Die Justizministerin hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 4. Juli 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/726 7. Wahlperiode 05.07.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Dr. Matthias Manthei, Fraktion der AfD Die Qualität und Effektivität der Richter und Staatsanwälte Mecklenburg- Vorpommerns im Ländervergleich und ANTWORT der Landesregierung Vorbemerkung Viele der in der vorliegenden Anfrage und in vergleichbaren Anfragen abgefragten Daten lassen sich den vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der „Fachserie 10: Rechtspflege“ jährlich veröffentlichten Übersichten auf der Internetseite https://www.destatis.de/DE/Publikationen/ Thematisch/Fachserie_10.html entnehmen. Die Neue Juristische Wochenschrift Nr. 24/2017 berichtete über Vergleichszahlen der Bundesländer in Bezug auf die Qualität und Effektivität der Richter und Staatsanwälte. In einigen Bereichen der Justiz herrschten laut Report in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund langer Prozessdauern „rechtsstaatlich unhaltbare Zustände“. 1. Liegen der Landesregierung die „Berliner Tabelle“ für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die „Sachsen-Tabelle“ für die Fachgerichtsbarkeiten mit Vergleichszahlen aus dem Jahr 2015 vor? Der Landesregierung liegen die „Berliner Tabelle“ für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die „Sachsen-Tabelle“ für die Fachgerichtsbarkeiten mit Vergleichszahlen aus dem Jahr 2015 vor. Drucksache 7/726 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 2. Für welche weiteren Jahre liegen der Landesregierung diese Tabellen vor? Tabellen mit Vergleichszahlen für die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit liegen dem Justizministerium für die Jahre seit 1994 vor, wobei ein Rang für die Verfahrensdauer in den einzelnen Bundesländern erst seit dem Jahr 2004 ausgewiesen wird. Tabellen mit Vergleichszahlen für die Fachgerichte liegen dem Justizministerium für die Jahre seit 1995 vor, wobei ein Rang für die Verfahrensdauer in den einzelnen Bundesländern erst seit dem Jahr 2007 ausgewiesen wird. 3. Auf welchem Tabellenrang befand sich Mecklenburg-Vorpommern in den einzelnen Gerichtsbarkeiten in den der Landesregierung bekannten Jahren (bitte jeweils den Rang nach zugrunde gelegtem Parameter, Gerichtsbarkeit und Jahr angeben)? Der Rang der durchschnittlichen Dauer aller Verfahren vor den Gerichten in Mecklenburg- Vorpommern im Verhältnis zu den Werten in den anderen Ländern ergibt sich aus den nachfolgenden Tabellen. Da nicht stets für alle Länder Daten vorlagen und weil in den Fachgerichtsbarkeiten teilweise gemeinsame Obergerichte mehrerer Bundesländer bestehen, ist jeweils auch die Gesamtzahl der Vergleichsdaten angegeben (Zahl hinter dem Schrägstrich): 2004 2005 2006 2007 2008 2009 AG Zivilsachen 14/15 12/15 9/16 9/16 12/16 13/15 AG Familiensachen (2004/2005: nur Ehesachen, ab 2006: alle Verfahren) 13/16 12/15 12/16 13/16 12/16 12/16 AG Strafsachen insgesamt 6/16 6/16 5/16 5/16 4/16 3/16 AG Bußgeldverfahren insgesamt 16/16 16/16 16/16 16/16 16/16 15/16 LG Zivilkammern I. Instanz 15/16 14/15 12/16 14/16 13/16 14/16 LG Kammern für Handelssachen I. Instanz 15/16 13/15 12/16 8/16 11/16 10/16 LG Zivilsachen Berufungen 15/16 14/15 15/16 16/16 12/16 9/16 LG Strafsachen I. Instanz 13/16 9/16 12/16 14/16 12/16 1/16 LG Strafsachen Berufungen 14/16 15/16 14/16 9/16 4/16 7/16 OLG Zivilsachen Berufungen 16/16 15/15 15/16 8/16 9/16 14/16 OLG Familiensachen Berufungen/Beschwerden gegen Endentscheidungen 15/16 16/16 16/16 14/16 13/16 12/16 OLG Strafsachen Revisionen 13/16 7/16 15/16 16/16 15/16 6/16 OLG Strafsachen Rechtsbeschwerden 16/16 6/16 15/16 15/16 16/16 11/16 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/726 3 2010 2011 2012 2013 2014 2015 AG Zivilsachen 11/16 15/16 12/16 11/16 12/16 14/16 AG Familiensachen 7/16 14/16 13/16 13/16 16/16 15/16 AG Strafsachen insgesamt 3/16 4/16 4/14 7/16 5/16 8/16 AG Bußgeldverfahren insgesamt 16/16 15/16 16/16 13/16 14/16 16/16 LG Zivilkammern I. Instanz 15/16 14/16 15/16 14/16 14/16 12/16 LG Kammern für Handelssachen I. Instanz 12/16 12/16 8/16 9/16 11/16 13/16 LG Zivilsachen Berufungen 13/16 16/16 15/16 16/16 16/16 16/16 LG Strafsachen I. Instanz 8/16 2/16 5/16 11/16 12/16 10/16 LG Strafsachen Berufungen 6/16 4/16 4/16 4/16 2/16 4/16 OLG Zivilsachen Berufungen 13/16 13/16 14/16 16/16 16/16 16/16 OLG Familiensachen Berufungen/Beschwerden gegen Endentscheidungen 12/16 13/16 12/16 12/16 14/16 14/16 OLG Strafsachen Revisionen 4/16 4/16 2/16 3/16 1/16 1/15 OLG Strafsachen Rechtsbeschwerden 4/16 2/16 5/16 5/16 4/16 3/15 AG Amtsgericht LG Landgericht OLG Oberlandesgericht 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Verwaltungsgerichte Hauptverfahren 14/16 15/16 15/16 15/16 15/16 16/16 16/16 16/16 16/16 Eilverfahren 16/16 15/16 15/16 15/15 16/16 16/16 15/16 15/16 14/16 Oberverwaltungsgericht erstinstanzliche Verfahren 14/15 11/15 9/15 15/15 10/15 12/15 11/15 13/15 12/15 Berufungen 14/15 14/15 15/15 15/15 14/15 14/15 15/15 14/15 15/15 Beschwerden 14/15 6/15 4/15 6/15 2/15 9/15 9/15 3/15 12/15 Eilverfahren 1/15 3/15 3/15 5/15 6/15 13/15 3/14 14/15 15/15 Sozialgerichte Hauptverfahren 10/15 13/15 15/15 16/16 15/16 15/16 16/16 15/15 16/16 Eilverfahren 9/14 13/15 16/16 14/14 16/16 13/16 13/16 12/16 11/15 Landessozialgericht Berufungen 6/12 8/13 9/14 10/14 10/14 11/14 13/14 14/14 14/14 Beschwerden 7/11 10/13 11/13 12/14 14/14 12/14 14/14 13/14 13/14 Eilverfahren 11/11 5/13 11/12 8/14 10/14 4/12 10/14 9/12 13/13 Finanzgericht Hauptverfahren 8/15 4/15 3/15 7/15 4/15 5/15 12/15 12/15 15/15 Eilverfahren 1/14 1/15 1/15 2/15 3/15 3/15 4/15 7/15 7/15 Drucksache 7/726 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Arbeitsgerichte Urteilsverfahren einschließlich Eilverfahren 9/14 11/14 14/16 13/16 15/16 13/16 15/16 16/16 16/16 Beschlussverfahren einschließlich Eilverfahren 3/14 4/14 13/16 16/16 15/16 8/16 1/16 12/16 15/16 Landesarbeitsgericht Berufungen einschließlich Eilverfahren 6/12 8/14 10/15 7/15 5/15 10/14 8/15 10/15 11/15 Beschwerden einschließlich Eilverfahren 3/13 2/14 3/15 13/15 14/15 9/15 7/15 11/15 7/15 4. Wie erklärt die Landesregierung das Abschneiden Mecklenburg- Vorpommerns in den jeweiligen Gerichtsbarkeiten im Ländervergleich? Es ist hierzu auch auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE, Drucksache 7/163, zu verweisen. Die Verfahrensdauer hat sich in den einzelnen Gerichtsbarkeiten und den einzelnen Rechtsgebieten sehr unterschiedlich entwickelt. Für den besonders sensiblen Bereich der Strafverfahren lässt sich feststellen, dass die für die Geschäftsverteilung innerhalb der Gerichte allein zuständigen Präsidien dafür Sorge getragen haben, dass die strafrechtlichen Dezernate beziehungsweise Spruchkörper regelmäßig über eine zumindest ausreichende Personalausstattung verfügten. Das hat dazu geführt, dass die Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern im Bereich des Strafrechts zumeist vordere bis mittlere Ränge belegt haben. Die den anderen, den ordentlichen Gerichten, zugewiesenen Rechtsbereiche hatten unter anderem die Hauptlast aus der personellen Unterstützung der Sozialgerichtsbarkeit (Stellen- und Personalverlagerungen) und aus dem Personalkonzept (Stelleneinsparungen) zu tragen. Deshalb ist es dort nicht gelungen, überhöhte Bestände abzubauen und damit kürzere Verfahrenslaufzeiten zu erreichen. In der Sozialgerichtsbarkeit ist es infolge einer enormen Zunahme der Verfahrenseingänge zwischen 2003 und 2010 zu einem erheblichen Bearbeitungsrückstand gekommen, da die erforderliche personelle Verstärkung erst mit zeitlichem Verzug und nur zulasten der übrigen Gerichtsbarkeiten und der Staatsanwaltschaften erfolgen konnte. Der Anstieg der erstinstanzlichen Verfahren hat ferner auch zu einem merklichen Anstieg der Rechtsmittelverfahren bei dem Landessozialgericht geführt, was ebenfalls mit einem Anstieg der Bestände und der Verfahrensdauer einherging. In beiden Rechtszügen lag der Anstieg des Geschäftsanfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/726 5 Die Ränge, die die Arbeitsgerichtsbarkeit im Bundesvergleich einnimmt, beruhen auf absolut nur sehr geringfügigen Abweichungen vom Bundesdurchschnitt. So beruhte der Rang 9 von 16, welchen die Arbeitsgerichte im Jahr 2007 bei den zahlenmäßig mit Abstand bedeutendsten Urteilsverfahren eingenommen haben, auf einer durchschnittlichen Dauer von 3,5 Monaten (Bundesdurchschnitt: 3,2 Monate), während der in 2015 eingenommene letzte Platz (16 von 16) auf einer Laufzeit von 3,9 Monaten beruht. In 2016 hat sich dieser Wert auf 3,8 Monate verkürzt. Eine im Vergleich zum Bundesdurchschnitt um weniger als einen Monat längere Verfahrensdauer lässt sich bereits durch die geringe Bevölkerungsdichte in Mecklenburg- Vorpommern und die damit einhergehend schwierigere Terminierungspraxis der Arbeitsgerichte im Vergleich zu eher städtisch geprägten Bundesländern erklären. Bei den Verwaltungsgerichten war in den vergangenen Jahren eine Verkürzung der durchschnittlichen Verfahrensdauer zu verzeichnen, auch wenn sich dies nicht bereits in besseren Rängen im Bundesvergleich niedergeschlagen hätte. Hierzu wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jacqueline Bernhardt, Fraktion DIE LINKE, Drucksache 7/163, verwiesen. Durch den Anstieg der Neueingänge bei den Asylverfahren und die bereits erfolgte deutliche Personalverstärkung hat sich die Situation vollständig verändert, weshalb derzeit weder eine Ursachenbetrachtung noch eine Prognose möglich erscheint. Bei dem Finanzgericht handelt es sich um die kleinste eigenständige Fachgerichtsbarkeit, die ausschließlich von Richterinnen und Richtern im Beförderungsamt besetzt werden kann, womit die personalrechtlichen Möglichkeiten eingeschränkter sind als in anderen Gerichtsbarkeiten. Trotz hinreichender Stellenausstattung blieb in der Vergangenheit der tatsächliche Personaleinsatz hinter dem Bedarf, der sich aus den Verfahrenseingängen errechnet, zurück. Hierdurch ist es zu einem Bearbeitungsrückstand mit Bestandszunahme und Verlängerung der Laufzeiten gekommen. 5. Zieht die Landesregierung diese Tabellen für ihre Haushalts- und Personalpolitik in der Justiz heran? Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Tabellen dienen allein justizinternen Zwecken. Sie finden deshalb insbesondere bei Entscheidungen über die Verteilung von Personal innerhalb der Justiz Berücksichtigung. Im Rahmen der Haushalts- und Personalpolitik werden allgemein zugängliche Quellen, wie die in der Vorbemerkung erwähnten Auswertungen des Statistischen Bundesamtes, herangezogen. Auf die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU Mecklenburg-Vorpommern für die 7. Wahlperiode 2016 - 2021 (Randnummer 438) wird hingewiesen, wonach eine zügige Abarbeitung der Verfahren und eine Verfahrensbeschleunigung in der Justiz ausdrückliches Ziel der Koalition ist. Drucksache 7/726 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 6. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, um die Qualität und die Effektivität der Arbeit der Richter und Staatsanwälte in Mecklenburg- Vorpommern zu steigern? a) Wenn ja, was unternimmt die Landesregierung, um die Qualität und die Effektivität der Arbeit an den Gerichten zu steigern? b) Wenn nicht, warum nicht? Zu 6, a) und b) Die Arbeit der Richterinnen und Richter ist einer Einflussnahme der Landesregierung entzogen, weil sie von der richterlichen Unabhängigkeit umfasst wird, vergleiche Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetzes. Aus dem gleichen Grund sieht sich die Landesregierung auch gehindert, die Qualität dieser Arbeit zu bewerten. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hinsichtlich ihrer Qualität oder ihrer Effektivität verbesserungsbedürftig wäre, liegen der Landesregierung nicht vor. 7. Ist die Landesregierung der Meinung, dass angesichts der Dauer von Gerichtsprozessen in einigen Gerichtsbarkeiten „rechtsstaatlich unhaltbare Zustände“ herrschen? a) Wenn ja, in welchen Gerichtsbarkeiten? b) Wenn ja, warum? c) Wenn nicht, ab welcher Prozessdauer würden laut Landesregierung rechtsstaatlich bedenkliche Zustände in den jeweiligen Gerichtsbarkeiten herrschen? Zu 7, a) und b) Die Landesregierung ist nicht der Meinung, dass in den Gerichtsbarkeiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern „rechtsstaatlich unhaltbare Zustände“ herrschen. Zu c) Eine für alle Gerichtsbarkeiten und für alle Verfahrensarten gültige Aussage zur jeweils „hinnehmbaren“ Verfahrensdauer, noch dazu unabhängig vom konkreten Einzelfall, ist nicht möglich. Auf die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte zum Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Gerichtsverfahren, wonach die Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht von festen Zeitvorgaben abhängig gemacht werden kann, wird verwiesen (beispielsweise BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5/14 D sowie BFH, Urteil vom 19. März 2014 - X K 8/13). Dort, wo die Verfahrensdauer besorgniserregend angestiegen ist, wird dem durch geeignete personalwirtschaftliche Maßnahmen, etwa durch die Verlagerung von Stellen, entgegengesteuert. Innerhalb eines Gerichtes obliegt der Personaleinsatz im richterlichen Bereich allerdings allein dem Präsidium.