Die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 8. Mai 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/480 7. Wahlperiode 09.05.2017 KLEINE ANFRAGE der Abgeordneten Enrico Komning, Nikolaus Kramer, Jörg Kröger, Bert Obereiner und Christel Weißig, Fraktion der AfD Unbegleitete minderjährige Ausländer in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung Laut Nordkurier vom 31.03.2017 betont das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung, dass enorme Herausforderungen bei der Aufnahme von jungen Migranten sowie der Bewältigung von Gewaltexzessen bestehen. In Drucksache 7/297 verweist die Landesregierung auf den Haushaltstitel 633.01 „Erstattungen von Kosten der Hilfe zur Erziehung Minderjähriger ohne gewöhnlichen Aufenthalt“. Dem Einzelplan 10, Kapitel 1026 des Haushaltsplans 2016/2017 zufolge stiegen die Beträge von 2 Mio. € im Jahr 2015 auf 18,384 Mio. € im Jahr 2016 sehr stark an. 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer sind nach dem Königsteiner Schlüssel im Jahr 2016 nach Mecklenburg-Vorpommern verteilt worden? Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer befinden sich derzeit in der Obhut Mecklenburg-Vorpommerns? Das Bundesverwaltungsamt hat in Umsetzung des § 42b Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)1 Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2016 zur Aufnahme von 928 unbegleiteten minderjährigen Ausländern verpflichtet. Mecklenburg-Vorpommern erfüllte zum 31. Dezember 2016 die nach dem Königsteiner Schlüssel ermittelte Quote zu 77 Prozent. 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) - Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). Drucksache 7/480 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Mit Stichtag 20. April 2017 befanden sich insgesamt 939 unbegleitete minderjährige Ausländer in jugendhilferechtlicher Zuständigkeit. Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen: - 209 unbegleitete minderjährige Ausländer, die vor dem 1. November 2015 (sogenannte Altfälle) in Obhut genommen wurden und - 730 unbegleitete minderjährige Ausländer, die nach dem 1. November 2015 (sogenannte Neufälle) in Obhut genommen wurden. Die 730 Neufälle untergliedern sich in vorläufige Inobhutnahme (3 Fälle), in die Inobhutnahme (290 Fälle), in Anschlussmaßnahmen (342 Fälle) und in Hilfen für junge Volljährige (ehemalige unbegleitete ausländische Minderjährige - 95 Fälle). 2. Wie hoch waren in dem oben genannten Kontext die Kosten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Jahr 2016, die durch das Land erstattet worden sind? Die Landesregierung erstattete im Jahr 2016 Rechnungen in Höhe von insgesamt 35.668.503,20 Euro. Diese Summe bezieht sich auf Kostenerstattungen für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen von örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe aus dem Bundesgebiet und aus Mecklenburg- Vorpommern. Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus Mecklenburg-Vorpommern haben davon im Jahr 2016 Kosten in Höhe von 15.994.547,51 Euro geltend gemacht, die vom Land gemäß § 89d SGB VIII erstattet wurden. 3. Wie hoch war der in Frage 2 hinausgehende Bedarf aufgrund der bundesweiten Zugangsentwicklung im Jahr 2016? Aufgrund der bundesweiten erhöhten Zugangszahlen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger waren die im Landeshaushalt geplanten Finanzmittel für das Jahr 2016 in Höhe von insgesamt 20.034.000 Euro nicht auskömmlich. Durch das Land wurden zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von 15.634.503,20 Euro für die Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise aufgebracht. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/480 3 4. Wie viele der unbegleiteten minderjährigen Ausländer sind seit ihrer Ankunft 2016 erkennungsdienstlich behandelt worden? Der Landesregierung liegen hierzu keine statistischen Datenerhebungen vor. Bei den durch die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlungen ist nicht recherchierbar, wie viele davon bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern durchgeführt worden sind. Zur Beantwortung der Frage wäre eine händische Auszählung aller durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlungen notwendig. Der daraus entstehende Aufwand ist mit der aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 der Landesverfassung folgenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht vereinbar. Anfang März 2017 wurden die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Land befragt, wie viele unbegleitete ausländische Minderjährige ihres Verantwortungsbereiches noch keiner erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden sind. Demnach lebten mit Stand vom 14. März 2017 in Mecklenburg-Vorpommern 942 unbegleitete ausländische Minderjährige, davon waren 647 Personen erkennungsdienstlich behandelt, weitere 47 Personen hatten einen kurzfristigen Termin für eine erkennungsdienstliche Behandlung. 248 Personen waren noch nicht erkennungsdienstlich erfasst worden. 5. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer haben seit ihrer Ankunft einen Asylantrag gestellt? Wie ist ihr rechtlicher Status in der Bundesrepublik, wenn kein Asylantrag gestellt worden ist? Nach Angaben des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind durch unbegleitete ausländische Minderjährige im Jahr 2016 720 Asylerstanträge und im Jahr 2017 (Stichtag: 31. März 2017) 99 Asylerstanträge gestellt worden. Über den Aufenthalt von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen wird von den Ausländerbehörden auf der Grundlage der Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes entschieden. In der Regel wird eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 58 Absatz 1a des Aufenthaltsgesetzes erteilt, weil die Abschiebung aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Drucksache 7/480 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 6. Wie hoch waren die finanziellen Zuweisungen an Träger der Wohlfahrtspflege 2016? Die Landesregierung hat für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen im Jahr 2016 keine finanziellen Zuweisungen an Träger der Wohlfahrtspflege vorgenommen. 7. Wie hoch ist die Anzahl der Einsätze der Landespolizei seit dem 01.01.2016 im Zusammenhang mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern (bitte aufschlüsseln nach Einsatzort)? Durch automatisierte Recherchen ist es nicht möglich, die Anzahl der Einsätze der Landespolizei speziell bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen zu erheben. Es müsste eine händische Auswertung aller erfassten Einsätze im Kontext von Zuwanderung erfolgen. Dies würde einen Aufwand begründen, der schon mit der aus Artikel 40 Absatz 1 Satz 1 Landesverfassung folgenden Pflicht zur unverzüglichen Beantwortung Kleiner Anfragen nicht zu vereinbaren wäre. Hinzu kommt die aus datenschutzrechtlichen Gründen automatisierte Anonymisierung von personenbezogenen Daten entsprechend dem jeweiligen Vorgangstyp, beginnend ab vier Wochen nach dem Einsatztag. 8. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer sind in Pflegefamilien und wie viele in Heimen untergebracht? Wie erfolgt die Betreuung im Sinne der Übernahme von Entscheidungen der noch nicht geschäftsfähigen unbegleiteten minderjährigen Ausländer (zum Beispiel Pflegefamilien, ehrenamtliche und Berufsbetreuer, mit der Bitte um quantitative Angaben)? In der Kinder- und Jugendhilfestatistik gemäß § 98 SGB VIII und fortfolgende Paragraphen werden Daten für unbegleitete ausländische Minderjährige, die jugendhilferechtliche Leistungen nach § 33 (Vollzeitpflege in Pflegefamilien) oder nach § 34 (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnformen) SGB VIII erhalten, nicht gesondert erfasst. Kommt ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland und hält sich weder ein Personensorgeberechtigter noch ein Erziehungsberechtigter im Inland auf, ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, dieses Kind oder diesen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen. Das Jugendamt hat dann unverzüglich beim zuständigen Familiengericht die Bestellung eines Vormundes oder eines Pflegers zu veranlassen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/480 5 Die Mehrheit der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen wird in Mecklenburg- Vorpommern durch Amtsvormünder betreut. In der Kinder- und Jugendhilfestatistik 2015 werden unter anderem jährlich Daten zur bestellten Amtsvormundschaft erhoben, untergliedert unter anderem nach deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit (Deutscher/ Nichtdeutscher). Danach wurden am Jahresende 2015 in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 1.075 Kinder und Jugendliche durch Amtsvormundschaft betreut, davon 532 nichtdeutsche Kinder und Jugendliche.2 2 Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe, Pflegschaften, Vormundschaften, Beistandschaften, Pflegeerlaubnis, Sorgerechtsentzug, Sorgeerklärungen 2015, erschienen am 4. November 2016.