Der Minister für Inneres und Europa hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 6. August 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3886 7. Wahlperiode 07.08.2019 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Eva-Maria Kröger und Peter Ritter, Fraktion DIE LINKE Digitale Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Die Phänomenbeschreibungen der Fragen 1 bis 7 werden in Statistiken der Justiz sowie in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht genutzt, weshalb eine Beantwortung nur bedingt möglich ist. Da die erfragten Handlungen unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel, insbesondere über Kommunikationswege im Internet vollzogen werden, lässt sich hilfsweise nur eine annähernde statistische Abbildung gemäß der Fragen 1, 2, sowie 4 bis 7 anhand infrage kommender Straftatbestände unter Zugrundelegung des Aspekts „Tatmittel Internet“ vornehmen (siehe nachfolgende Tabelle). Unter Frage 1, 2 sowie 4 bis 7 wird deshalb nicht gesondert geantwortet. In der Beantwortung ist die Zählweise der PKS maßgeblich, weshalb abweichend von den Fragestellungen nicht auf „Ermittlungen“ und „Anzeigen“ abzustellen ist, sondern „Fälle“ dargestellt werden. Anzahl erfasste Fälle 2018 2017 2016 2015 2014 - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung insgesamt 253 107 99 106 140 - Sexueller Missbrauch §§ 176, 176a, 176b, 182, 183, 183a StGB 55 16 15 10 14 - Ausnutzen sexueller Neigung gemäß §§ 180, 180a, 181a, 184, 184a, 184b, 184c, 184d, 184e, 184f, 184gStGB 198 90 83 96 125 - Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 51 43 31 48 19 Drucksache 7/3886 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Anzahl erfasste Fälle 2018 2017 2016 2015 2014 - Körperverletzung §§ 223-227, 229, 231 StGB 0 2 0 0 0 - Straftaten gegen die persönliche Freiheit gemäß §§ 232-233a, 234, 235, 236, 237, 238, 239 - 239b, 240, 241, 316c StGB 51 41 31 48 19 - Zwangsheirat, Nachstellung (Stalking), Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung §§ 237, 238, 239, 240, 241 StGB 51 41 31 48 19 - Nötigung § 240 StGB 22 16 14 13 6 - Bedrohung § 241 StGB 21 15 10 28 9 - Nachstellung (Stalking) gemäß § 238 StGB 8 10 7 7 4 - Vermögens- und Fälschungsdelikte 3.642 3.742 4.331 3.465 3.754 - Fälschung beweiserheblicher Daten, Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung §§ 269, 270 StGB 154 193 312 93 137 - Sonstige Straftatbestände (StGB) 481 476 801 633 559 - Erpressung § 253 StGB 103 20 36 30 10 - Erpressung auf sexueller Grundlage 50 4 1 5 1 - Gewaltdarstellung § 131 StGB 1 1 1 0 1 - Volksverhetzung § 130 StGB 18 39 39 22 11 - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen 14 23 21 19 14 - Beleidigung §§ 185 - 187, 189 StGB 91 85 61 79 100 - Beleidigung 49 53 38 47 63 - Beleidigung auf sexueller Grundlage §§ 185 - 187, 189 StGB 15 19 17 28 23 - Üble Nachrede 15 14 8 14 15 - Verleumdung 26 18 15 18 21 - Ausspähen, Abfangen von Daten einschl. Vorbereitungshandlungen gemäß §§ 202a, 202b, 202c, 202d StGB 165 212 391 295 336 - Strafrechtliche Nebengesetze 69 55 43 65 58 - Kunsturheberrechtsgesetz 37 20 19 31 23 1. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Cybermobbing oder Bullying (systematisches Schikanieren und Quälen etwa in Chatgruppen ) wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3886 3 2. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Cyber-Grooming (gezielte sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet) wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Verwendung von Hatespeech und gezielten verbalen Angriffen im Internet gegen Angehörige von Minderheiten wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkungen und die damit verbundenen Einschränkungen können für den Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) ab 2017 Fälle benannt werden, die annähernd vergleichbar dem „Hatespeech“ sind. Dabei handelt es sich um Fälle der Eingangsstatistik, die entsprechend dem Grundtatbestand bereits Bestandteil der PKS sind. Am 1. Januar 2017 wurde der Begriff „Hassposting“ in den im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch Motivierte Kriminalität (KPMD-„PMK“) verwendeten Katalog eingeführt. Gemäß Definition wird unter einem Posting ein Beitrag verstanden, der im oder über das Internet mehreren Nutzern gleichzeitig zugänglich gemacht wird. Politisch motivierten Hasspostings werden solche Straftaten zugerechnet, die in Würdigung der Umstände der Tat oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür geben, dass diese wegen einer zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder Engagements, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physischen und/oder psychischen Behinderung oder Beeinträchtigung, sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität oder äußeren Erscheinungsbildes kausal gegen eine oder mehrere Person(en), Gruppe(n) oder Institution (en) gerichtet sind. Eine eingrenzende Recherche nach „Angehörigen von Minderheiten“ kann nicht durchgeführt werden. Für das Jahr 2017 wurden 235 Fälle politisch motivierter Kriminalität mit dem Tatmittel Internet, einschließlich sozialer Netzwerke registriert. In 87 dieser Fälle handelt es sich um Straftaten, welche mit dem Themenfeld Hassposting bewertet wurden. Für das Jahr 2018 wurden 156 Fälle politisch motivierter Kriminalität mit dem Tatmittel Internet, einschließlich sozialer Netzwerke, registriert. In 69 dieser Fälle handelt es sich um Straftaten, welche mit dem Themenfeld Hassposting bewertet wurden. Drucksache 7/3886 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 4. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Revenge Porn (Verbreiten von oder Erpressen durch die Ankündigung der Verbreitung intimer Fotos oder Videos) wurden in Mecklenburg- Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? 5. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Identitätsdiebstahl wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? 6. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Doxing (Sammeln und Veröffentlichen von personenbezogenen Daten im Internet) wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? 7. Wie viele Ermittlungen im Zusammenhang mit Kontrolle und in der Folge Einschüchterung und Bedrohung Dritter durch das heimliche Installieren von Spy-Apps, den heimlichen Zugriff auf Mobilgeräte, das heimliche Mitlesen von E-Mails und Social-Media-Accounts, das heimliche Abhören von Gesprächen oder das heimliche Filmen durch Kameras, die in privaten Räumen installiert wurden (bitte einzeln auflisten nach Art und Jahr) wurden in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen fünf Jahren bis heute geführt? Wie viele Anzeigen gab es? Die Fragen 4, 5, 6 und 7 werden zusammenhängend beantwortet. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 8. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über die Opfer digitaler Gewalt hinsichtlich des Anteils von Frauen und Männern und ihres Alters? In der Polizeilichen Kriminalstatistik liegen Opferdaten nur bei den sogenannten Opferdelikten (Tötungsdelikte, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rohheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Körperverletzung im Amt, Widerstandsdelikte gegen Polizei- und Vollstreckungsbeamte) vor. Diese können jedoch nicht nach Straftaten, die im Internet begangen wurden, differenziert werden. Somit sind Aussagen zu Opfern digitaler Gewalt nicht möglich. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3886 5 9. Sieht die Landesregierung im Kampf gegen digitale Gewalt Handlungsbedarf hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen? Wenn ja, welche? Die verschiedenen möglicherweise in Betracht kommenden jeweiligen Straftatbestände sind Grundlage für eine Reaktion auf die angeführten Erscheinungsformen. Die Justizministerin hat bei Justizministerkonferenzen zusätzlich wiederholt Beschlussvorschläge unterstützt, mit denen das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten wird zu prüfen, ob das Unrecht von Beleidigungen im Internet durch die geltenden strafrechtlichen Vorschriften angemessen erfasst wird beziehungsweise ob und inwieweit Anpassungsbedarf besteht. Auch wenn der Begriff „digitale Gewalt“ keiner allgemeingültigen Definition unterliegt, ist in diesem Zusammenhang die weitere Entwicklung von gesetzlichen Vorhaben beziehungsweise Maßnahmen mit Bezug zum Internet wie zum Beispiel die Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings und die Umsetzung der Speicherung von Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsanbietern („Vorratsdatenspeicherung“) unter Berücksichtigung der (aktuellen) Rechtsprechung im nationalen und europäischen Rahmen weiter zu verfolgen. 10. Inwieweit ist das Themenfeld digitale Gewalt bereits Bestandteil der Ausbildung von Polizei und Justiz? Welche Weiterbildungsangebote für Beschäftige in Polizei und Justiz gibt es derzeit im Themenfeld digitale Gewalt? Ausbildung Da „Digitale Gewalt“ ein vielschichtiges Attribut darstellt, sind auch für den Bereich der Ausund Fortbildung jeweils unterschiedliche Schwerpunktthemen tangiert, ohne dass die Lehrveranstaltungen entsprechend bezeichnet sind. Drucksache 7/3886 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Das rechtswissenschaftliche Studium sowie der juristische Vorbereitungsdienst haben das Ziel, den Studenten und Referendaren die notwendigen Rechtskenntnisse unter anderem im gesellschaftlichen Kontext zu vermitteln. Dies erfordert, kontinuierlich Lehr- und Ausbildungsinhalte auch auf die juristischen Anforderungen der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft auszurichten. Erscheinungsformen digitaler Gewalt werden somit im Rahmen der Ausbildung behandelt. Auch im Rahmen der Ausbildung beziehungsweise des Studiums im polizeilichen Bereich werden in einzelnen Modulen die verschiedenen oben genannten Kriminalitätsphänomene und ihre Erscheinungsformen analysiert, entsprechende Ermittlungshandlungen vermittelt und Besonderheiten im Umgang mit unterschiedlichen Opfergruppen dargestellt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang: Ausbildung gemäß § 10 Polizeilaufbahnverordnung Mecklenburg-Vorpommern (PolLaufbVO M-V) Modul 3, Polizeilicher Schwerpunkt - Bearbeiten von Eigentumsdelikten Inhalte - Kriminalistik/Kriminaltechnik, Strafrecht, Eingriffsrecht Bachelorstudiengang, gem. § 12 PolLaufbVO M-V Modul 13, Rechtsgrundlagen IV, Strafrecht-Cybercrime Modul 14, Kriminalwissenschaften/Kriminalitätsphänomene Modul 16, Cybercrime (Wahlpflichtmodul) Fortbildung Für Richter und Staatsanwälte des Landes werden jährlich vor allem über die Deutsche Richterakademie Fortbildungen angeboten, die sich mit aktuellen Fragestellungen beispielsweise zu den Erscheinungsformen der Internetkriminalität und ihre Bekämpfung oder mit dem zivilrechtlichen Gewaltschutzverfahren nach dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen befassen. In folgenden Lehrgängen des Fachbereiches Polizei werden die benannten Themen ebenfalls vermittelt: OZ 1612 Vorlesungsreihe Mord im Fokus OZ 1621 Sexualdelikte im Fokus OZ 1753 Cybercrime - Gemeinsame Tagung der Generalstaatsanwaltschaft, des LKA M-V und der FHöVPR M-V OZ 1810 Staatsschutz - Grundmodul OZ 1811 Staatsschutz - Aufbaumodul Islamismus OZ 1812 Staatsschutz - Aufbaumodul PMK Rechs OZ 1813 Staatsschutz - Aufbaumodul PMK Links OZ 2811 Silent Killer - Ablenkung und Unaufmerksamkeit im Straßenverkehr OZ 2812 Risikoaffin und verantwortungslos? - Junge Menschen im Straßenverkehr OZ 4210 Lehrgang Stress- und Konfliktbewältigung OZ 4310 Kommunikation und Konflikthandhabung OZ 4440 Häusliche Gewalt und Stalking OZ 4450 und 4451 Grund- und Aufbaulehrgang Suchtkrankenhelfer OZ 6842 Multiplikatoren-Fortbildung, Cybercrime Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3886 7 OZ 6843 Ermittlungen im Internet OZ 6844 Schwerpunkt Tatmittel Internet (Modul Cybercrime Konzept) OZ 6845 Ermittler Cybercrime OZ 6846 Workshop Ermittler Cybercrime OZ 6848 LKA- Speziallehrgang Cybercrime OZ 7110 Risikofaktor Rechts OZ 7111 Radikalisierung - Was tun? OZ 7123 Linksextremismus - die unterschätzte Gefahr? OZ 7127 Islam - Islamismus - Islamischer Extremismus OZ 7128 Sicherheit, Interkulturalität und Integration: Einblicke und Analysen OZ 7129 Die Entwicklung des politischen Extremismus und seine polizeirelevanten Konfliktfelder in der Gegenwart OZ 9151 Digitale Ermittlungsführung 2.0