Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 1. August 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3875 7. Wahlperiode 02.08.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Einsatz von Reizgas-Geräten durch die Landespolizei und ANTWORT der Landesregierung 1. Für welche Einsatzzwecke verfügen welche Einheiten bzw. Bereiche der Landespolizei über Reizstoffsprühgeräte mit welchen Wirkstoffen ? a) Wie oft kamen diese jeweils zum Einsatz? b) Zu welchen Anlässen kamen diese jeweils zum Einsatz? Der Einsatz und der Einsatzzweck richten sich nach den rechtlichen Bestimmungen. Reizstoffsprühgeräte (RSG) und deren Reizstoffe werden dann eingesetzt, wenn es im Rahmen des unmittelbaren Zwangs als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt erforderlich und zulässig ist. Drucksache 7/3875 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Zurzeit sind in der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern folgende Reizstoffsprühgeräte eingeführt: Gerät Reizstoff Füllmenge Reichweite Einsatz RSG 3 PAVA 30 ml 4 m persönliche Ausstattung aller Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten (PVB) im Streifendienst, inklusive Anwärter und Landeskriminalamt RSG 6 PAVA 63 ml 4 - 5 m persönliche Ausstattung der PVB des Landesbereitschaftspolizeiamtes (LBPA) RSG 8 PAVA 400 ml 7 m Poolausstattung für Einsatzhundertschaften des LBPA und für Einsatzeinheiten der Polizeibehörden, darüber hinaus ist jeweils ein RSG 8 auf jeden im Dienst befindlichen Funkstreifenkraftwagen mitzuführen. Die Fragen a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. In der Landespolizei gibt es keine Pflicht zur statistischen Erfassung des Einsatzes von Reizstoffen mittels RSG. Eine retrograde Erhebung anhand des in der Landespolizei genutzten elektronischen Vorgangsbearbeitungssystems ist nicht möglich. 2. Wann wurden welche Reizstoffsprühgeräte in der Landespolizei eingeführt? Anfang der 1990er-Jahre wurden Reizstoffsprühgeräte sukzessive in der Landespolizei eingeführt. Die derzeit verwendeten Reizstoffsprühgeräte RSG 3 und RSG 8 wurden mit Zulassung des Reizstoffes Capsaicin („Pfeffer“) als Oleoresin Capsicum (OC) und als Pelargonsäurevanillylamid (PAVA) ab 15. April 2011 beschafft. Das RSG 6 löste am 2. Februar 2017 das RSG 1 (mit dem Wirkstoff Chloracetophenon) aus dem Jahre 1997 ab. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3875 3 3. Zu welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat der Einsatz oben genannter Geräte bei Betroffenen einerseits und Polizeikräften andererseits geführt (bitte jeweils für die letzten zehn Jahre angeben)? Im Rahmen der Beantwortung der Frage 3 wird auf die Beantwortung der Fragen 1 a) und 1 b) verwiesen. Daher kann die Frage 3 ausschließlich allgemein hinsichtlich der Wirkungsweise von Reizstoffen beantwortet werden. Der Wirkstoff im Pfefferspray setzt an den Schmerz- und Wärmerezeptoren Eiweißstoffe frei, wodurch es zu einer intensiven Schmerzempfindung und Entzündungsreaktion kommt. Wie bei vielen Reizstoffen gibt es Menschen und Tiere, die gegen das Pfefferspray relativ oder sogar ganz unempfindlich beziehungsweise resistent sind. Die Reaktion des Besprühten kann zeitlich verzögert eintreten. Wirkung auf die Augen - Schnell einsetzender Lidschluss durch Schmerz und Anschwellung der Bindehäute - Augen können willentlich nicht mehr geöffnet werden Wirkung auf die Atemwege - Ringen nach Luft - Hustenreiz, Würgereiz - Atemnot Wirkung auf die Haut - Rötung - Schwellung Wirkung auf die Psyche - Angst- und Beklemmungsgefühle - Orientierungslosigkeit - Aggressionssteigerung - Panische Reaktionen Die Beschwerdedauer liegt personenbezogen und in Abhängigkeit der Erstversorgung bei bis zu 45 Minuten. 4. In welcher Form erfolgt in der Landespolizei ein gezieltes Training im Umgang mit oben genannten Geräten? a) In welchem Zeitabschnitt erfolgt in der Landespolizei ein gezieltes Training im Umgang mit oben genannten Geräten? b) Mit welchen Inhalten im Einzelnen erfolgt in der Landespolizei ein gezieltes Training im Umgang mit oben genannten Geräten? c) In welcher Art werden diese Schulungen protokolliert? Das gezielte Training beinhaltet praktische und theoretische Elemente, welche Bestandteile des Einsatzbezogenen Trainings (ETR) sind. Drucksache 7/3875 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Zu a) Für Studierende und Auszubildende erfolgen sowohl die theoretische Einweisung, als auch das praktische Training am Reizstoffsprühgerät (RSG) im Rahmen des ETR. Die Inhalte sind hier integrativer Bestandteil des ersten Ausbildungs- bzw. Studienjahres und werden im Rahmen der Waffen- und Schießausbildung sowie des Eigensicherungsunterrichtes vermittelt. Die theoretische Einweisung verfügt über einen Umfang von insgesamt zwei Lehrverpflichtungsstunden (90 Minuten). Das hier erworbene Fachwissen ist durch die Polizeischülerinnen und Polizeischüler in einem schriftlichen Sachkundetest nachzuweisen. Unmittelbar anschließende praktische Trainings erfolgen unter Zuhilfenahme von „Trainings-RSG“ (wässrige Lösung) wiederkehrend in den spezifischen Eigensicherungsunterrichten sowie in Situationstrainings. Nach der Ausbildung beziehungsweise dem Studium erfolgt eine modulare Fortbildung im Rahmen des Einsatzbezogenen Trainings. Ausgehend von einem einheitlichen Rahmenprogramm im ETR werden für alle Zielgruppen die Inhalte anforderungsbezogen erläutert und praxisnah trainiert. Hierbei wird auch der sichere Umgang mit dem RSG vermittelt. Alle Elemente des Trainings werden hierbei integrativ und zielgruppengerecht in Situationstrainings zusammengeführt und rechtlich begleitet. Zu b) Folgende Inhalte werden im Rahmen der RSG-Ausbildung vermittelt beziehungsweise trainiert: 1 Pfefferspray 1.1 Allgemeines/Historie 1.2 Wirkstoffe 1.3 Internationale Erfahrungen im Umgang 1.4 Missbrauch von OC - Lehren 1.5 Wirkung auf Personen 1.5.1 Wirkung auf die Augen 1.5.2 Wirkung auf Atemwege 1.5.3 Wirkung auf Haut 1.5.4 Wirkung auf Psyche 1.5.5 Reaktionen des Besprühten 2 Die Reizstoffsprühgeräte der Landespolizei M-V 2.1 Das Reizstoffsprühgerät 3 2.1.1 Technische Angaben 2.1.2 Sprühformen 2.1.3 Trageweise 2.2 Das Reizstoffsprühgerät 8 2.2.1 Technische Angaben 2.2.2 Bedienung/Sprühformen 2.2.3 Trageweise Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3875 5 2.3 Einsatztechnik 2.3.1 Einsatzvarianten 2.4 Fesselung 2.5 Erste Hilfe 2.6 Risiken 3 Rechtliche Grundlagen 4 Praktisches Training Zu c) Die Erteilung der Berechtigung zum Führen des RSG wird nach erfolgreicher Sachkundeprüfung in Verbindung mit dem Nachweis der Teilnahme an praktischen Trainings durch den Fachgruppenleiter der Fachgruppe 5 des Fachbereichs Polizei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege Mecklenburg-Vorpommern per schriftlichen Vermerk erteilt. Die anschließende Dokumentation erfolgt innerhalb der Fachgruppe. Auf Basis des schriftlichen Vermerkes erfolgt die persönliche Ausrüstung der Anwärterinnen und Anwärter mit dem RSG. 5. Unter welchen Umständen/Voraussetzungen im Einzelnen kommen Reizstoffsprühgeräte in Mecklenburg-Vorpommern als Hilfsmittel polizeilicher körperlicher Gewalt zum Einsatz? Der Einsatz von Reizstoffen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt erfolgt in der Landespolizei M-V gemäß den Bestimmungen zur Ausübung des unmittelbaren Zwanges gemäß der § 101 ff. des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg- Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V). In § 102 Absatz 3 SOG M-V sind als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt unter anderem Reizstoffe benannt. Hierzu gehört auch Capsaicin in Form von Oleoresin Capsicum (OC) und Pelargonsäurevanillylamid (PAVA). Das Recht zur Verteidigung in Fällen der Notwehr und des Notstandes bleiben hiervon unberührt. Drucksache 7/3875 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 6. Wann wurde der Einsatz von Reizstoffsprühgeräten durch die Landespolizei mit welchen Ergebnissen im Einzelnen evaluiert? Reizstoffsprühgeräte gehören zur Standardausstattung der PVB der Länderpolizeien beziehungsweise der Bundespolizei. Eine Evaluation des Einsatzes dieses Hilfsmittels der körperlichen Gewalt ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht erfolgt.