Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1080 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Axel Miesner, Volker Meyer, Martin Bäumer, Ernst-Ingolf Angermann, André Bock, Helmut Dammann-Tamke, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ansgar Focke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Ulf Thiele und Lutz Winkelmann (CDU), eingegangen am 11.11.2013 Gehören Algen in Zukunft zum Energiemix? Im Weser-Kurier vom 11.10.2013 wird Stefan Gäth, Agrarforscher an der Universität Gießen, unter der Überschrift „Alleskönner Alge - Biologen halten die Pflänzchen für Energieträger der Zukunft“ mit den Worten „Der Ertrag ist genial im Vergleich zu Landpflanzen“ zitiert. Nach seiner Aussage sei die Biomasse, die pro Fläche gewonnen werde, bis zu 20-mal größer als bei Landpflanzen. Der Zellbiologe Dieter Hanelt von der Universität Hamburg prognostiziert laut Weser-Kurier für die Zukunft , dass Algen ihren Platz im Energiemix der Zukunft finden würden: „Als ein Puzzlestein, nicht als rettende Maßnahme allein.“ Die Welt vom 26.01.2013 berichtet in dem Artikel „Erdgas gewinnen aus dem Licht der Sonne“ über die Möglichkeit der Nutzung von Algen als Lieferant für Erdgas, welches dann direkt in das Erdgasnetz eingespeist bzw. über Kraftwerke verstromt werden könnte. Die Wirtschaftswoche vom 18.07.2011 berichtet unter der Überschrift „Strom aus dem Schlauch“ über die Möglichkeiten der Stromerzeugung mittels Algen. Als großer Vorteil wird nicht nur die emissionsfreie Stromerzeugung gesehen, sondern auch das sogenannte Abgas-Recycling. Dabei ist das Ziel, Kohlendioxid an Algen zu „verfüttern“, anstatt es mit hohem finanziellem Aufwand unter die Erde zu pumpen. Die Bundesregierung beschreibt in der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ die wachsende Bedeutung der Algen: „Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe, ihres schnellen Wachstums sowie des für Pflanzen hohen Wirkungsgrades sind auch Algen als Rohstoffquelle von wachsendem Interesse .“ Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Chancen der Algennutzung für die Energieversorgung? 2. Welche wissenschaftlichen Projekte befassen sich in Niedersachsen mit der Nutzung von Algen , und wie werden diese von der Landesregierung bewertet? 3. Welche Initiativen unternimmt die Landesregierung, um die Nutzung der Algen als Energielieferanten zu fördern? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.11.2013 - II/725 - 489) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 18.12.2013 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 105.1-01425-77 - Vor rund zehn Jahren sind die ersten Produktionsanlagen für Algenbiomasse in Deutschland (Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) in Betrieb gegangen, mit Produkten für den Pharma- und Futterbereich. Seither hat sich die Branche auf diesem Spezialfeld deutlich weiterentwickelt. In Europa liegt zurzeit die Wertschöpfung auf diesen Anwendungsbereichen höher als bei der energeti- 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1080 scher Nutzung. Insgesamt sind etwa 40 000 bis 60 000 Algenarten bekannt, wovon bisher lediglich 1 % wirtschaftlich genutzt wird. Schätzungen gehen sogar davon aus, dass 200 000 bis mehrere Millionen Arten von Mikro- und Makroalgen existieren - das Potenzial ist somit noch bei Weitem nicht erschlossen. Die weltweit verarbeitete Menge an Algen lag nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) im Jahr 2009 bei ca. 9 Mio. t, womit ein Umsatz von schätzungsweise 3,5 Mrd. Euro erzielt wurde. Vor dem Hintergrund der absehbaren Verknappung fossiler Ressourcen und des Klimawandels ist zu vermuten, dass die Nutzung von Algen als Biomassequelle weiter in den Fokus rückt. In der Praxis werden Algenprodukte bislang ausschließlich für Produkte mit höherer Wertschöpfung hergestellt (z. B. Kosmetika, spezielle Inhaltsstoffe etc.). Grund hierfür sind hohe Kosten für die Produktion, verursacht u. a. durch den produktionstechnischen Aufwand und den erforderlichen Energieaufwand u. a. für die Beheizung und Beleuchtung der Systeme. Dennoch bietet die Algenerzeugung viele Ansätze zur Nutzung von Synergien, z. B. die Nutzung von Abwärme oder CO2 aus Energieerzeugungsanlagen, die es weiter zu entwickeln gilt. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Zum derzeitigen Zeitpunkt ist die Algenerzeugung für die Energienutzung noch weit von der Praxis mit den entsprechend benötigten Mengen und annehmbaren Herstellungskosten entfernt. Erst mittelfristig ist davon auszugehen, dass die Algenerzeugung für den Energiemarkt interessant wird. Erste Projekte greifen Synergien auf, z. B. die Produktion spezieller Inhaltsstoffe durch die Alge, bei Nutzung einer CO2-Quelle (z. B. Biogas-BHKW) und Nutzung der Restmasse wiederum im Biogasfermenter . Zu 2: Es ist keine zentrale Erfassung von Algenprojekten in Niedersachsen verfügbar, darum können hier nur bei der NBank und dem 3N Kompetenzzentrum bekannte Projekte genannt werden. Bei der NBank ist das Projekt MaRenate (Oldenburg) bekannt, welches eine Förderung für die Wasserreinigung durch Algen erhalten hat. Das unter Antwort 1 erwähnte Projekt wird derzeit vom Industrie- und Wirtschaftsverein Deltaland (Heidekreis) angeschoben. Daneben ist die Firma Novagreen in Bassum aktiv, um dort eine IndoorMikroalgen -Produktionsanlage zu realisieren. Zahlreiche Forschungsprojekte auf europäischer und nationaler Ebene arbeiten unter Einbindung niedersächsischer Hochschulen und Kompetenzpartner an der Effizienzverbesserung, der Selektion verschiedener Algenstämme und der Entwicklung neuer Anwendungsfelder, u. a. zur Klärung /Reinigung von Gewässern/Abwässern/Abgasen sowie zur Erzeugung von Spezialprodukten im Food-, Feed- und stofflichen Nutzungsbereich. Auch in Niedersachsen beschäftigen sich verschiedene Hochschulen (Göttingen, Wilhelmshaven, Oldenburg) und Institutionen (Alfred Wegener Institut, Fraunhofer Institute) sowie Cluster (3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe/DIL) mit diesem zukunftsfähigen Entwicklungsgebiet. Die Universität Göttingen verfügt z. B. über eine umfangreiche Sammlung von Algenstämmen. Hinter allen Projekten steckt ein hohes Innovationspotenzial. Alles in allem muss jedoch gesagt werden, dass gerade für eine Produktion im Energie- bzw. Kraftstoffmarkt weitere Effizienzsteigerungen und Kostenreduktionen notwendig sind. Zu 3: Derzeit ist keine spezielle Initiative in Bezug auf die Algennutzung vorgesehen, da bereits eine große Vielfalt an Projekten angestoßen wurde, deren Ergebnisse abgewartet werden müssen. Bereits im Jahr 2004 förderte das Land Niedersachsen im Vorhaben „Art Fuel“ eine Technikumsanlage , deren Ziel es ist, die Einsatzmöglichkeit einer breiten Palette an Biomasse zur Synthesegaserzeugung zu erforschen. 2009 wurde das Projekt „Synthesegas aus Algen für die Kraftstoffproduktion “ gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Hessen sowie der Volkswagen Aktiengesellschaft in die Projektliste der Länderkooperation „SunFuel“ aufgenommen. Damit wird auf die ange- 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1080 sichts wachsender technischer Möglichkeiten steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an die Synthesegasproduktion, wie z. B. Nahrungsmittelkonkurrenz oder ökologische und ökonomische Prozesseffizienz, reagiert. Die aktuelle Phase der Länderkooperation ist bis 2014 angesetzt. Weitere Projekte stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an. Grundsätzlich sind Projekte im Bereich Algen im Innovationsförderprogramm des Landes förderfähig , da dieses thematisch offen ist. Auf Bundesebene gibt es ein vergleichbares Innovationsförderprogramm , ZIM. Weiterhin können durch Mittel des BMELV Förderprojekte über die FNR angeschoben werden. Auch über die EU ist eine spezifische Förderung denkbar, diese muss anhand eines konkreten Fallbeispiels geprüft werden. Die weitere Entwicklung dieses Bereichs wird von der Landesregierung weiterhin aufmerksam beobachtet und bei Vorliegen einer entsprechenden Notwendigkeit einer Initiative unterstützt. Christian Meyer (Ausgegeben am 08.01.2014) 3 Drucksache 17/1080 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Axel Miesner, Volker Meyer, Martin Bäumer, Ernst-Ingolf Angermann, André Bock, Helmut Dammann-Tamke, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ansgar Focke, Cle-mens Große Macke, Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Ulf Thiele und Lutz Winkelmann (CDU), eingegangen am 11.11.2013 Gehören Algen in Zukunft zum Energiemix? Antwort der Landesregierung