Der Finanzminister hat namens der Landesregierung die Kleine Anfrage mit Schreiben vom 10. September 2017 beantwortet. LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/942 7. Wahlperiode 11.09.2017 KLEINE ANFRAGE des Abgeordneten Torsten Koplin, Fraktion DIE LINKE Krankenversicherung für Beamte in Mecklenburg-Vorpommern und ANTWORT der Landesregierung 1. Wie hat das Land seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten im Falle von Krankheit und Geburt oder Pflege ausgestaltet , insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Besoldung, Versorgung und Beihilfe? Nach § 45 Beamtenstatusgesetz hat der Dienstherr, das Land Mecklenburg-Vorpommern, im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtin beziehungsweise des Beamten und ihrer oder seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses , zu sorgen. Diese sogenannte Alimentationspflicht gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz. Den sich aus der Verpflichtung ergebenen Unterhalt leistet der Dienstherr durch die Besoldung oder Versorgung. Diese Alimentation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie laufend und ohne Bezug zu bestimmten Bedürfnissen der Empfängerin oder des Empfängers geleistet wird. Dies ist bei Beihilfen nicht der Fall. Sie werden aus besonderem Anlass und zu einem bestimmten Zweck erbracht und sollen die Beihilfeberechtigte oder den Beihilfeberechtigten im angemessenen Umfang von denjenigen Aufwendungen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen freistellen, die nicht mit der Besoldung oder Versorgung abgedeckt sind. Dementsprechend befindet sich die Rechtsgrundlage nicht in der Alimentationspflicht des Dienstherrn, sondern entsprechend im Leistungszweck, in der Fürsorgepflicht. Drucksache 7/942 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 2 Nach § 80 Absatz 1 Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern werden Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes einschließlich hierzu ergangener Rechtsvorschriften gewährt. Maßgebend für die Beihilfegewährung ist damit im Land Mecklenburg-Vorpommern die Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009 (Bundesgesetzblatt Seite 326 (BGBl. I S. 326)). Aufwendungen für Wahlleistungen bei stationärer Behandlung im Krankenhaus sind hingegen nicht beihilfefähig. Die Beihilfe ist als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung konzipiert. Sie soll die Beamtinnen und Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfang freistellen und ist damit ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die - neben der zumutbaren und aus der Besoldung und Versorgung zu bestreitenden Eigenvorsorge der Beamtinnen und Beamten - nur ergänzend im angemessenen Umfang einzugreifen hat. Die in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten Leistungen, Leistungsausschlüsse und Leistungseinschränkungen sowie von den beihilfeberechtigten Personen zu tragende Eigenbehalte orientieren sich am Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung. Beihilfen werden nach Prozentsätzen der beihilfefähigen Aufwendungen gewährt: - 50 Prozent für Beihilfeberechtigte, - 70 Prozent für Beihilfeberechtigte, die den Familienzuschlag für mehr als ein berücksichtigungsfähiges Kind erhalten, - 70 Prozent für berücksichtigungsfähige Ehegattinnen, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, soweit diese nicht über ein Einkommen von mehr als 17.000 Euro verfügen, - 70 Prozent für Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger und - 80 Prozent für berücksichtigungsfähige Kinder. 2. Ist die Beihilfe in der heutigen Form eine unumgängliche Folge des Alimentationsprinzips? Das System der Beihilfe ist kein notwendiger Bestandteil der Alimentation von Beamtinnen und Beamten. Die amtsangemessene Alimentation muss nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter Belastungen erforderlich ist, soweit diese durch die Fürsorgepflicht nicht abgedeckt sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2002, 2 BvR 1053/98, Randziffer 30, zitiert nach juris). Die Beihilfe wird somit nicht automatisch von der Alimentationsverpflichtung erfasst und kann grundsätzlich geändert und durch andere beamtenrechtliche Leistungen ersetzt werden. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/942 3 3. Gibt es Alternativen zur heutigen Form der Beihilfe? a) Worin bestehen diese? b) Welche Auswirkungen hätten entsprechende Veränderungen auf bestehende und neue Beihilfeansprüche? Zu 3 und a) Mit Blick auf die derzeitige duale Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems kämen als wesentliche Alternativen zur heutigen Form der Beihilfe 1. die vollständige Überführung aller Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger im Geltungsbereich des Landesbeamtengesetzes in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechender Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberanteils anstelle der Beihilfe oder 2. die vollständige Überführung der Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger im Geltungsbereich des Landesbeamtengesetzes in die private Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechender Zahlung eines Zuschusses zu einer Krankenvollversicherung (sogenannter „Basistarif“) anstelle der Beihilfe in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob Alternative 1 oder 2 für die öffentlich-rechtlichen Dienstherren oder für die Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger kostengünstiger wäre, würde Alternative 1 eine Änderung der bundesgesetzlich festgelegten Zugangsvoraussetzungen erfordern, da der Wechsel von der bisherigen privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung nur vor dem 55. Lebensjahr und mit bestimmten Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich der Dienstherr weder bei Alternative 1 durch die Zahlung eines Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung noch bei Alternative 2 durch Zahlung eines Zuschusses zu den Prämien für eine private Krankenvollversicherung vollständig seiner Fürsorge- und Alimentationspflicht entziehen kann, sodass in besonders gelagerten Fällen immer noch ein ergänzender Fürsorge- und Alimentationsanspruch bestehen kann. Zu b) Bei beiden Alternativen wären Übergangsregelungen oder Ausnahmetatbestände für die Anwendung des bisherigen Beihilferechts zu prüfen, um sowohl die Fürsorgepflicht des Dienstherrn als auch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen. Drucksache 7/942 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 4 Problematisch dürfte auch der Wechsel einer Beamtin oder eines Beamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu einem anderen Dienstherrn sein, der das bisherige Beihilfesystem betreibt und damit einen Zuschuss nicht gewährt. Dann hätte die Beamtin beziehungsweise der Beamte den vollständigen Krankenversicherungsbeitrag zu tragen. Dieses könnte ein Mobilitätshemmnis für Beamtinnen und Beamte sein. 4. Wie hat sich die Zahl der Beihilfeberechtigten in Mecklenburg- Vorpommern seit dem Jahr 2000 entwickelt (bitte Angaben pro Jahr für Beihilfeberechtigte des Landes, der Kommunen und bei anderen Dienstherren sowie unterschieden in aktive Beamtinnen und Beamte und Versorgungsempfänger)? Nach Abstimmung mit dem Fragesteller werden nachfolgend nur die Daten der beihilfeberechtigten Beamtinnen und Beamten sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes Mecklenburg-Vorpommern dargestellt. Die folgenden Daten lagen jeweils durchschnittlich in den angegebenen Jahren vor: Jahr Anzahl Beihilfeempfängerinnen und Beihilfeempfänger Anzahl Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger Anzahl Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger Summe 2000 15.725 452 16.177 2001 15.785 623 16.408 2002 15.897 784 16.681 2003 15.713 952 16.665 2004 15.451 1.161 16.612 2005 15.292 1.324 16.616 2006 15.204 1.489 16.693 2007 14.984 1.770 16.754 2008 14.846 2.050 16.896 2009 14.796 2.373 17.169 2010 14.728 2.720 17.448 2011 14.628 2.878 17.506 2012 14.729 3.223 17.952 2013 14.673 3.595 18.268 2014 15.053 3.981 19.034 2015 15.923 4.116 20.039 2016 16.207 4.904 21.111 Beihilfeberechtigt sind Beamtinnen und Beamte, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sowie deren berücksichtigungsfähige Angehörige. Über die Anzahl der berücksichtigungsfähigen Personen liegen keine Daten vor. In der Anzahl der Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger ist ein Anteil von etwa 37 Prozent an Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten enthalten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/942 5 Diese sind heilfürsorgeberechtigt. Beihilfeausgaben fallen daher für diesen Personenkreis nur für Aufwendungen der berücksichtigungsfähigen Angehörigen an. Mit Eintritt in den Ruhestand wechseln die Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten in das System der Beihilfe. Die Zahl der aktiven Beamtinnen und Beamten bleibt über den dargestellten Zeitraum relativ konstant, dagegen hat sich die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger im dargestellten Zeitraum mehr als verzehnfacht. Die noch geringe Anzahl an Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger liegt daran, dass Mecklenburg- Vorpommern zu den neuen Bundesländern zählt und sich die älterwerdende Beamtenschaft erst aufbaut. 5. Wie haben sich die Ausgaben für die Beihilfeberechtigten seit dem Jahr 2000 insgesamt und pro Kopf entwickelt (bitte Angaben pro Jahr für Beihilfeberechtigte des Landes, der Kommunen und bei anderen Dienstherren sowie unterschieden in aktive Beamtinnen und Beamte und Versorgungsempfänger)? Nach Abstimmung mit dem Fragesteller werden nachfolgend nur die Daten der beihilfeberechtigten Beamtinnen und Beamten sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes Mecklenburg-Vorpommern dargestellt. Die gewünschten Angaben ergeben sich aus nachfolgender Tabelle: Jahr Ausgaben insgesamt Ausgaben Beihilfe insgesamt (in Millionen Euro) Ausgaben Beihilfe Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger (in Millionen Euro) Ausgaben Beihilfe Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger (in Millionen Euro) 2000 13,26 12,42 0,84 2001 14,67 13,52 1,15 2002 15,91 14,24 1,67 2003 17,35 15,36 1,99 2004 18,19 15,38 2,81 2005 18,29 15,35 2,94 2006 18,84 15,44 3,40 2007 20,48 16,26 4,22 2008 22,78 17,39 5,39 2009 23,33 17,24 6,09 2010 25,82 17,92 7,90 2011 27,65 18,02 9,63 2012 29,08 18,17 10,91 2013 31,30 19,09 12,21 2014 32,83 19,20 13,63 2015 36,63 21,15 15,48 2016 40,97 21,93 19,04 Drucksache 7/942 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode 6 Sowohl die Ausgaben für die aktiven Beamtinnen und Beamten als auch für die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sind über den betrachteten Zeitraum gestiegen. Neben der stetig steigenden Anzahl der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger , die naturgemäß in allen neuen Bundesländern zu verzeichnen ist, liegt ein wesentlicher Grund für den Anstieg darin, dass mit dem medizinischen Fortschritt auch ein Anstieg der Krankheitskosten zu verzeichnen ist. Zum Beispiel wurden die Änderungen der Pflegereform, die für die gesetzliche Pflegeversicherung gelten, in die Beihilfeverordnung übernommen. Hierdurch sind erhebliche Mehrausgaben gegenüber früheren Jahren entstanden, wobei - wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt - sich die Leistungen, Leistungsausschlüsse und Leistungseinschränkungen sowie die von den beihilfeberechtigten Personen zu tragende Eigenbehalte insgesamt am Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung ausrichten. Deutlich wird dies an der Entwicklung der Pro-Kopf-Ausgaben, die sich aus nachfolgender Tabelle ergibt: Jahr Ausgaben pro Kopf Ausgaben pro Kopf insgesamt (in Euro) Ausgaben pro Kopf Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger (in Euro) Ausgaben pro Kopf Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger (in Euro) 2000 821 790 1.869 2001 895 857 1.847 2002 954 896 2.127 2003 1.042 978 2.089 2004 1.096 995 2.420 2005 1.101 1.004 2.224 2006 1.129 1.015 2.283 2007 1.223 1.085 2.384 2008 1.349 1.172 2.628 2009 1.360 1.165 2.568 2010 1.480 1.217 2.905 2011 1.580 1.232 3.345 2012 1.620 1.234 3.386 2013 1.713 1.301 3.395 2014 1.725 1.275 3.424 2015 1.828 1.328 3.761 2016 1.942 1.353 3.882 In der Betrachtung des Pro-Kopf-Verbrauchs wurden die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht herausgerechnet, obwohl sie keinen Beihilfeanspruch aufgrund ihrer Heilfürsorgeberechtigung haben. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Ehegatten und Kinder von beihilfeberechtigten Personen berücksichtigungsfähig. Damit können sie Beihilfeleistungen erhalten. Eine statistische Erhebung über die Anzahl der berücksichtigungsfähigen Angehörigen gibt es nicht. Um den Anteil der berücksichtigungsfähigen Angehörigen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten angemessen einzubeziehen, erfolgte keine Kürzung der Anzahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 7. Wahlperiode Drucksache 7/942 7 6. Welche Position hat die Landesregierung zu der Forderung, Beihilfeberechtigten bei Wahl einer gesetzlichen Krankenkasse den Arbeitgeberanteil zu erlassen bzw. zu erstatten und wäre eine solche Forderung rechtlich umsetzbar? Die Meinungsbildung der Landesregierung ist noch nicht abgeschlossen.