine) Sammeln von Informationen zu politisch anders Denkenden im Bereich der politischen Auseinandersetzung, insbesondere im rechts- und linksextremistischen Bereich, nicht unüblich ist. Dies geht in der Regel nicht mit einer unmittelbaren Gefährdungslage einher. Deshalb lässt sich, ausschließlich unter Gefährdungsgesichtspunkten betrachtet, die in den Medien kolportierte Existenz einer sogenannten „Todesliste“ und die damit einhergehende beziehungsweise daraus folgende Gefahr des „Liquidierens von politischen Gegnern“ gegenwärtig weder ableiten noch nachweisen.