Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1055 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Andrea Schröder-Ehlers, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Christos Pantazis, Doris Schröder-Köpf, Uwe Schwarz und Dr. Thela Wernstedt (SPD), eingegangen am 30.10.2013 Dürfen Homosexuelle systematisch von der Blutspende ausgeschlossen werden? In Deutschland herrscht immer wieder Mangel an Blutkonserven. Das Deutsche Rote Kreuz beklagt bei unentgeltlichen Blutspenden den Rückgang an Spendenwilligen und insbesondere an Erstspendern . So fordern deshalb Verbände und Wohlfahrtsorganisationen regelmäßig zur freiwilligen Blutspende auf. Wenn homosexuelle Männer allerdings Blut spenden möchten, müssen sie feststellen , dass sie aufgrund einer pauschalen Regelung von der Möglichkeit der Blutspende ausgeschlossen werden. Zweifellos bedarf es der größtmöglichen Sicherheit für alle Blutspenden. Dennoch stellt der pauschale und generelle Ausschluss homo- und bisexueller Männer von der Blutspende diese unter Generalverdacht einer möglichen HIV-Erkrankung. Das Gefahrenrisiko, sich in Deutschland bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren, liegt bei 1 : 4,3 Millionen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Sind die im Fragebogen für Blutspenden vorhandenen Fragen zur Sexualität und der darauffolgende Ausschluss noch zeitgemäß, oder stellen die Fragen eine Diskriminierung von homosexuellen Männern dar? 2. Wird eine Änderung dieser Regelung bzw. des Fragebogens von der Landesregierung angestrebt ? 3. Ist der bisherige generelle Ausschluss homo- und bisexueller Männer mit dem EU-Recht vereinbar ? (An die Staatskanzlei übersandt am 07.11.2013 - II/725 - 482) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 09.12.2013 für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - 402 - Die Auswahlkriterien für Blutspenderinnen und Blutspender sind in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) gemäß §§ 12 und 18 Transfusionsgesetz (TFG), kurz: Hämotherapie-Richtlinien, festgelegt. Sie wurden durch die Bundesärztekammer beschlossen und werden im Einvernehmen mit dem Paul-EhrlichInstitut als Bundesoberbehörde herausgegeben. Die Hämotherapie-Richtlinien stellen sicher, dass die Spenderinnen und Spender vor Schaden bewahrt werden und die anschließende Anwendung der daraus hergestellten Blutprodukte für die Empfängerinnen und Empfänger so gefahrlos und wirksam wie möglich gestaltet wird. Höchste Priorität hat die Sicherheit der Transfundierten. Gleichwohl darf niemand ohne sachlichen Grund von der Blutspende ausgeschlossen werden. Die Kriterien für einen Dauerausschluss gemäß Zif- 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1055 fer 2.2.1 treffen z. B. auf Personen zu, die an schweren neurologischen Erkrankungen oder schweren Herz- und Gefäßkrankheiten leiden oder litten. Weiterhin werden Personen mit dem Risiko der Übertragung spongiformer Enzephalopathien und Personen, die Drogen konsumieren oder Medikamente missbräuchlich zu sich nehmen, genannt. Darüber hinaus werden nicht nur Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, aufgeführt, sondern allgemein Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten (z. B. AIDS, Hepatitis) birgt. Auf der Grundlage dieser verbindlichen Richtlinien erstellen die jeweiligen gemeinnützigen oder unabhängigen Blutspendedienste ihre Fragebögen für Blutspenden. Die Erfahrungen aus dem sogenannten Blutskandal der späten 80er-Jahre gaben Anlass zu diesen strengen Regelungen. Die Gefahr, sich in Deutschland bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren , entspricht einem Verhältnis von 1 zu 4,3 Millionen. Das geringe Risiko begründet sich mit der Spenderauswahl und der Kontrolle der Spenden. Denn obwohl jede Spende auf die wichtigsten Erreger untersucht wird, kann eine frische Infektion in der sogenannten Fensterphase zwischen der Infektion und der Blutspende mit den heutigen Testsystemen nicht in jedem Fall erkannt werden. Der „Arbeitskreis Blut nach § 24 TFG“ und der ständige Arbeitskreis „Richtlinien Hämotherapie nach §§ 12 a und 18 TFG“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer haben sich bereits mit dem Thema „Blutspenden von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ beschäftigt. Der Dauerausschluss von der Blutspende ist Gegenstand des im April 2012 veröffentlichten Beratungsergebnisses . Auch bei der 86. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 26./27. Juni 2013 in Potsdam wurde unter TOP 8.5 der Dauerausschluss thematisiert. In ihrem einstimmig gefassten Beschluss nimmt die GMK zur Kenntnis, dass der Dauerausschluss von Männern, die Sex mit Männern hatten oder haben, seitens der betroffenen Personengruppen als Diskriminierung empfunden wird. Laut GMK-Beschluss wird im Weiteren die Arbeitsgruppe der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) beauftragt, bis zur 87. GMK zu prüfen, inwieweit der in Rede stehende Dauerausschluss von der Blutspende ohne Risikoerhöhung für die Empfängerinnen und Empfänger so abgeändert werden kann, dass er seitens der Betroffenen nicht weiterhin als Diskriminierung empfunden wird. Insbesondere soll geprüft werden, ob geltende europäische Richtlinien oder arzneimittelrechtliche Vorgaben dem Ziel einer raschen Abänderung des Dauerausschlusses entgegenstehen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Fragen an Spenderinnen und Spender in Fragebögen der verschiedenen Blutspendedienste sind begründet mit den Vorgaben in der Hämotherapie-Richtlinie. In einem „Vertraulichen Zusatzbogen zur Verwendung Ihres Blutes“ bittet der Blutspendedienst um die Mithilfe der Spenderin bzw. des Spenders. Eine Bewertung des Sexualverhaltens wird damit nicht vorgenommen, sondern vielmehr wird die Blutspenderin oder der Blutspender vor Mitwisserschaft geschützt. Bluttransfusionen in Deutschland werden durch Spenderauswahl und Kontrolle der Spenden sichergestellt. Die aufgeworfene Frage der Diskriminierung wird derzeit auf Ebene der GMK behandelt. Ein Ergebnis wird zur 87. GMK 2014 erwartet. Zu 2: Der GMK-Beschluss wurde einstimmig getroffen. Durch ihre Zustimmung hat die Landesregierung ihre Bereitschaft signalisiert, der empfundenen Diskriminierung durch Dauerausschluss von der Blutspende entgegenzuwirken. Die Verwendung eines einheitlichen Fragebogens für Blut- und Plasmaspenderinnen und -spender wird aktuell vom Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums für Gesundheit angestrebt. Die niedersächsische Landesregierung hat keinen Einfluss auf Änderungen der fachlich notwendigen Fragen im Spendenfragebogen. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1055 Zu 3: Bei der Prüfung des Dauerausschlusses von der Blutspende durch die AOLG im Auftrag der GMK sind insbesondere die arzneimittelrechtlichen Vorgaben und EU-Vorschriften einzubeziehen, die entgegenstehen könnten. Das Ergebnis, das die AOLG bei der 87. GMK in 2014 vorlegt, bleibt abzuwarten . Cornelia Rundt 3 (Ausgegeben am 17.12.2013) Drucksache 17/1055 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Andrea Schröder-Ehlers, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Christos Pantazis, Doris Schröder-Köpf, Uwe Schwarz und Dr. Thela Wernstedt (SPD), eingegangen am 30.10.2013 Dürfen Homosexuelle systematisch von der Blutspende ausgeschlossen werden? Antwort der Landesregierung