Der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 19. August 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3945 7. Wahlperiode 19.08.2019 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Henning Foerster, Fraktion DIE LINKE Psychische Belastungen in der Arbeitswelt und Entwicklung psychischer Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Eingangs wird klargestellt, dass psychische Belastungen nicht mit psychischen Erkrankungen gleichzustellen sind. Psychische Belastungen sind auch nicht per se negativ, sie werden individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen. Dennoch stellen sie in der sich stark wandelnden Arbeitswelt eine nicht zu vernachlässigende Komponente dar. 1. Wie hat sich die Zahl der Krankheitstage aufgrund der Diagnose Burnout in den Jahren 2009 bis 2019 in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt (bitte insgesamt sowie nach Geschlecht getrennt angeben)? 2. Wie hat sich die Zahl der Krankheitstage im Zusammenhang mit anderen psychischen Diagnosen, wie akute Belastungsreaktion, Neurasthenie sowie Unwohlsein und Ermüdung in den Jahren 2009 bis 2019 in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt? 3. Inwieweit lässt sich die Entwicklung der Ausfallzeiten mit steigendem Leistungsdruck, der Ausweitung von Nacht- und Schichtarbeit, schlecht planbaren Arbeitszeiten, der Notwendigkeit permanenter Erreichbarkeit oder Fragen der sozialen Arbeitsumgebung, wie dem Betriebsklima oder dem Führungsverhalten von Vorgesetzten, in Zusammenhang bringen? Drucksache 7/3945 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Die Fragen 1, 2 und 3 werden zusammenhängend beantwortet. Der Landesregierung liegt kein entsprechendes Datenmaterial vor. Die Erfassung der Arbeitsunfähigkeitstage nach Diagnosen erfolgt in der KG8-Statistik (Krankheitsartenstatistik ). Die Statistik wird ausschließlich auf Bundesebene vom GKV-Spitzenverband erstellt und dem Bundesministerium für Gesundheit geliefert, welches die Statistik auf seiner Homepage der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/GKV/Geschaeftsergebnisse/AU_nach_ Diagnosen_und_Alter_2016.pdf Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlichte im Jahr 2013 eine Publikation „Arbeitswelt im Wandel: Zahlen - Daten - Fakten“. Ab der Seite 58 sind Korrelationen zwischen der Arbeitsunfähigkeit und den psychischen Erkrankungen dargestellt. https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A88.pdf?__blob=publicationFile&v =12 4. Wie hat sich die Zahl der aufgrund psychischer Erkrankungen von Erwerbsminderung, dauerhafter Arbeitsunfähigkeit oder Frühverrentung betroffenen Personen in Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2009 und 2019 entwickelt? Angegeben werden können die Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit infolge von psychischen und Verhaltensstörungen für die Jahre 2009 bis 2018. Datenquelle ist die Statistik der gesetzlichen Rentenversicherung vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger . Der abgebildete Datensatz stellt einen Auszug aus dem Indikator 3.39 der Gesundheitsberichterstattung des Landes Mecklenburg-Vorpommern dar. Der Indikator kann online unter folgendem Link abgerufen werden (aktuell für die Jahre 2002 bis 2016): https://www.regierungmv .de/Landesregierung/wm/gesundheit/Zahlen%2c-Daten%2c-Fakten/ Jahr Anzahl der Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit infolge von psychischen und Verhaltensstörungen (ICD-Codes F00 - F99) 2009 1.966 2010 2.157 2011 2.305 2012 2.323 2013 2.355 2014 2.558 2015 2.462 2016 2.388 2017 2.331 2018 2.588 Zu den Zahlen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen liegt der Landesregierung kein entsprechendes Datenmaterial vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3945 3 5. Was sind nach Auffassung der Landesregierung geeignete Instrumente, um einer Zunahme psychischer Erkrankungen im Zusammenhang mit der Arbeitswelt entgegenzuwirken? In den Betrieben wurden den Aufsichtsbeamten folgende Aspekte als besondere Belastungsschwerpunkte genannt: - Zeitdruck, Zeitvorgaben, Überlastung in der Saison oder durch Fachkräftemangel - Arbeitszeit, Schichtdienst, Nachtschicht, kurzfristige Einsatzplanungen - Ungünstige Arbeitsumgebungsfaktoren (zum Beispiel Lärm, Beleuchtung, Klima im Großraumbüro, Umgang mit Gefahrstoffen, Kälte im Winter, Zugluft im Eingangsbereich), - Kommunikation/Kooperation (zum Beispiel schlechte Kommunikation innerhalb der Teams, fehlender Informationsaustausch, Konflikte im Team, Kundenstreitigkeiten, ständig wechselnde Gäste) - Emotionale Inanspruchnahme (zum Beispiel Gewalterfahrung, Umgang mit Tod und Sterben, Trauerarbeit, Kommunikation mit Angehörigen, traumatisierende Ereignisse auch in der Logistik) - Störungen/ Unterbrechungen. Für diese umfassenden Belastungsschwerpunkte in Bezug auf die psychische Belastung gibt es ein breites Spektrum von Instrumenten. Ein Ermitteln der geeigneten Maßnahmen muss der Arbeitgeber konkret für seinen Betrieb festlegen und umsetzen. Unterstützen können ihn dabei die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt wie auch externe Arbeitsschutzakteure. Praktische Lösungsbeispiele bieten auch die Links der Antwort zur Frage 7 b) sowie auf die nachfolgende Internetseite: https://www.gda-psyche.de/SharedDocs/Publikationen/DE/psychische-arbeitsbelastung-undgesundheit .pdf?__blob=publicationFile&v=1. Entscheidend ist, dass die für den Arbeitgeber verpflichtenden Säulen Arbeitsschutz und betriebliches Eingliederungsmanagement umgesetzt beziehungsweise angeboten werden. Als wichtige Ergänzung ist die Säule der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zu nennen, deren Maßnahmen auch psychische Erkrankungen adressieren sollten. Werden alle drei Säulen miteinander verknüpft und als betriebliches Gesundheitsmanagement einem systematischen Managementprozess zugrunde gelegt, kann dies ein wirksames Konzept darstellen, um auch der Zunahme arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen zu begegnen. Im Hinblick auf geeignete Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung sind insbesondere die Angebote der Krankenkassen unter Beteiligung der örtlichen Unternehmensorganisationen gemäß § 20b SGB V zu nennen. Die gemäß dieser Rechtsgrundlage einzurichtenden regionalen BGF-Koordinierungsstellen (Weblink für M-V: https://www.bgf-koordinierungsstelle .de/mecklenburg-vorpommern/) bieten Arbeitgebern Beratungs- und Unterstützungsleistungen für betriebliche Gesundheitsförderung. Konkrete Leistungen der Krankenkassen in der betrieblichen Gesundheitsförderung sind auch im Leitfaden Prävention des GKV- Spitzenverbandes nachzulesen (Kapitel 6.4, https://www.gkv-spitzenverband .de/media/dokumente/presse/publikationen/Leitfaden_Pravention_2018_barrierefrei.p df ). Drucksache 7/3945 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. Welchen Effekt hatte die Aufnahme psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung nach Einschätzung der Landesregierung bisher? Mit der Änderung im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) im Jahr 2013 erfolgte die Klarstellung, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst. Die Regelung verdeutlichte, dass auch psychische Gefährdungsfaktoren bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind. Mit der Klarstellung wurde das Bewusstsein der Arbeitgeber für psychische Belastungen bei der Arbeit geschärft, sodass insbesondere diese Belastungsart bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt wurde. Das führte teilweise soweit, dass eine separate „Psychische Gefährdungsbeurteilung“ erstellt wurde. Die „Psychische Gefährdungsbeurteilung “ ist ein Aspekt der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG. Durch die Arbeitsschutzbehörden Mecklenburg-Vorpommerns wurde ermittelt, dass die „Psychische Gefährdungsbeurteilung“ in den Klein- und mittleren Betrieben noch am Anfang steht. Durch die Aufsichtstätigkeit der Arbeitsschutzbehörden Mecklenburg-Vorpommerns konnte die Wahrnehmung der psychischen Gesundheit in den Betrieben deutlich gesteigert werden. Festzuhalten bleibt, dass die psychischen Belastungen bei der Arbeit weiter in den Mittelpunkt rücken und dementsprechend durch den Arbeitgeber zu beachten sind. 7. Inwieweit beeinflusst die Existenz von Betriebsräten, die weitreichende Mitbestimmungsrechte in Sachen Arbeitsschutz haben, die präventive Arbeit in Sachen Verhinderung psychischer Erkrankungen positiv? a) In wie vielen Unternehmen des Landes existieren aktuell Betriebsräte ? b) Wie beurteilt die Landesregierung aktuell die Notwendigkeit einer Anti-Stress-Verordnung? Die Fragen 7 und 7 a) werden zusammenhängend beantwortet. Der Landesregierung liegt kein entsprechendes Datenmaterial vor. In § 18 BetrVG ist die Vorbereitung und Durchführung der Wahl von Betriebsräten geregelt. Hierzu heißt es in § 18 Abs. 3 BetrVG: „[…] Dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist eine Abschrift der Wahlniederschrift zu übersenden.“ Gemäß diesem Passus erfolgt die Meldung von Betriebsräten auch mit Blick auf die personelle Aufstellung an keine weitere externe Institution. Darüber hinaus sind Gewerkschaften nicht in allen Betrieben vertreten, in denen auch tatsächlich Betriebsräte bestehen. Einzig den Gewerkschaften liegen daher (eingeschränkte) Kenntnisse über die Anzahl von Betriebsräten in Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern vor. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3945 5 Zu b) Eine Antistressverordnung stellt keine Maßnahme gegen Erkrankungen am Arbeitsplatz dar. Die in dieser zu regelnden Inhalte sind für die Arbeitswelt bereits in dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und dessen Verordnungen enthalten. Hiernach muss der Arbeitgeber die Maßnahmen des Arbeitsschutzes so gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben, die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden sowie die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Weiterhin muss der Arbeitgeber die Gefährdungen insbesondere durch psychische Belastungen bei der Arbeit ermitteln und beurteilen sowie erforderliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes festlegen (Gefährdungsbeurteilung). Die Gefährdung zu psychischer Belastung ist ein fester Bestandteil in der übergreifenden Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument im betrieblichen Arbeitsund Gesundheitsschutz und bildet somit die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Hilfestellungen für den fachkundigen Arbeitgeber beim Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung sind vielfältig vorhanden. Beispielsweise wurden durch das Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie -Arbeitsprogramm (GDA-AP) „Psyche“ viele Informationen durch die Aufsichtsbeamten des Arbeitsschutzes in die Betriebe hineingetragen. Inhalte zum GDA-AP „Psyche“ finden sich auf der nachfolgenden Internetseite: http://www.gda-portal.de/de/Fuer-Betriebe/Psyche/Psyche.html . Für die spezielle Gefährdungsbeurteilung zu psychischer Belastung ist eine „Empfehlung zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ als Ergebnis der GDA auf der Internetseite https://www.gda-psyche.de/SharedDocs/Downloads/DE/empfehlungen-zur-umsetzung-dergefaehrdungsbeurteilung -psychischer-belastung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 zu finden. Weiteres Wissen kann auf http://www.gda-psyche.de generiert werden.