Die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 12. September 2019 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/3995 7. Wahlperiode 13.09.2019 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE Umsetzung Gute-Kita-Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Nach dem Gute-Kita-Gesetz obliegt es den Bundesländern, darüber zu entscheiden, für welche Maßnahmen die finanziellen Mittel nach dem Gute-Kita-Gesetz genutzt werden sollen. Gemäß dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Drucksache 7/3393), S. 9 f., werden die Mittel für die Finanzierung der Elternbeitragsfreiheit ab dem 1. Januar 2020 eingesetzt. 1. Zu welchem Ergebnis kam die Landesregierung bei der Analyse gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (Gute-Kita-Gesetz)? Bei der Analyse der Ausgangslage nach § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiQuTG) kam die Landesregierung zu dem Ergebnis, dass die Elternbeiträge eine große finanzielle Belastung für viele Familien in Mecklenburg-Vorpommern darstellen. Daneben wird es eine Herausforderung in den nächsten Jahren sein, dem Fachkräftebedarf in den Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege zu begegnen. Drucksache 7/3995 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. Welche Handlungsfelder, Maßnahmen und konkrete Ziele wurden seitens der Landesregierung in der Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zusätzlich als erforderlich angesehen? Die Maßnahme nach § 2 Satz 2 KiQuTG wurde seitens der Landesregierung im Rahmen der Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung als erforderlich angesehen. 3. Welche Kriterien wurden nach § 3 Abs. 1 Nummer 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung ermittelt, anhand der die Qualität weiterentwickelt und eine verbesserte Teilhabe in der Kindertagesbetreuung fachlich und finanziell nachvollzogen werden kann? Die Kriterien, anhand derer eine Weiterentwicklung der Qualität und Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung fachlich und finanziell nachvollzogen werden sollen, (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 KiQuTG) beziehen sich auf die ausgewählte Maßnahme nach § 2 Satz 2 KiQuTG. Die Verbesserung der Teilhabe durch die Elternbeitragsfreiheit soll anhand folgender fachlicher Kriterien nachvollzogen werden: - Kosten der Kindertagesförderung für Familien deutlich reduzieren (6. ÄndG KiföG M-V und Gesetz zur Einführung der Elternbeitragsfreiheit und zur Stärkung der Elternrechte und zur Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes) - Kosten der Kindertagesförderung für Familien bezogen auf das Familieneinkommen deutlich reduzieren [DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS)] - Inanspruchnahmequote von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern erhöhen [DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) und Mikrozensus] - Inanspruchnahmequote von Kindern mit Migrationshintergrund mit nicht deutscher Familiensprache erhöhen [DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) und Mikrozensus] - Inanspruchnahmequote von Kindern in Armutslagen erhöhen (Mikrozensus) Die Verbesserung der Teilhabe soll anhand des folgenden Kriteriums finanziell nachvollzogen werden: - Kosten der Kindertagesförderung für Familien Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3995 3 4. Wie sieht das Handlungskonzept der Landesregierung gemäß § 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung konkret aus? Das Handlungskonzept sieht die Auswahl der Maßnahme nach § 2 Satz 2 KiQuTG vor. Mit der ausgewählten Maßnahme werden folgende Handlungsziele verfolgt: - Entlastung der Eltern von den Beiträgen für die Kindertagesförderung (durch die Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder zum 1. Januar 2019 und die Elternbeitragsfreiheit zum 1. Januar 2020) - Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - Schaffung gleicher und ortsunabhängiger Bedingungen in der Kindertagesförderung - Verbesserung der Mobilität - Verbesserung der Teilhabe Nach dem Handlungskonzept sollen diese Handlungsziele durch die Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder ab 1. Januar 2019, die vollständige Elternbeitragsfreiheit ab 1. Januar 2020 und die Umstellung des Finanzierungssystems der Kindertagesförderung ab 1. Januar 2020 als konkrete Maßnahmen erreicht werden. Weiterhin sieht das Handlungskonzept die bereits in der Beantwortung der Frage 3 aufgeführten fachlichen Kriterien zum Nachvollziehen der Verbesserung der Teilhabe vor. In dem Handlungskonzept ist die Ausgangslage in der ausgewählten Maßnahme nach § 2 Satz 2 KiQuTG analysiert worden. Danach leben in Mecklenburg-Vorpommern viele Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen. Gerade für diese Familien stellen die Elternbeiträge eine große finanzielle Belastung dar. In Mecklenburg-Vorpommern zahlen 90 Prozent der Eltern zwischen 0,4 und 23 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Kindertagesförderung ihres Kindes [Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2018): Eltern-ZOOM 2018, Tabelle 3 (S. 8)]. Die Elternbeiträge sind ein Grund für die Nichtinanspruchnahme einer institutionellen Förderung [Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2018): Eltern-ZOOM 2018]. 72 Prozent der Eltern von Kindern im Alter von 0 bis unter 3 Jahren, die einen Betreuungsbedarf hatten, gaben an, dass sie ihr Kind in eine Kindertagesbetreuung gegeben hätten, wenn der Besuch für ihr Kind kostenlos wäre. Diesbezüglich ist der prozentuale Anteil in Mecklenburg-Vorpommern bundesweit am höchsten [DJI Kinderbetreuungsstudie U15 (2017); Berechnungen des DJI; Daten gewichtet]. Darüber hinaus zeigt sich auf Länderebene, dass die Zufriedenheit mit den genutzten Förderangeboten dort besonders hoch ausfällt, wo eine weitgehende Kostenbefreiung eingeführt worden ist [Alt, C.; Gedon, B.; Hubert, S.; Hüsken, K.; Lippert, K. (2018): DJI-Kinderbetreuungsreport 2018]. Die Elternbeiträge erschweren vor allem Kindern von Eltern, die nicht erwerbstätig sind oder über ein geringes Einkommen verfügen, den Zugang zur Kindertagesbetreuung. Dies schränkt die Teilhabe ein und in der Folge die Chancengerechtigkeit aller Kinder. Zudem stellen die Elternbeiträge ein Zugangshindernis zum Wiedereinstieg in den Beruf für Elternteile dar und schränken damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Schließich ist in dem Handlungskonzept die Beteiligung nach § 3 Absatz 3 KiQuTG dargestellt worden. Drucksache 7/3995 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 5. Wieso wurde nicht auch das Handlungsfeld der Fachkraft-Kind- Relation als vorrangiges Ziel ausgemacht, wenn Mecklenburg- Vorpommern mit dieser bundesweit am schlechtesten dasteht? 6. Aus welchen Gründen wurde allein die Elternbeitragsfreiheit als Handlungsfeld für den Einsatz der finanziellen Mittel nach dem Gute- Kita-Gesetz seitens der Landesregierung ausgemacht? Die Fragen 5 und 6 werden zusammenhängend beantwortet. Die Elternbeitragsfreiheit wurde als Maßnahme nach § 2 Satz 2 KiQuTG ausgewählt, weil die Elternbeiträge eine große finanzielle Belastung für viele Familien in Mecklenburg- Vorpommern darstellen und Mecklenburg-Vorpommern bereits über eine Vielzahl von qualitativen Maßnahmen verfügt. Die Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern haben in der Regel täglich mindestens zehn Stunden von Montag bis Freitag geöffnet. Dadurch ist eine bedarfsgerechte Öffnung der Einrichtungen bereits möglich und erfolgt unter Berücksichtigung der sozialen und sozialräumlichen Gegebenheiten (Handlungsfeld 1). Das Fachkraft-Kind-Verhältnis ist in den letzten Jahren im Kindergarten bereits stufenweise verbessert worden. Darüber hinaus verfügen über 80 Prozent der Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen über einen fachpädagogischen Berufsausbildungsabschluss (Statistisches Amt MV, Statistischer Bericht K433 2018 00). Damit ist Mecklenburg- Vorpommern im Hinblick auf die Qualifikation der Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen im Bundesdurchschnitt Vorreiter. Aufgrund der demografischen Struktur bei den pädagogischen Fachkräften sieht die Landesregierung primär die Notwendigkeit, zunächst den Ersatzbedarf zur Gewährleistung des bestehenden Fachkraft-Kind-Verhältnisses zu sichern. Darüber hinaus konnte mit dem Kindertagesförderungsgesetz (KiföG M-V) vom 4. August 2019 das Fachkraft-Kind-Verhältnis und die mittelbare pädagogische Arbeit ab 1. Januar 2020 dauerhaft finanziell gestärkt werden. Zusätzlich konnte mit diesem Landesgesetz die finanzielle Besserstellung der Fachkräfte und die Anerkennung ihrer Leistungen in der Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommerns bereits zum 1. September 2019 vorgezogen werden. Das Land hat für die Finanzierung der bereits erfolgten Absenkung des Fachkraft-Kind-Verhältnis und der Erhöhung des Zeitumfangs für die mittelbare pädagogische Arbeit für den Zeitraum vom 1. September 2019 bis 31. Dezember 2019 zusätzlich finanzielle Mittel in Höhe von 1.795.700 Euro zur Verfügung gestellt. Diese Mehrkosten konnten aus freiwerdenden Mitteln aufgrund bundesgesetzlich geregelter Verbesserungen zum Bildungs- und Teilhabepaket (Starke-Familien-Gesetz) gedeckt werden. Es ist notwendig, die Ausbildungskapazitäten zu erweitern und zusätzliche pädagogische Fachkräfte zu gewinnen. Mittelfristig ist zugleich die Gewinnung zusätzlicher Fachkräfte angestrebt. Deshalb unterstützt die Landesregierung auch die Umsetzung des Bundesprogramms „Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher: Nachwuchs gewinnen und Profis binden“ in Mecklenburg-Vorpommern. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3995 5 Die weiteren aufgrund des Starke-Familien-Gesetz freiwerdenden Mitteln in Höhe von 1.120.966 Euro sollen vollständig in eine Fachkräfteoffensive des Landes im Bereich der Kindertagesförderung eingesetzt werden. Mit der Fachkräfteoffensive sollen nachhaltig pädagogische Fachkräfte für die Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern unter Einbeziehung der Bedarfe der freien Träger und der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewonnen werden. Die Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte in der Kindertagesförderung erfolgt unabhängig vom KiQuTG (Handlungsfeld 3). Dazu wurde zum Schuljahr 2017/2018 eine praxisintegrierte Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin bzw. zum staatlich anerkannten Erzieher für 0- bis 10-Jährige eingeführt. Die Ausbildungskapazitäten wurden bedarfsgerecht erhöht. Daneben sieht die Neufassung des KiföG M-V eine finanzielle Abgeltung für die Mentorinnen und Mentoren vor, die die Auszubildenden zu staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern für 0- bis 10-Jährige begleiten. Das Entgeltfinanzierungssystem ermöglicht eine tarifgerechte Entlohnung des pädagogischen Personals. Die Leitungen der Kindertageseinrichtungen sind bereits gemäß § 11a Absatz 7 KiföG M-V in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder und der zu bewältigenden Leitungsaufgaben angemessen von der unmittelbaren pädagogischen Arbeit freizustellen (Handlungsfeld 4). Der Umfang und die Kosten der Freistellung werden in den Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltverhandlungen berücksichtigt. Zudem werden Fort- und Weiterbildungsangebote für Leitungskräfte angeboten. Die Kosten für die Verbesserungen der Gestaltung der in der Kindertagesförderung genutzten Räumlichkeiten können bereits im Rahmen der Vereinbarungen über Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklung geltend gemacht werden (Handlungsfeld 5). Im Zuge des 6. ÄndG KiföG M-V (zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten) wurde bereits vorgeschrieben, dass die frühkindliche Bildung und Erziehung die Entwicklung des Gesundheitsbewusstseins, insbesondere in Bezug auf hygienisches Verhalten, tägliche Zahnpflege, gesunde Ernährung und Bewegung unterstützt. Die Vernetzungsstelle Kitaverpflegung in Mecklenburg-Vorpommern wird vom Land finanziert, um die Verpflegungsangebote zugunsten einer ausgewogenen Ernährung nach den DGE-Qualitätsstandards auszurichten (Handlungsfeld 6). Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ weiterhin vom Bund fortgeführt wird. Im Übrigen sind in diesem Bereich Projekte unabhängig vom KiQuTG in Planung (Handlungsfeld 7). Die Kindertagespflege wird durch die geplante Neufassung des KiföG M-V gestärkt (Handlungsfeld 8). Es wird eine Grundqualifikation im Bereich der Kindertagespflege gesetzlich festgeschrieben. Mecklenburg-Vorpommern definiert damit einen Standard, der den aktuellen Empfehlungen des Bundesverbandes für Kindertagespflege, des BMFSFJ sowie des DJI Rechnung trägt. Zudem wird die Qualitätsoffensive Kindertagespflege u. a. mit der Etablierung von Vertretungsmodellen und einem Qualifizierungsprogramm fortgesetzt. Für die Kindertagespflege ist eine Fach- und Praxisberatung gesetzlich festgeschrieben. Der Schlüssel der Fach- und Praxisberatung für die Kindertagespflege soll durch die geplante Neufassung des KiföG M-V abgesenkt werden. Drucksache 7/3995 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Die Träger von Kindertageseinrichtungen sind bereits zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung und -sicherung nach Maßgabe des KiföG M-V verpflichtet. Das Land stellt für die anteilige Finanzierung der Qualitätsentwicklung und -sicherung jährlich Mittel zur Verfügung (Handlungsfeld 9). Im Handlungsfeld 10 besteht kein akuter Handlungsbedarf im Rahmen des KiQuTG. Die Zusammenarbeit mit den Eltern wird durch die geplante Neufassung des KiföG M-V verbessert. Im Bereich der Sicherstellung des Schutzes der Kinder vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung hat Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen geschaffen. Das Entgeltfinanzierungssystem in Mecklenburg-Vorpommern ermöglicht es, qualitative Aspekte in den Vereinbarungen über Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklung mit zu berücksichtigen. 7. Was will die Landesregierung wann als weitere Maßnahme umsetzen, um die Fachkraft-Kinder-Relation zu verbessern und qualifizierte Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung zu gewinnen? Zur Gewinnung qualifizierter Fachkräfte werden die Ausbildungskapazitäten seitens der Landesregierung erhöht. Zum Schuljahr 2017/2018 wurde die praxisintegrierte Ausbildung zu staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern für 0- bis 10-Jährige als Modellversuch eingeführt. Die Ausbildungskapazitäten dieses Ausbildungsganges wurden entsprechend dem Bedarf erhöht. Zum Schuljahr 2019/2020 wird der Ausbildungsgang zusätzlich an privaten Schulen angeboten. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung die Umsetzung des Bundesprogrammes „Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher: Nachwuchs gewinnen und Profis binden“ in Mecklenburg-Vorpommern. Durch dieses Bundesprogramm werden 45 zusätzliche Auszubildende gefördert. Nach dem Übergang der Zuständigkeit für die Ausbildungsplatzplanung auf das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung im Einvernehmen mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ab dem 1. Januar 2020 soll die Ausbildungsplatzplanung entsprechend den Bedarfen aktualisiert werden.