Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1131 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Hillgriet Eilers (FDP), eingegangen am 02.12.2013 Welche Folgen hat der Ölaustritt in Etzel? Am Sonntag, dem 17. November, ist auf dem Gelände der IVG Caverns GmbH in Etzel (Landkreis Wittmund) eine größere Menge Rohöl ausgelaufen. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sind dabei maximal 40 m3 Öl ausgelaufen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche weiteren Stoffe mit welchen chemischen Eigenschaften sind in welchem Umfang noch ausgetreten? 2. In welchem Umfang wurden Grundwasser und örtliche Gewässer verunreinigt? 3. Welche Folgen haben die ausgetretenen Stoffe und die dadurch eingetretenen Verschmutzungen für die Bevölkerung? 4. Welche Folgen haben die ausgetretenen Stoffe und die dadurch eingetretenen Verschmutzungen für die Umwelt? 5. Wie hoch ist der bisher entstandene finanzielle Schaden, und mit welcher Gesamtschadenssumme rechnet die Landesregierung? 6. Welche Sicherheitssysteme gibt es auf dem Gelände, die verhindern sollen, dass Rohöl austritt ? 7. Welche Notfallmaßnahmen gibt es konkret, und welche haben wann gegriffen? 8. Welche Maßnahmen wurden bisher vom Unternehmen, den kommunalen Behörden und der Landesregierung ergriffen? 9. Wie kann eine solche Havarie nach Meinung der Landesregierung in Zukunft verhindert werden ? 10. Weshalb hat Wirtschaftsminister Lies erst einige Tage nach der Havarie Etzel besucht? 11. Weshalb ist Umweltminister Wenzel trotz der Verschmutzungen der Umwelt nicht nach Etzel gefahren? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2013 - II/725 - 527) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 13.01.2014 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/527/ Ölaustritt Etzel - Am 17. November 2013 ereignete sich auf einem Betriebsplatz des Kavernenbetreibers IVG Caverns GmbH (IVG) in der Gemeinde Friedeburg, Landkreis Wittmund, ein Ölunfall, der zu Bodenund Gewässerverunreinigungen führte. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen war eine Entlüftungsarmatur an einer Rohöltransportleitung nicht vollständig geschlossen, sodass Rohöl 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1131 über den Betriebsplatz und das Oberflächenentwässerungssystem in die angrenzende Vorflut gelangte . Durch die hohe Fließgeschwindigkeit der angrenzenden Gewässer konnte sich die über den Vorfluter ausgetretene Ölmenge schnell über eine Länge von ca. 6,2 km in den Fließgewässern verteilen. Aufgrund des Schadensausmaßes wurden Einsatzkräfte der Feuerwehren aus den Landkreisen Wittmund und Friesland sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk alarmiert, um Ölsperren in den betroffenen Gewässerabschnitten auszubringen. Parallel zu den Eindämmungsmaßnahmen wurde unverzüglich auch mit dem Absaugen der Öllachen begonnen. Um großräumig die Ausbreitung des Rohöls festzustellen und anschließend zu kontrollieren, kamen flankierend zur Erkundung am Boden mehrfach Polizeihubschrauber zum Einsatz. Die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sind nahezu abgeschlossen. Die Einsatzkräfte schätzen, dass mittlerweile mehr als 75 % des Rohöls aufgefangen und durch in der Region ansässige Fachfirmen entsorgt worden sind. Der Betriebsplatz ist inzwischen saniert. Ölverunreinigter Boden und verunreinigtes Pflanzenmaterial an den Uferrändern wurden entfernt und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Außer Rohöl sind keine weiteren Stoffe freigesetzt worden. Zu 2 bis 4: Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2, 3 und 4 gemeinsam beantwortet. Durch den Rohölaustritt wurden der Boden im Bereich der Austrittsstelle auf dem Verteilerplatz 10 sowie ein angrenzender Entwässerungsgraben, die Schiffsbalje und das Friedeburger Tief, insbesondere im Böschungsbereich, verunreinigt. Damit verbunden kam es zu Nutzungseinschränkungen im Bereich dieser Fließgewässer und der direkt betroffenen landwirtschaftlichen Flächen. Nach den derzeit vorliegenden Informationen zur hydrogeologischen Situation sowie den Ergebnissen der durchgeführten Untersuchungen kann davon ausgegangen werden, dass es bisher nicht zu Beeinträchtigungen des Grundwassers gekommen ist und dies auch in Zukunft nicht erwartet wird. Des Weiteren sind nach den dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz vorliegenden aktuellen Untersuchungsergebnissen zu den Wasserqualitäten im Bereich der betroffenen Gewässer die Belastungen laut Oberflächengewässerverordnung als gering einzustufen. Allerdings bleibt festzuhalten, dass das Rohöl in den Oberflächengewässern eine Belastung für die Lebensgemeinschaften im Wasser darstellt. Weitere Untersuchungen hierzu wurden veranlasst. Das Ausmaß des Umweltschadens und die damit verbundenen Folgen für Natur und Umwelt werden derzeit ermittelt und bewertet. Eine endgültige Bilanz kann erst nach Ablauf einer vollständigen Vegetationsperiode erstellt werden. Zu 5: Der Landesregierung liegen keine belastbaren Informationen zu den bisher entstandenen finanziellen Schäden vor. Auch lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Gesamtschadenssumme nicht abschätzen. Zu 6: Die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitssysteme richten sich bei Rohrleitungsanlagen und den zugehörigen Armaturen zum Transport von Rohöl nach den Maßgaben der Technischen Regel für Rohrfernleitungen. Demnach sind die Errichtung und der Betrieb derartiger Rohrleitungen so zu gestalten, dass die Rohrleitungsanlage den zu erwartenden chemischen und physikalischen Beanspruchungen sicher standhält und dicht bleibt. Dies beinhaltet u. a. – die sachgerechte Auswahl des verwendeten Materials, – eine regelkonforme Errichtung und Betrieb der Rohrleitung, 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1131 – eine ausreichende Dimensionierung der Rohrleitung und angeschlossener Armaturen, – den Schutz oberirdischer Anlagenteile und Stationen gegen den Zutritt Unbefugter (z. B. 2 m hoher Zaun), – die Gewährleistung eines ausreichenden Korrosionsschutzes, – die ständige Überwachung von sicherheitsrelevanten Betriebsparametern (z. B. Druck, Temperatur ), – regelmäßige Druckprüfungen sowie – die Überwachung der Rohrleitungstrassen durch Befliegen oder Befahren. Der Verteilerplatz 10 des Untergrundspeichers Etzel ist mit einem Zaun gegen den Zutritt Unbefugter geschützt. Darüber hinaus ist die Rohrleitung in diesem Bereich mit einem Manometer zur Drucküberwachung ausgerüstet. Die durch die Rohölleitung transportierten Mengen werden mittels Durchflussmesser erfasst. Aufgrund von Messungenauigkeiten und Änderungen des Mediums beim Durchfluss durch die Leitung (z. B. Abkühlung, Druckverlust durch Reibung) ändert sich auch das Volumen des Mediums. Aufgrund dieser Zusammenhänge können nur Volumenabweichungen größer 5 % detektiert werden, sodass im Umkehrschluss mit diesem System kleinere Leckagemengen nicht feststellbar sind Neben diesen Maßnahmen zur Gewährleistung der Leitungsintegrität werden die Betriebsplätze der IVG in regelmäßigen Abständen befahren, um Unregelmäßigkeiten in den Betriebsabläufen, die messtechnisch nicht überwacht werden können, zu erkennen. Die konkreten Zusammenhänge, die zu der Ölfreisetzung geführt haben, die Übereinstimmung der Anlagen mit den Antrags-/Genehmigungsunterlagen, die Übereinstimmung mit dem Stand der Technik und dem Stand der Sicherheitstechnik sowie die Verantwortlichkeit einzelner Personen sind Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Zu 7: Die IVG hat nach Bekanntwerden des Schadens umgehend die im Alarmplan des Unternehmens festgelegte Alarmierungskette ausgelöst, sodass unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr eingeleitet werden konnten. Die Einsatzleitung im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr haben die dafür zuständigen unteren Wasserbehörden der Landkreise Friesland und Wittmund wahrgenommen. Nach Maßgabe der Gefahrenabwehrpläne, die den Landkreisen vorliegen, koordinierten die Landkreise den Einsatz der externen Einsatzkräfte, wie der Feuerwehren und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk. In den ersten Stunden und Tagen nach dem Ölaustritt zählten zunächst das Abschöpfen des aufschwimmenden Öls in den betroffenen Gewässern sowie die Verhinderung der weiteren Ausbreitung in Richtung Jadebusen zu den unmittelbar ergriffenen Maßnahmen. Parallel dazu wurden die verunreinigten Böden und Böschungsbereiche von Bewuchs befreit, fachgerecht aufgenommen und entsorgt. Die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr wurden nach Einschätzung der Landesregierung vorbildlich organisiert und durchgeführt. Zu 8: Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat das LBEG angewiesen, gegenüber dem Unternehmen IVG anzuordnen, – Betriebsplätze, bei denen die Gefahr des Austritts größerer Rohölvolumina besteht, mit technischen Systemen für eine schnelle und zielgerichtete Detektion von Ölaustritten auszurüsten sowie – technische oder organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die bis zur Inbetriebnahme der Detektionssysteme eine Erkennung von Ölaustritten gewährleisten (z. B. Erhöhung der Kontrolldichte der betrieblichen Anlagen). Weiterhin hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr das LBEG angewiesen, die behördlichen Vor-Ort-Inspektionen bei der IVG zu intensivieren und alle niedersächsischen Untergrundspeicher im Hinblick auf die technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung des Austritts von wassergefährdenden Stoffen zu überprüfen. Des Weiteren hat das LBEG ei- 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1131 ne systematische Kontrolle der Betreiber von Untergrundspeichern im Hinblick auf die unternehmerischen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vorgesehen (Managementsystemaudit). Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im Rahmen der Fachaufsicht intensiv begleitet. Das LBEG hat unmittelbar nach dem Bekanntwerden die Untersuchungen zu der Schadensursache sowie dem Schadensausmaß aufgenommen. Hierzu hat das LBEG mit einem speziell ausgerüsteten Messfahrzeug erste Untersuchungen des Grundwassers und Bodens im Umkreis der Schadensstelle vorgenommen. Weiterhin begleitet das LBEG in enger Abstimmung mit den zuständigen Stellen der Landkreise Friesland und Wittmund die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sowie zur Sanierung des eingetreten Umweltschadens. Die IVG hat bei der Gefahrenabwehr mitgewirkt und dabei Personal und Material bereitgestellt. Um eine Wiederholung eines vergleichbaren Schadens zu verhindern, wurden vom Unternehmen alle mit den Entlüftungsarmaturen verbundenen offenen Leitungsenden mit einem Stopfen verschlossen , sodass bei einem technischen Versagen oder einer Fehlbedienung kein Öl austreten kann. Weiterhin setzt die IVG die Anordnungen des LBEG um. Zu den weiteren Maßnahmen der betroffenen Landkreise liegen der Landesregierung derzeit keine detaillierten Erkenntnisse vor. Zu 9: Der Vorfall in Etzel hat letztendlich bestätigt, dass überall dort, wo der Mensch komplexe Technik einsetzt, es keine 100-prozentige Sicherheit geben kann. Aufgabe aller verantwortlichen Akteure ist es daher, die unvermeidbaren Restrisiken zu minimieren. Vor diesem Hintergrund müssen Entscheidungen über den Einsatz bestimmter Verfahren und Technologien sehr gewissenhaft erfolgen. Auch ist die anschließende Anwendung dieser Verfahren und Technologien konsequent zu überwachen und im Hinblick auf mögliche Optimierungen regelmäßig zu überprüfen. Zu 10: Wirtschaftsminister Lies hat sich seit Bekanntwerden des Ölaustritts durch ständigen Dialog mit den zuständigen Stellen und dem LBEG über den Sachstand des Ölaustritts und der Schadensbegrenzung informiert. Ein gemeinsamer Termin des Ministers mit den zuständigen Landräten, Bürgermeistern , Vertretern der Hilfskräfte und weiteren zuständigen Stellen war erst am 23. November 2013 möglich. Zudem standen die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Vordergrund, die in der Zuständigkeit der unteren Wasserbehörden der betroffenen Landkreise lagen. Erst nach näherer Kenntnis über Ursache und Verlauf des Gefahreneintritts und der erforderlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen konnte sinnvollerweise mit den zuständigen Stellen vor Ort das Gespräch über Maßnahmen und Konzepte zur zukünftigen Gefahrvermeidung geführt werden. Zu 11: Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz war vor Ort durch Frau Staatssekretärin Kottwitz vertreten, die sich einen Überblick darüber verschaffte, inwieweit eine Unterstützung des LBEG sowie der betroffenen Landkreise, bei denen die originäre Zuständigkeit liegt, durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz sowie das Havariekommando gefordert war. Olaf Lies 4 (Ausgegeben am 17.01.2014) Drucksache 17/1131 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Hillgriet Eilers (FDP), eingegangen am 02.12.2013 Welche Folgen hat der Ölaustritt in Etzel? Antwort der Landesregierung