Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 31. Mai 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/429 7. Wahlperiode 02.06.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Bernhard Wildt, Fraktion der AfD Einrichtung eines offiziellen Schülertransports im Landkreis Vorpommern- Rügen nach dem Schulgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SchulG MV) und ANTWORT der Landesregierung Im Landkreis Vorpommern-Rügen ist im Geltungsbereich des im Landesschulgesetz geregelten Schülertransports nach Auslegung des Landkreises kein offizieller Schülertransport eingerichtet. Die Schüler nutzen dort den Öffentlichen Personennahverkehr. Der Landrat argumentiert in Bezug auf das Landesschulgesetz, dass damit keine offizielle Schülerbeförderung eingerichtet worden sei. Nach Aussage des Finanzministers, Mathias Brodkorb, sei diese Auslegung rechtswidrig. Der Landkreis sei schlichtweg dazu verpflichtet, eine Schülerbeförderung vorzuhalten. Wann wird die Landesregierung gegen diese rechtswidrige Begründung des Landkreises Vorpommern-Rügen zum Nichtvorhalten einer offiziellen Schülerbeförderung vorgehen? Gemäß § 113 Absatz 1 des Schulgesetzes wird die Schülerbeförderung als pflichtige Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Landkreise definiert. Die Landkreise haben das Recht, die Schülerbeförderung durch den Erlass von Satzungen auszugestalten. Die Entscheidung darüber, ob sie die Schülerbeförderung selbst durchführen beziehungsweise organisieren oder die notwendigen Aufwendungen übernehmen, liegt in ihrem Ermessen. Drucksache 7/429 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Durch die Regelung in § 113 Absatz 2 des Schulgesetzes werden die Landkreise zu Mindeststandards der Aufgabenerfüllung verpflichtet. So hat gemäß § 113 Absatz 2 Satz 1 des Schulgesetzes eine öffentliche Beförderung für Schülerinnen und Schüler der örtlich zuständigen Schulen stattzufinden oder - sofern eine öffentliche Schülerbeförderung nicht eingerichtet ist - eine Erstattung der notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zur örtlich zuständigen Schule zu erfolgen. Schülerinnen und Schüler, die hingegen eine örtlich unzuständige Schule besuchen (sogenannte Wahlschüler), können nach § 113 Absatz 2 Satz 2 des Schulgesetzes kostenlos an der öffentlichen Schülerbeförderung bis zur örtlich zuständigen Schule teilnehmen, sofern eine solche eingerichtet ist. Eine Erstattung der notwendigen Aufwendungen für diese Schüler findet nach § 113 Absatz 2 Satz 3 des Schulgesetzes allerdings nicht statt. Die Rechtslage ist insoweit kompliziert, als aus der gesetzlichen Regelung nicht eindeutig hervorgeht, was erstens unter einer öffentlich eingerichteten Schülerbeförderung zu verstehen ist und zweitens welche notwendigen Aufwendungen tatsächlich nicht erstattet werden. Dies führt zu Auslegungsdifferenzen. Der Landkreis Vorpommern-Rügen ist der Ansicht, dass es an einer im Sinne von § 113 Absatz 2 Satz 2 des Schulgesetzes eingerichteten öffentlichen Schülerbeförderung fehle, wenn der Schülertransport über den Linienverkehr des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gemäß § 42 des Personenbeförderungsgesetzes erfolgt. Da es sich bei diesen Fahrten um Dienstleistungen eines Dritten handelt, bei denen die Fahrkarten pro mitreisender Schülerin oder pro mitreisendem Schüler einzeln abgerechnet und durch den Landkreis erstattet werden müssten, entstünden dem Landkreis zusätzliche Kosten. Insofern könne es sich beim ÖPNV nicht um eine kostenlose Mitfahrgelegenheit handeln, sondern vielmehr um eine Aufwandserstattung , die nach dem Wortlaut von § 113 Absatz 2 Satz 3 des Schulgesetzes für sogenannte Wahlschüler ja aber gerade nicht erfolgen solle. Nach der Rechtsauffassung der Landesregierung kann sich der Landkreis der Pflicht zur Mitnahme von Schülerinnen und Schülern nach § 113 des Schulgesetzes nicht dadurch entziehen, dass er überhaupt keinen Schülerverkehr organisiert. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und das Ministerium für Inneres und Europa vertreten die Auffassung, dass der Linienverkehr des ÖPNV durchaus als Äquivalent für eine öffentlich eingerichtete Schülerbeförderung verstanden und gewertet werden kann, weil er in nicht unerheblichem Umfang auch dem Schülerverkehr dient. Gestützt wird diese Auffassung durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Greifswald. In seinem Urteil vom 7. Juli 2015 (Az.: 4 A 420/13), das die gesetzlich geregelte Schülerbeförderung zum Gegenstand hatte, wurde in einem obiter dictum geäußert, dass die zuständige Kammer die im Landkreis Vorpommern-Rügen bestehende Schülerbeförderung, die in den ÖPNV integriert ist, als Schülerbeförderung im Sinne des Gesetzes ansehe. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung ergibt sich, dass Schülerinnen und Schüler, die mit dem Linienverkehr eine örtlich unzuständige Schule besuchen, eine Schülerzeitfahrkarte bis zur örtlich zuständigen Schule erhalten könnten und daher insoweit kostenlos zu befördern wären. Die Aufsicht im eigenen Wirkungskreis ist gemäß § 78 Absatz 2 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/429 3 Das für diese Rechtsaufsicht zuständige Ministerium für Inneres und Europa hat im Wege der vorrangig angezeigten Beratung im Sinne des § 78 Absatz 1 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern gegenüber dem Landrat des Landkreises Vorpommern- Rügen mehrfach auf die Möglichkeit einer vom Landkreis abweichenden Rechtsauffassung hingewiesen und appelliert, jenen Schülerinnen und Schülern, die im selben Bus sitzen, der sowohl die örtlich zuständige als auch die örtlich unzuständige Schule anfährt, eine kostenlose Mitfahrt bis zur örtlich zuständigen Schule zu ermöglichen. Mit Schreiben vom 8. Juli 2016 teilte das Ministerium für Inneres und Europa dem Landkreis Vorpommern-Rügen mit, dass die Herangehensweise des Landkreises Vorpommern-Rügen für nicht sachgerecht erachtet wird. Mit einem weiteren Schreiben vom 16. August 2016 bat das Ministerium für Inneres und Europa den Landkreis Vorpommern-Rügen um Mitteilung, ob der Landkreis bei der in Rede stehenden Angelegenheit zu einer anderen Bewertung gelangt und wie er in der Angelegenheit weiter zu verfahren beabsichtigt. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2016 teilte der Landkreis Vorpommern-Rügen mit, dass er der Auffassung der Landesregierung und des Verwaltungsgerichtes Greifswald in der genannten Entscheidung weiterhin nicht zu folgen vermag und dass er beabsichtigt, die umstrittene Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen, wobei mehrere Verfahren bereits anhängig sind. Die Haltung des Landkreises hat sich ausweislich eines weiteren Schreibens vom 5. April 2017 auch nach der Positionierung des Landtages selbst nicht geändert. Der Landkreis stuft Leistungen an im Öffentlichen Personennahverkehr zu befördernde Schüler zu örtlich unzuständigen Schulen als freiwillige Leistungen ein, die im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung aufgegeben werden mussten. Hinsichtlich rechtsaufsichtlicher Zwangsmaßnahmen ist im Rahmen der Ermessensausübung der Rechtsaufsichtsbehörde stets Zurückhaltung in Fällen geboten, in denen die kommunale Körperschaft eine Rechtsauffassung vertritt, die zwar nicht derjenigen der Rechtsaufsicht entspricht, die aber gleichwohl auch vertretbar erscheinen könnte. Derartige Maßnahmen wären zudem justitiabel; eine verwaltungsgerichtliche Klärung steht aber bereits durch die anhängigen Verfahren unmittelbar bevor. Die Meinungsbildung der Landesregierung über das weitere Vorgehen ist vor diesem Hintergrund noch nicht abgeschlossen.