Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1086 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 12.11.2013 Finanzströme christlicher Kirchen Der Fall des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst hat eine öffentliche Debatte über das Vermögen der christlichen Kirchen ausgelöst. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Transparenz gibt es über die Finanzströme anerkannter christlicher Kirchen in Deutschland? 2. Welchen staatlichen Stellen sind die Kirchen rechenschaftspflichtig? 3. Inwieweit finanzieren Steuerzahler, die kein Mitglied christlicher Kirchen sind, diese mit und in welcher Höhe? 4. Fließen Steuergelder und Kirchensteuergelder nur in den offiziellen Haushalt oder auch in andere Haushalte wie beispielsweise die bischöflichen Stühle? 5. Welche Kontrollrechte gibt es bei kirchlichen Haushalten? 6. In welcher Höhe finanziert der Staat kirchliche Einrichtungen wie Kindergärten, Altenheime oder Krankenhäuser, und wie hoch ist der finanzielle Eigenanteil der Kirchen als Träger? 7. Wie hoch ist das Gesamtvermögen anerkannter christlicher Kirchen in Niedersachsen? 8. Wie viel Steuern haben anerkannte christliche Kirchen im letzten Jahr bezahlt? 9. Zahlt das Land Niedersachsen Personalkosten für die Kirchen und, wenn ja, in welcher Höhe? (An die Staatskanzlei übersandt am 19.11.2013 - II/725 - 503) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 20.12.2013 - 01-0 420/5-503 - Rechtsgrundlage für die Staatsleistungen an die evangelischen Landeskirchen und an die Katholische Kirche sind in Niedersachsen der Loccumer Vertrag vom 19.03.1955 sowie das Niedersachsenkonkordat vom 26.02.1965. Die Leistungen an die beiden großen Kirchen sind historisch begründet. Die Verpflichtungen gegenüber den Kirchen bestanden schon lange vor dem jeweiligen Vertragsabschluss und sind entstanden , um Säkularisierungen von Kirchengut, hauptsächlich während der Reformationszeit, durch den Westfälischen Frieden und durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 auszugleichen . Der Staat eignete sich kirchliches Vermögen und geistliches Territorium an, übernahm aber gleichzeitig die Gewähr für die finanzielle Ausstattung der Kirchen. Diese Ansprüche der Kirchen sind über die Weimarer Republik bis zum heutigen Tage erhalten geblieben. Nach Artikel 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 138 Weimarer Reichsverfassung (WRV) werden die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften durch die Landesgesetzgebung abgelöst, wobei die Grundsätze hierfür vom Reich, heute vom Bund, aufzustellen sind. 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1086 In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Sevim Dağdelen , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 13.11.2013 (BT-Drs. 18/45) teilte die Bundesregierung u. a. mit: „Die Bundesregierung sieht aufgrund des Ablösegebots des Artikels 140 GG in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 WRV, das nicht befristet und sanktioniert ist, gegenwärtig keinen Handlungsbedarf, durch ein Grundsätzegesetz des Bundes die Länder zu verpflichten, die von diesen gewährten Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen“. Des weiteren teilte die Bundesregierung mit, dass sie nicht zuletzt aufgrund der Debatten in der vergangenen Legislaturperiode zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (BT-Drs. 17/8791), der mit überwiegender Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages abgelehnt wurde, keinen Handlungsbedarf für die Ablösung der Staatsleistungen sehen würde. Die Antworten zu den Fragen 1, 4, 5 und 7 beruhen auf den freiwilligen Informationen der beiden großen Kirchen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Katholische Kirche Dem auf der Internetseite des Bistums Hildesheim veröffentlichten Geschäftsbericht können die entsprechenden Finanzdaten entnommen werden. Das Bistum Osnabrück veröffentlicht jährlich seinen Haushalt, der zudem in einer Pressekonferenz vorgestellt wird. Die Rohzahlen des Haushalts sind dem Kirchlichen Amtsblatt zu entnehmen, das im Internet eingesehen werden kann. Im Offizialatsbezirk Oldenburg wird der jährliche Hauhalt und die Jahresrechnung im Kirchlichen Amtsblatt sowie im Internet unter www.kirchensite.de veröffentlicht. Der Haushalt wird ebenfalls im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Evangelische Kirchen in Niedersachsen Die Haushalte aller fünf Landeskirchen werden von den Synoden verabschiedet. In den öffentlichen Sitzungen können die Unterlagen zum Haushalt eingesehen werden, und die Unterlagen werden bei Bedarf ausgehändigt. In den Amtsblättern der Landeskirchen werden die Haushaltsdaten in zum Teil verkürzter Form veröffentlicht. Auch hier erfolgt eine Information der Presse. Der Jahresabschluss der Hannoverschen Landeskirche wird vom Finanz- und Landessynodalausschuss abgenommen und der Synode vorgelegt; dieser kann ebenfalls eingesehen werden. Die Jahresrechnung und die Vermögensübersicht der Evangelisch-reformierten Kirche enthalten sämtliche Vermögensgegenstände. Beide sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Zu 2: Die Kirchen sind staatlichen Stellen diesbezüglich nicht rechenschaftspflichtig, da es sich bei den Staatsleistungen nicht um Zuwendungen handelt. Zu 3: Die Tatsache, dass die Leistungen des Landes an die Kirchen mittelbar auch durch Steuern nicht konfessionsgebundener Bürgerinnen und Bürger erbracht werden, ergibt sich aus dem staatlichen Finanzsystem, nach dem ein wesentlicher Teil der staatlichen Einnahmen nicht zweckgebunden erhoben wird und damit dem allgemeinen Finanzbedarf dient. Die aufgrund von politischen Entscheidungen und rechtlichen Bindungen getätigten Ausgaben dienen damit auch Zwecken, die nicht immer von allen Bürgerinnen und Bürgern gebilligt werden. Zu 4: Die Verwendung der Kirchensteuer ist aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften allein Sache der Bistümer bzw. der Landeskirchen . 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1086 Das Bistum Hildesheim fasst in seinem Jahresabschluss die Haushalte Bistum und Bischöflicher Stuhl zusammen (s. Geschäftsbericht). Steuergelder in Form der Dotationen fließen im Bistum Osnabrück ausschließlich in den Bistumshaushalt . Staatliche Leistungen fließen nur dann in den Haushalt des Bischöflichen Stuhls, wenn es sich um Zahlungen für bestimmte Projekte handelt. Im Offizialatsbezirk Oldenburg gibt es nicht den Rechtsträger „Bischöflicher Stuhl“. Die gesamten Kirchensteuereinnahmen des Offizialatsbezirks Oldenburg werden im Haushalt bzw. in der Jahresrechnung erfasst. Im Bereich der fünf evangelischen Landeskirchen fließen sämtliche Steuergelder bzw. Kirchensteuergelder in die jeweiligen Haushalte. Bischöfliche Stühle existieren in den Landeskirchen nicht. Zu 5: Katholische Kirche Die kirchlichen Haushalte unterliegen der Aufsicht der kirchlichen Kontrollorgane. Die Jahresrechnungen werden regelmäßig von einem Wirtschaftsprüfer geprüft. Diese Kontrollrechte ergeben sich aus dem geltenden Kirchenrecht. Evangelische Kirchen in Niedersachsen Die kirchlichen Haushalte werden durch synodale Prüfungsausschüsse und durch das Oberrechnungsamt der EKD geprüft. Zu 6: Nach dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz wird ein bestimmter Teilbetrag der dem Land zufließenden Glücksspielabgaben den in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Spitzenverbänden als Finanzhilfe gewährt. Dazu gehören auch die Caritasverbände und Diakonischen Werke. Diese Finanzhilfe ist für die Förderung wohlfahrtspflegerischer Aufgaben zu verwenden. Im Jahr 2012 wurden von den kirchlichen Verbänden Mittel aus der Finanzhilfe in Höhe von ca. 415 000 Euro z. B. zur Förderung von Tageseinrichtungen für Kinder, Sonderkindergärten, Tagesbildungsstätten, Werkstätten für Behinderte und Behindertenwohnheime , in denen ausgebildete Fachkräfte tätig sind, verwendet. Für die Förderung von stationären Einrichtungen der Sozial- und Jugendhilfe sowie von gemeinnützigen Krankenhäusern - soweit die Maßnahmen nicht durch das Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze zu fördern sind - wurden Mittel aus der Finanzhilfe in Höhe von ca. 1,76 Mio. Euro gezahlt. Krankenhäuser haben nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) Anspruch auf Förderung, soweit und solange sie in den Krankenhausplan eines Landes und - bei Investitionen - in das Investitionsprogramm aufgenommen sind. Auf die Trägerschaft eines Krankenhauses kommt es hierbei nicht an. Auch für die Aufstellung des Investitionsprogramms ist die Frage der Trägerschaft eines Krankenhauses nicht von Bedeutung. Zur Frage des Eigenanteils wird darauf hingewiesen , dass das Land Investitionen durch einen Festbetrag fördert. Dieser hängt im Wesentlichen von der Höhe des Investitionsvolumens ab und führt in jedem Fall zu einem Eigenanteil des Krankenhausträgers , unabhängig von der Frage der Trägerschaft des Krankenhauses. Das Land beteiligt sich grundsätzlich an den Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen unabhängig von der Trägerschaft mit einer Finanzhilfe zu den Personalkosten des nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder vorgeschriebenen Betreuungspersonals. Gegenwärtig beteiligt sich das Land an den Personalkosten für die Betreuung von Kindern in Kindergarten- und Hortgruppen mit 20 % und für die Betreuung von Kindern in Krippengruppen mit 52 %. Dem Land liegen keine Daten zu der geleisteten Höhe der Finanzhilfe für die einzelnen Träger der Kindertageseinrichtungen vor, sondern lediglich für die einzelnen Kommunen bzw. die Zuständigkeitsbereiche der örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (Landkreise und kreisfreie Städte). 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1086 2013 beträgt der Haushaltsansatz für die Finanzhilfe zu den Personalkosten an finanzhilfeberechtigte Kindertageseinrichtungen in Niedersachsen insgesamt 314 Mio. Euro. Von den ca. 4 500 finanzhilfeberechtigten Kindertageseinrichtungen befinden sich rund 1 500 in kirchlicher Trägerschaft . Grundsätzlich finanzieren sich die kirchlichen Kindertageseinrichtungen, wie auch die Kindertageseinrichtungen in anderer Trägerschaft, über die Kommunen (sofern sie sich in der Bedarfsplanung der Kommune bzw. des örtlichen Trägers befinden), das Land, Elternbeiträge und gegebenenfalls einen Eigenanteil der Träger. Neben dem Betriebskostenzuschuss gibt es zurzeit noch Investitionskostenzuschüsse des Bundes und des Landes zur Schaffung von neuen Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Für einen neu geschaffenen Krippenplatz in einer Kindertageseinrichtung wird ein Investitionskostenzuschuss von maximal 7 700 Euro gewährt. Diese Zuschüsse können auch an kirchliche Einrichtungen bzw. Träger weitergeleitet werden. Zu 7: Katholische Kirche Für das Bistum Hildesheim ergeben sich entsprechende Daten aus dem Geschäftsbericht. Dem Bistum Osnabrück liegen keine Daten zum Gesamtvermögen vor, da noch nicht in allen kirchlichen Teilhaushalten des Bistums nach doppischen Grundsätzen bilanziert wird. Die Vermögensübersicht des Offizialatsbezirks Oldenburg weist zum 31.12.2012 ein Eigenkapital in Höhe von 48,7 Mio. Euro aus. Die Bilanzsumme zum 31.12.2012 beträgt 141,1 Mio. Euro. Evangelische Kirchen in Niedersachsen Da bei den fünf evangelischen Landeskirchen überwiegend nicht nach doppischen Grundsätzen gebucht wird, können Vermögenswerte nicht bewertet werden. Nach der Bilanz der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannovers vom 31.12.2012 beträgt das Anlage- und Umlaufvermögen rund 963 Mio. Euro, das Reinvermögen 530 Mio. Euro. Die rund 1 400 Kirchenkreise und Kirchengemeinden der Landeskirche verfügen über ein Umlaufvermögen von 400 Mio. Euro. Das Anlagevermögen lässt sich erst bewerten, wenn das kaufmännische Rechnungswesen vollständig eingeführt ist. Die Evangelisch-reformierte Kirche hatte zum 31.12.2012 ein Finanzvermögen von ca. 34,2 Mio. Euro. Das Finanzvermögen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche SchaumburgLippe beläuft sich auf ca. 20 Mio. Euro. Zu 8: Die Antwort auf diese Frage unterliegt dem Steuergeheimnis nach § 30 Abgabenordnung, das sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse von natürlichen und juristischen Personen erstreckt. Die Finanzbehörden - einschließlich des Finanzministeriums - sind zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Zu 9: Nach Artikel 16 des Loccumer Vertrages zahlt das Land als Dotation für kirchenregimentliche Zwecke und als Zuschüsse für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung jährliche Staatsleistungen. Eine vergleichbare Regelung gibt es in Artikel 15 des Konkordats, wonach das Land als Dotation und als Zuschuss für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung Zahlungen leistet. Die Landesleistungen werden laufend den Veränderungen der Besoldung der Landesbeamten angepasst. Das bedeutet, dass sich Besoldungserhöhungen aber auch Besoldungskürzungen auf die Berechnung der Staatsleistungen auswirken. Zudem erfolgen die Leistungen nicht zweckgerichtet auf bestimmte kirchliche Ämter. Die Zuschüsse zur Pfarrbesoldung und -versorgung betragen 2013 für die Katholische Kirche 8 382 013,97 Euro und für die fünf evangelischen Landeskirchen 33 408 023,31 Euro. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am 08.01.2014) 4 Drucksache 17/1086 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 12.11.2013 Finanzströme christlicher Kirchen Antwort der Landesregierung